Bananen
«Heute Morgen
hatte es schon wieder keine Bananen auf dem Frühstücksbuffet!», echauffierte
sich die Dame aus Zimmer 166 und wandte sich an den Hotelmanager. «Wachsen denn
keine Bananen auf dieser Insel?»
«Aber sicher
wachsen hier Bananen!», entgegnete dieser. «Aber die haben heute frei».
Um diesen
kryptischen Satz entschlüsseln zu können, muss man tief in die mikronesische
Politik eintauchen. Ein wesentlicher Grundsatz lautet, ähnlich wie in der
Schweiz: «Je Republik, desto Banane», manchmal auch in der Variante «Je kleiner
das Land, je grösser die Bananen».
Es geschah vor
einigen Wochen. Wir standen am Flughafen von Yap und hatten uns in die Schlange
der Einreisenden eingereiht. Sorgfältig prüften die Grenzbeamten die Pässe,
kontrollierten die Einreiseformulare und stempelten sich lustlos durch die
Papiere.
Bei den zum
Flughafen abkommandierten Grenzbeamten handelte es offensichtlich um Lehrlinge:
Sie durften nur Visa bis zu einer Gesamtdauer von 30 Tagen vergeben. Wir aber
beabsichtigten, 35 Tage im Land zu bleiben. «Kein Problem, meinte die
Offizierin.» Am 27. Dezember gehen sie ins Einwanderungsamt, die «Immigration»,
und holen sich ein Visum für die verbleibenden Tage. Auf unsere Frage, ob denn
das Amt an diesem Tag auch wirklich geöffnet habe, meinte sie stramm «Yes,
Sir!»
Es ist der 27.
Dezember 2018 und wir stehen vor dem genannten Amt: «Closed.» Wiedereröffnung
am 2. Januar. Verstösse gegen Aufenthaltsbestimmungen werden überall auf der
Welt bestraft. Auch in der Schweiz drohen hohe Bussen und manchmal auch
Gefängnisaufenthalte. Gefängnis in Yap? Muss nicht sein.
Am Nebentisch im
Frühstücksraum sitzt ein älterer Herr. Er hat unser Gespräch mitgehört,
schüttelt den Kopf und meint leise: «Das darf doch nicht wahr sein!».
Der Hotelmanager
macht uns mit ihm bekannt: «Sir Henry, der neu gewählte Gouverneur von Yap.»
Da es in der
Schweiz nicht allzu viele Gouverneure gibt, hier eine Beschreibung von Sir
Henrys Tätigkeiten: Er ist Staatsoberhaupt von Yap, politischer Führer, am
ehesten vergleichbar mit dem Präsidenten des Regierungsrates. Er vertritt den
Staat, den «Kanton», in der Bundesregierung der «Föderierten Staaten vom
Mikronesien».
Zurück zu unserer
Aufenthaltsgenehmigung, die vor ein paar Stunden abgelaufen ist. Obwohl Sir
Henry noch nicht im Amt ist, die Inauguration wird erst im Januar stattfinden,
greift er zu seinem Handy. «Ich werde denen mal den Marsch blasen!», ruft er
erzürnt.
Der Hotelmanager
aber meint: «Wait, Sir Henry, das erledigen wir auf dem kleinen Dienstweg. Ich
werde meine Späher aussenden und einen der Beamten finden. Wir wissen schon, wo
wir suchen müssen. Diese Insel ist ja ein Kaff, um nicht zu sagen ein Kabuff.
Wenn meine Späher einen Beamten gefunden haben, werden sie ihm erst die Leviten
lesen und ihn dann mit samt seinen Stempeln hier ins Hotel schleppen.»
Noch warten wir
auf den Stempler, sitzen gemütlich an unserm kleinen Pool und lassen es uns gut
gehen. Die Bananen schmecken ganz ausgezeichnet. Auch ohne
Aufenthaltsgenehmigung.