Donnerstag, Juni 26, 2014

WM-Gnagi

Als Schweizer sind wir ja nicht wirklich verwöhnt mit fussballerischen Meistertiteln. Nur in Randsportarten oder Spezialdisziplinen wie Grillieren, Frisieren und Glassammeln gelingt uns der Griff zu weltmeisterlichen Pokalen. Im Laufe der Evolution hat sich deshalb der Homo Helveticus – mit Ausnahme einiger Mutanten aus der Muttenzerkurve – zum perfekten Zuschauer entwickelt. Diese Tugend ist mir in den vergangenen Tagen völlig abhanden gekommen. Die Überdosis an Informationen aus Brasilien verursacht bei mir ähnliche Symptome wie eine Überdosis Alkohol und ich beschloss gestern, bis auf weiteres meinen Dienst als WM-Zuschauer zu verweigern. Wieso sollte mich ein Orbitalbodenbruch, eine Muskelzerrung, ein Kreuzbandriss oder irgendwelche Adduktoren interessieren?

Ein 25-jähriger Lifestyle-Koch empfahl den Boulevard-Lesern zum Deutschland-Spiel Würstchen im Teig. Mein lieber Schwan! Die hättest du wohl besser zum Spiel der Schweizer serviert! Nur gerade Hurni von vis-à-vis fand, dass die verkohlten Wienerli farblich ganz apart zu den Afrikanern gepasst hätten. Da ich wusste, dass Hurni farbenblind war, ignorierte ich ihn und las weiter. „Wählen Sie den schönsten Fussballer!“ wurde ich auf Seite 3 aufgefordert. „Die sollen tschutten und nicht vor dem Spiegel stehen“, ereiferte sich Hurni, und ich gab ihm ausnahmsweise recht. Auch die schönsten Bärte, die schärfsten Kniescheiben sowie die männlichsten Nasenflügel interessieren mich nicht. Da Schreiben sehr kräfteraubend ist, wollte ich jedoch wissen, was ich denn vor dem nächsten Match essen soll. Die Ausbeute meiner Suche im Internet war nicht ergiebig. Ich einigte mich auf ein Menu mit Eiweiss, Kohlehydraten, Fett, Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen, etwas Zucker und Salz, sowie lebensnotwendiger Flüssigkeit.
Heute Abend gibts Gnagi mit Senf und Bürli. 
Dazu ein grosses Helles. 
Passt doch.



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Donnerstag, Juni 19, 2014

Allergien

Menschen mit einer Fussballallergie haben es nicht leicht in diesen Tagen. Gnadenlos servieren uns sämtliche Medien rund um die Uhr Geschichten von bewegten Männern und deren kriselnden Kniescheiben. Der tägliche Einkauf wird zur Tortur und die Suche nach einer Zahnpasta zum Spiessrutenlauf durch fussballerische Devotionalienmärkte. Die Industrie lässt keine Peinlichkeit aus, um auch noch dem letzten Ladenhüter ein weltmeisterliches Outfit zu verpassen. Und so kommt es, dass manche Grossmutter neben der Haftcrème plötzlich auch noch einen WM-Schüblig, ein Birchermüesli mit Valentin-Stocker-Poster und einen Rasierapparat mit Hitzfeld-Autogrammkarte im Einkaufskorb vorfindet.
Hurni von vis-à-vis hat mir gestern seinen Original WM-Fussball gezeigt. „Gratis!“ japste er.
Wirklich?“ fragte ich zurück und zeigte auf die geschätzten 240 Dosen Bier vor seiner Wohnungstüre. So viele Dosen musste man nämlich bereits im Vorfeld der WM kaufen, um den Ball der Bälle gratis zu bekommen.
Sie trinken doch gar keinen Alkohol! Und was wollen sie als Achtzigjähriger mit diesem blöden Ball? Mir ihrem Rollator lässt man sie sowieso nicht aufs Spielfeld!“ Da Hurni sein Hörgerät abgestellt hatte, lächelte er nur lautlos und schloss die Türe.örgerät abgestellt ha

Auch dieses Jahr werden wieder Tintenfische, Steinböcke und anderes Getier als Orakel bemüht. Da ich mir weder das eine noch das andere anschaffen wollte, erfand ich kurzerhand das Prosecco-Orakel.
Ich werde mich deshalb morgen kurz vor dem Anpfiff der Begegnung Schweiz – Frankreich mit einer Flasche Prosecco auf den Balkon setzen, die Flasche gut schütteln und Richtung Osten zielen. Landet der Zapfen bei Madame Pompadour im zweiten Stock, wird die Schweiz das Spiel gewinnen. Wird er hingegen bei Hurni landen, wird der Sieg an Frankreich gehen. Bei einem Fehlschuss ins Niemandsland wird es der Schweiz nur zu einem Unentschieden reichen. Ich werde zur Strafe den lauwarmen Prosecco austrinken und das Spiel auf keinen Fall anschauen.

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Donnerstag, Juni 12, 2014

Röschti Pelé

Als mich Hurni letzten Montag fragte, ob ich denn vielleicht einen Sommer zum Tauschen hätte, wurde mir bewusst, dass auch ich dem Fluch der Waden nicht entkommen konnte. Nein, auch ich musste mich – und dies mit allen Konsequenzen – mit dem Sammeln und Kleben von Fussballern, vulgo Panini-Sticker, befassen. Ich beschloss, mich weltfremd zu geben und fragte Hurni hinterhältig, weshalb der Sommer denn ein Brötchen – ein Panino – sein soll. Und gegen was er denn diesen Sommer tauschen wolle – etwa gegen den Herbst? Hurni beschloss, zu diesem Thema keine weiteren Worte mehr zu verlieren. Natürlich freuen wir uns, dass er nur die Worte, nicht jedoch seine Fassung verloren hat, und gratulieren ihm auf diesem Weg zu seinem achtzigsten Geburtstag.
Es sind also nicht nur Schülerinnen und Schüler, die der blinden Sammelwut verfallen sind! Nein, die Pandemie hat auch Seniorenresidenzen erfasst. Anstatt die Rente in Pizza, Pasta und Pastetli zu investieren, fliesst das Geld einer ganzen Generation direkt in die Kassen eines ausländischen Verlages.

Kari Koch, die personifizierte Lichtgestalt der Basler Gastronomie und begeisterter Linksaussen, hat mir gestern seinen kulinarischen Beitrag zur Weltmeisterschaft vorgestellt. Es handelt sich um eine Röschti namens „Pelé“ und soll den südamerikanischen Kontinent darstellen. Nach eingehender Begutachtung kam ich jedoch zum Schluss, dass es sich bei seiner Kreation um den Gemeindebann von Ammel handelt. Karis Erklärungen, die beigelegten Tomaten würden die „Girls from Ipanema“ repräsentieren und der Peterli stelle den Amazonas dar, akzeptierte ich nicht. Die holländische Tomate liegt nämlich mitten im Amazonasgebiet und die dänische Petersilienstaude schwimmt wie einst Magellans Flotte im Stillen Ozean. Daran ändert sich auch nichts, wenn der bosnische Hilfskellner beim Servieren mit den Hüften wackelt.


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Donnerstag, Juni 05, 2014

Falschbrater

Der Mensch brät seit Jahrtausenden. Unsere Vorfahren schmissen Filetspitzen vom Säbelzahntiger in die Glut oder hielten einen Mammutspiess ins offene Feuer. Andere erfanden den heissen Stein und brätelten darauf zarte Schnitzel vom Wollnashorn. Wissenschaftler wollen wissen, dass der Mensch erst durch das Braten zum Mensch geworden ist. Steaks, Koteletts und auch Rüben waren plötzlich leichter zu kauen, der Kiefer wurde kleiner, brauchte weniger Platz im Schädel. Diese Tatsache führte zur Hirnschädelvergrösserung und das Hirn wuchs tatsächlich weiter. Leider nicht bei allen, wie wir immer wieder schmerzlich feststellen müssen.
Ich brate mein Steak in Tante Marthas gewaltfrei geschmiedeter Eisenpfanne. Olivenöl erhitzen bis sich Bläschen am Holzlöffel bilden, Steak rein, anbraten, Steak wenden, braten, warten, fertig, essen. Seit gestern weiss ich, dass ich Falschbrater bin. Denn nicht bei allen Primaten hat die Schädelvergrösserung zur Menschwerdung geführt. Bei einigen ist das Gehirn offensichtlich geschrumpft. So zum Beispiel beim Mitarbeiter eines britisch-holländischen Konzerns. Wie jeden Abend hatte er die Worte seines Vorsitzenden in sein Nachtgebet eingeschlossen. „Wir werden neue Wege für unser Geschäft entwickeln, die es uns ermöglichen, die Grösse unseres Unternehmens zu verdoppeln, während wir die Auswirkungen auf die Umwelt verringern.“ Amen. Am nächsten Tag beschloss er, den allseits geschätzten Kochlöffeltest für ungültig zu erklären und erfand ein Fett bei dem die Bläschen verschwinden, wenn es genug heiss ist. Eine überbezahlte Hornbrille aus der Werbeabteilung textete am frühen Sonntagmorgen beim Fliegenfischen: „Fetty mit dem Bratstartsignal – und die Bläschen verschwinden! Fetty braucht der Mensch!“ Noch sind die Auswirkungen des Bratstartsignals auf die Umwelt – sowie auf die geistige Gesundheit der Menschheit – nicht bekannt.


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