Montag, Februar 26, 2018

Grüezi !


„Grüezi, ich möchte einen Tisch reservieren.“
Grüzi?“

 „Ja, grüezi, ich möchte bitte für morgen Abend einen Tisch reservieren.“
„Hallo?“

 „Ja, hallo, kann ich bitte einen Tisch für sieben Personen reservieren?“
„Fisch?“

 „Nein, einen Tisch.“
„?!“

 Hallo, sind Sie noch dran?“
„Wer?“

 „Sie! Kann ich reservieren? Einen Tisch für 7 um 8.“
„Acht?“

 „Ja – sieben Personen um acht Uhr, morgen.“
Nein, Morgen 8 Uhr geschlossen.“

 „Nein. Natürlich um acht Uhr abends, 7 für 8.“
„Hihi.“

 „Was ist denn so lustig?“
„Nix verstehen, hihihi.“

 „Haben Sie denn keinen Tisch mehr frei?“
„Tisch 8?“

 Ist egal, irgendeinen Tisch für sieben um acht!“
„Sieben und acht? 15!“ (stolz)

 Nein, nicht 15! Sieben!“ (wütend)
„Nicht 15?“ (weinerlich)

 
Doch natürlich gibt das 15. Aber ich möchte für morgen gegen 8 für sieben reservieren.“
„So viel? Kein Platz!“

 Kein Platz? Aber Sie haben doch im Restaurant Platz für 100 Personen!“
„Wieso Restaurant? Wo?“

 

Wenn Sie nun denken, dass diese Geschichte von Ephraim Kishon sei, frei erfunden, erstunken und erlogen ist, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Ich führte dieses Telefongespräch am 18. Februar 2003 um 16.30 Uhr.

 
 
Kolumnen aus dem Buch HUEHNERBRUST UND FEDERKIEL, Hanspeter Gsell, Verlag BoD
 


Mittwoch, Februar 21, 2018

Wasserschaden

Neulich trafen wir uns in einem netten Gasthof irgendwo im hügeligen Jura. Wir schwelgten uns durch die ausgezeichnete Küche, tranken uns durch den Keller und verdünnten das Ganze mit reichlich Mineralwasser. Wir bezahlten einen stolzen Preis und das Trinkgeld war mehr als grosszügig. Leider wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Wasser aufstossen kann und schon gar nicht wusste ich, dass Wasser Hirnschäden verursachen kann.


 

Als ich einige Wochen später wieder den lieblichen Gasthof betrat, musste ich meine Meinung flugs ändern. Der Wirt verkündete mir nämlich unmissverständlich, dass er bei unserm letzten Besuch nur 16 anstatt 17 Flaschen Mineralwasser verrechnet habe. Er würde diese arme Flasche der Einfachheit halber heute auf meine Rechnung setzen. Oh mein Gott, der arme Mann! Ich sah ihn in Gedanken vor mir, wie er in der Küche seine alten Nagelschuhe auskochte, damit seine armen Kinderlein wenigstens einmal am Tag etwas Warmes zu essen hatten.
 
Nach kurzem Nachrechnen stellte ich fest, dass er an diesem grässlichen Abend einen Nettoverlust vor Steuern und Abschreibungen von Fr. 4.23 erlitten hatte. Ich schämte mich zutiefst und setzte ein betretenes Gesicht auf. Selbstverständlich entschuldigte ich mich für mein Versehen, streute Asche auf mein Haupt und wälzte mich schreiend auf dem Boden. Anschliessend wischte ich mir eine einsame Träne aus dem linken Augenwinkel und bezahlte umgehend die verlangten fünf Franken. Ich nahm mir vor, der „Stiftung für wasserkranke Wirte“ einen grösseren Obolus zukommen zu lassen.


Montag, Februar 19, 2018

Changement de Patron

Eigentlich dachte ich, dieses Urgestein schweizerischer Gastfreundschaft sei ausgestorben oder habe zumindest den Übergang ins Dritte Jahrtausend nicht geschafft. Aber klammheimlich ist er wieder aufgetaucht und hat sich als virtueller Trojaner wieder in helvetischen Speisekarten eingenistet: Er, das ist „der Menüwechsel“, oder eleganter und somit französisch „Le Changement de Menu“, und kostet den Gast nach der nach oben offenen Gastfreundschaftsskala zwischen zwei und mehr Franken. Wer hat eigentlich diese Ausgeburt einer beamteten Gebührenordnung erfunden? Wie kann nur ein Gastgeber seine Gäste bestrafen, wenn sie an Stelle von Reis lieber Teigwaren essen möchten? Dafür gibt’s nur eine Antwort: „Changement de Patron“!


 
 


Natürlich hat auch Kari Koch, diese Lichtgestalt helvetischer Gastfreundschaft, einen Bussenkatalog für unfolgsame Gäste eingeführt. Er umfasst neben dem Tatbestand „des fahrlässigen einfachen Menüwechsels“ (Kartoffeln statt Härdöpfel) auch die besonders verbrecherische Variante des „vorsätzlichen, wiederholten und böswilligen Menüwechsels“. Der Preis für einen garnierten Wurstsalat kann unter geschickter Ausnutzung aller Zuschläge leicht die Hundertfranken-Grenze überschreiten. Aber auch der Preis für das Tagesmenü (inkl. Suppe, Salat und Dessert) lässt sich ohne Suppe, Salat und Dessert leicht verdoppeln.
 
 
Als gestern der Champagner ausverkauft war, mussten die Gäste zu Prosecco wechseln. Trotz Getränkewechselzuschlag war er jedoch nicht teurer als der Champagner. Meine Entscheidung aber war gefällt: Changement de Restaurant!
 
 

 

Freitag, Februar 16, 2018

Ganz in Weiss

Endlich ist die Werbung dort angekommen, wo sie schon immer hingehörte: in der Toilette. Vor einigen Wochen hat nun auch Kari Koch, meine Ausgeburt von Lieblingswirt und Sonnenschein aller Satiriker, sein stilles Örtchen gewinnbringend verschandelt. In seinem Pissoir werden jetzt Whisky und Kondome beworben, über der Toilettenschüssel hängt ein Plakat mit Empfehlungen für meine Prostata und neben dem Spiegel wirbt ein nach vorn gekämmter Bubi für sein unwiderstehliches Aftershave. Mit Spannung und Angst warten wir auf die nächsten Höhenflüge der gebeutelten Werbeindustrie.

Zum Beispiel nächstes Jahr beim Zahnarzt: Bevor er den Bohrer ansetzt, tritt der Weisskittel zwei Schritte zurück, nimmt eine bekannte Zahnpasta in seine linke Hand, streckt die Rechte himmelwärts und spricht: „Wussten Sie, dass neunzehn von zwanzig Zahnarztfrauen nur noch Pastadent superweiss verwenden? Verwenden deshalb auch Sie Pastadent superweiss!“ Seine Gehülfin spielt derweil auf dem Keyboard Ganz in Weiss, dreht sich dazu um ihre eigene Achse und die Gattin verbucht zwei Taxpunkte.

Auch für die professionellen Gastgeber werden zurzeit neue Werbeeinsätze geplant. Zwischen Prosecco, Primitivo und Pappardelle sollen zukünftig geschickte Kellner Timeshare-Anteile verscherbeln, den dazu benötigten Kleinkredit vermitteln und die weiblichen Gäste mit dem neuen Duft von Armani besprühen. Zum Coupe Dänemark gibt’s gratis ein Handy. Allerdings nur, wenn man gleichzeitig dieses Buch kauft.

Aus dem Buch Hühnerbrust und Federkiel, Hanspeter Gsell, Verlag BoD

Dienstag, Februar 13, 2018

Chicken and Beef

Es ist Januar, und ich bin unterwegs in den Fernen Osten. Aus dem Bordlautsprecher scherbelt Stille Nacht und ich freue mich auf das per Video angekündigte Nachtessen welches von „internationalen Spitzenköchen“ sorgfältig zusammengestellt wurde. Die leichte Bio-Kost – laut Werbung von Heidi und Geissenpeter direkt angeliefert – soll mir helfen, den anstrengenden Flug besser zu überstehen. Aber offenbar haben die Spitzenköche heute frei und der Geissenpeter ist im Stau stecken geblieben. Denn was den Passagieren vorgesetzt wird, dient bestenfalls dazu, den ärgsten Hunger zu stillen oder ängstliche Passagiere von der Flugangst abzulenken. Dabei ist hier Flugangst absolut unbegründet: vor dem Essen sollten Sie sich fürchten.

Der niedliche Salat aus rotem und weissem Chabis ist durchtränkt von der völlig übersüssten, benachbarten Rüeblisalatsauce. Auch das ebenfalls vom Spitzenkoch gedesignte Sultaninchen kann das Grauen nicht mindern. Diese Vorspeise wird begleitet von einer zu Brot gewordenen Ausgeburt eines Lebensmitteltechnologen mit Beziehungen zur Altpapierverwertung. Der erste Biss: So muss es sein, in eine alte Schaumgummimatratze zu beissen. Das dezente Papier-Aroma erinnert an eine nass gewordene Zeitung. Im Gaumen überwiegen Sandaromen, sie hinterlassen einen schalen Geschmack. Nur mit heftigen Kaubewegungen und der Mithilfe eines Glas Wassers kann die Masse dazu bewegt werden, den Mund via Hals zu verlassen.

Die Menüauswahl entspricht dem Standard der Branche: „Beeforchicken“ oder „Chickenorbeef“. Ein Hühnerleben ist ja an und für sich schon nichts Erstrebenswertes. Gott sei Dank weiss das bedauernswerte Vieh nicht auch noch, zu welchen absonderlichen Speisen es verarbeitet wird!
 


Welchem Hirni aber kam es wohl in den Sinn, in einem Flugzeug Spaghetti zu servieren! Bei den heute gängigen Sitzabständen wird ein solches Essen zu einer höchst unfallträchtigen Angelegenheit. Sollten die Sitznachbarn nicht durch Gabelstiche oder spitze Ellbögen ernstlich verletzt worden sein, so werden sie jedoch sicher Erinnerungen in Form von Saucenspritzern mitnehmen.

Liebe Airlines: entweder schafft ihr es, etwas Anständiges zu servieren. Oder ihr hört auf damit. Dann braucht es auch keine Werbung mehr, die der kranken Fantasie Businessklasse-reisender Marketingstrategen entsprungen ist und schlichtweg eine Vorspiegelung falscher Tatsachen ist. Vielleicht hilft jedoch auch folgende Massnahme: Verdonnern Sie ihre Marketingmitarbeiter dazu, während drei Wochen täglich eine Langstrecke in der Economyklasse zu fliegen. Ich wette mit Ihnen, dass die Qualität an Bord sprunghaft ansteigen wird.

Leider hat es nicht mehr sein sollen. Die Fluggesellschaft existiert nicht mehr. Wobei in diesem Falle die Köche nichts, aber wirklich nichts damit zu tun hatten, und somit diesen Brei auch nicht verderben konnten.

Aus: Hühnerbrust und Federkiel, Hanspeter Gsell, Verlag BoD


Samstag, Februar 10, 2018

Zuber ermittelt: Die Akte Guldenfinger

Zuber mochte es gar nicht, wenn man ihn mitten in der Nacht anrief. Als er den Hörer abnahm – Zuber weigerte sich vehement, ein Handy zu benutzen – holte er deshalb bereits zu einem rhetorischen Rundumschlag aus, besann sich dann aber doch noch eines Besseren und meldete sich mit einem dezenten „Hallo“. Schweigend hörte er zu, zog sich an und machte sich auf den Weg zum Tatort. Obwohl – eigentlich wusste er in diesem Moment noch nicht, ob der Fundort von Frau Guldenfinger auch der Tatort war. Forsch betrat er den Speisesaal des alten Hotels, nickte kurz rechts und links und machte sich an die Arbeit. Frau Guldenfinger musste bereits seit Jahren hinter dem Samtvorhang gelegen haben. Wobei, eigentlich nicht gelegen, sondern gesessen! Wie Zuber sofort feststellte, sass sie nämlich mausetot in einem eleganten Louis-Quatorze-Armlehnstuhl aus feinstem Nussbaum. Und sie sass da, als ob sie eben erst noch ihr Aktiendepot studiert hätte.

Vorsichtig, um ja nichts zu verändern, suchte Inspektor Zuber nach den untrüglichen Anzeichen eines Verbrechens. Mit Lupe, Pinzette und einem leicht gebogenen Sprüttel suchte er jeden Quadratzentimeter ab. Mit einem Pinsel entfernte er die dicke Staubschicht und zerblies die Spinnennetze. Nirgendwo konnte er Anzeichen von Gewalt entdecken. Vielleicht ein Herzinfarkt? Was aber könnte diese nette alte Dame dermassen erschüttert oder erschreckt haben? Da Zuber wusste, dass Frau Guldenfinger über ein stattliches Vermögen verfügt hatte, vermutete er eine Erbschaftsangelegenheit. Ob vielleicht so-gar Gift im Spiel war? Aber das müssten dann wohl die Gerichtsmediziner abklären. Noch einmal schweifte sein Blick über den Fundort. Da erblickte er auf dem Boden eine alte Speisekarte. Er hob sie auf und blätterte vorsichtig darin; es mussten über hundert Seiten sein!
Sofort wusste er, was hier passiert war. Frau Guldenfinger war bereits das dritte Opfer des grössenwahnsinnigen Kochs: Wieder hatte eine Speisekarte ein Opfer gefordert. Frau Guldenfinger war auf Seite 67 verhungert. Sie kam nur bis zu den Süsswasserfischen.

Aus dem Buch Hühnerbrust und Federkiel von Hanspeter Gsell, Verlag BoD

 

Dienstag, Februar 06, 2018

Gouverneure und Kobras

Es begab sich vor langer Zeit irgendwo in Hinterindien. Es herrschte eine dramatische Schlangenplage. Praktisch auf jedem Baum hatte es sich eine Kobra gemütlich gemacht, liess ihren Schwanz hängen und tat vornehmlich das, was Kobras eben so zu tun pflegen, nämlich nichts. Manchmal aber hatten sie Hunger, verliessen ihren Baum und taten sich gütlich. So lebten sie glücklich und zufrieden, genossen die indische Sonne und manchmal ein feines Curry. Wurde es ihnen langweilig, liessen sie sich von einem Schlangenbeschwörer in einen Korb stecken um diesen alsbald, aber spätestens beim Ertönen einer Flöte, wieder zu verlassen.


Als der Gouverneur Ihrer Majestät von der lustigen Schlangenvermehrung hörte, beschloss er, fortan Land und Leute besser zu schützen. Er erliess zu diesem Zweck ein Dekret und verfügte, dass die Kobras einzufangen und zu vernichten seien. Um dieses Vorhaben zu beschleunigen, zahlte er für jede Kobra einen ansehnlichen Betrag. Schon nach kurzer Zeit reduzierte sich deren Bestand rapide und manch Kobrafänger kam zu einem stattlichen Einkommen und einem Chalet am See. Gewiefte Inder – und welcher Inder ist schon nicht gewieft! – machten sich ihre Gedanken. Denn sie befürchteten zu Recht, dass ihr Einkommen bald ausgeschlängelt haben könnte. Also sprachen sie – natürlich indisch – und begannen erfolgreich mit der Zucht von Kobras. Und so lebten sie lange Zeit glücklich und zu-frieden.

Natürlich finden wir es alle gut, dass es in der Schweiz weder Kobras noch listige Gouverneure gibt. Aber von irgend etwas gibt es natürlich auch hier immer zu viel. So soll es – laut Schweizerischem Cafetierverband – in der Schweiz zu viele Cafés geben. Nun sind Cafés zwar deutlich weniger gefährlich als Kobras. Auch lassen sich Cafetiers weder in Körbe packen noch mit Flöten locken und schon gar nicht mit einem Curry abspeisen. Dann doch eher mit einer grosszügigen Stilllegungsprämie. Gewiefte Unternehmer sollten sich deshalb schleunigst daran machen, einige hundert Cafés zu eröffnen. Dank den Prämien werden sie ein glückliches und zufriedenes Leben führen können. Vielleicht sogar im Chalet am See.

Der Schweizer Cafetier-Verband ging Ende 2005 wortwörtlich fremd und hatte eine Bieridee: man wollte weniger Betriebe auf dem Markt. Der Ausstieg sollte mit satten Prämien aus dem Alkohol-zehntel versüsst werden. Die Suppe allerdings wurde von links und rechts heftig versalzen und die Idee ist wohl dort gelandet wo sie auch hingehört: im Kaffeesatz.

Aus meinem Buch Hühnerbrust und Federkiel, Verlag BoD


Sonntag, Februar 04, 2018

Könige

„Unsere Gäste sind Könige!“ Dieser royalistische Merksatz aus alten Zeiten sprang mich heute Morgen vehement an. Er stammt nicht aus einem alten Lehrbuch für das Gesinde, sondern ziert als Überschrift einen aktuellen Bericht zur Lage der Gastronomie. Mit den genannten Königen meint man natürlich nicht die echten Blaublüter und andere Drosselbärte. Nein, damit meint man die real existierenden werktätigen Gäste. Also zum Beispiel auch mich.
 

Ich aber will kein König sein! Denn vor Königen katzbuckelt man und verrichtet für sie Sklavenarbeit. Ich will weder von Untertanen noch von Leibeigenen bedient werden! Könige sind nicht Gäste sondern republikanische Pflichtübungen; Könige sind skandalös, manchmal despotisch und meistens vollkommen überflüssig. Könige lassen ihr Volk auspeitschen und in Ketten legen. Nur Königinnen und Prinzessinnen sollen noch schlimmer sein. Sie stehen den ganzen Tag märchenhaft vor dem Spiegel, hassen die Sieben Zwerge und verteilen gratis vergiftete Äpfel. Es muss wirklich wahnsinnig viel Freude bereiten, für Könige zu arbeiten! Nie im Leben möchte ich von königlichen Küchenmeistern bekocht werden, hasse untertänige Frackträger und möchte in keinem Fall als Sklaventreiber angesehen werden. Und ich will nicht von Haushofmeistern, Lakaien und Kammerdienern hofiert werden. Ich möchte ganz einfach Gast sein in einem gastlichen Haus.Es wird Zeit, die Monarchie abzuschaffen: schicken Sie die Könige ins Exil! Vielleicht sind dann Gäste wieder das, was sie eigentlich wirklich sein möchten: willkommene Gäste.

Aus dem Buch "Hühnerbrust und Federkiel" 
Seitenhiebe auf die Gastfreundschaft 
Hanspeter Gsell
Erschienen 2006 bei BoD