Donnerstag, Juni 09, 2016

Madame Pompadour und der Tauchlehrer

Madame Pompadour und der Tauchlehrer
 
Die Îles des Saintes – die Inseln der Heiligen – sind eine Inselgruppe in der Nähe von Guadeloupe. Hier haben wir getaucht, uns ausgeruht, manchmal geträumt und ab und zu etwas getrunken.

 
Wir wurden von unserer Gastgeberin mit einem Citroen Méhari, dem vielleicht hässlichsten Fahrzeug der Welt, am Flugplatz der Insel Terre-de-Haut erwartet. Wir setzten uns auf eine schattige Holzbank vor dem kleinen Hotel und sahen uns um. Ein Einheimischer kam auf uns zu, murmelte uns an und schlurfte weiter.

„Ich wusste gar nicht, dass es weisse Neger mit roten Haaren gibt!“
„Man sagt nicht Neger!“ antwortete mir meine Frau.
„Ja, ich weiss, schwarze Neger sind politisch nicht korrekt. Aber der ist doch weiss! Es ist ein weisser Neger. Und weisser Neger darf man sagen“, versuchte ich, sie zu korrigieren.
„Nein. Darf man nicht!“
„Nein?“
„Nein!“

Tatsächlich lebt auf der Insel Les Saintes ein äusserst eigentümlicher Menschenschlag der weder schwarz noch weiss, weder rot noch gelb ist. Vor vielen Hundert Jahren haben sich hier Normannen und Bretonen (rothaarig, bleichgesichtig) angesiedelt. Kaum waren sie angekommen, fraternisierten sie mit den einheimischen Karibern (dunkelhaarig, braungesichtig). Dazu kamen im Laufe der Zeit Sklaven aus Afrika (das Wort das man nicht sagt, kraushaarig, schwarzgesichtig), etwelche Holländer (blond, käsegesichtig), Pariser (überheblich, grauhaarig und graugesichtig).

Und so kommt es, dass hier manche Menschen holländische Plattfüsse, rotes Kraushaar, afrikanische Lippen und französische Stupsnasen haben.

 

Madame Pompadour und der Monitöör

Nicht so unsere Gastgeberin, Madame Pompadour. Natürlich hiess sie in Wahrheit nicht so. Doch ihr hoheitsvolles Auftreten, der königlich-laszive Schritt und die edlen Tropenroben liessen vermuten, dass sie sich im Hinterzimmer noch irgendeinen Nachfahren von Louis Quatorze hielt.

Wir fragten die Pompadour nach Gérard, dem Besitzer der Tauchbasis.

„Tauchbasis? Auf der Insel gibt es keine Tauchbasis“, meinte sie trocken und wischte sich mit ihrer beringten Hand ein imaginäres Salzkorn von der Nasenspitze.
„Es muss aber eine Tauchbasis geben. Ich habe bereits gebucht und für die Ausflüge mit Gérard bezahlt.“
Non. Keine Tauchbasis“, sagte sie und verschwand.
Ich überlegte mir, ob ich mich ein wenig echauffieren sollte, liess es angesichts der Hitze jedoch wohlweislich sein.

Da an diesem Tag die Küche bei Madame Pompadour kalt blieb, machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Die Entscheidung war einfach: Nur das Papillon, der Schmetterling, hatte geöffnet.
Dort trafen wir die Inselprominenz bei Bouillabaisse und Entrecôte. Wir machten Bekanntschaft mit Louis (nicht mit Quatorze sondern mit dem Apotheker), seiner nicht so heimlichen Geliebten Giselle (der Zahnärztin) und Gérard, dem Tauchlehrer.

Also doch! Madame hatte uns schamlos angelogen, es gab eine Tauchbasis auf der Insel. Der alten Vettel würde ich mal was erzählen! Doch Gérard beruhigte mich.
„Weisst du, als die alte Tauchbasis zum Verkauf stand, hat sich auch Madame Pompadour dafür interessiert. Aber Pierre wolle nur mir verkaufen, er stammt aus Poitier, wie ich. Und nie und nimmer hätte er an eine Pariserin verkauft!“

Tauchen mit Gérard

Wir erlebten wunderbare Tage auf der kleinen Tauchbasis von Gérard. Sie liegt in einer einsamen Bucht mit Sicht auf die umliegenden Inseln. Nur vor den Palmen musste man sich in Acht nehmen.

„Der Ton ist scheusslich“, meint Gérard.
„Welchen Ton meinst du denn?“ fragte ich ihn.
„Sssschhttq!“
„Sssschhttq?“
„Genau, Sssschhttq! So tönt es, wenn eine Kokosnuss auf einen Schädel trifft. Ich war mal dabei, als ein Kalb von einer Nuss erschlagen wurde. Grauenhaft!“

Wir setzten uns trotzdem unter eine Palme (Gérard meinte mit Kennerblick, dass die Nüsse noch nicht reif seien) und tranken einen Petit Punch. Weisser Rum (viel), Rohrzucker (auch viel) und Limonen. Alles in einem kleinen Schnapsglas durchgequirlt und ex und weg. Nach dem dritten Glas holte sich Gérard seine Gitarre aus der Bretterbude und machte mal den George Brassens. Der anschliessende Tauchgang war, sagen wir es einmal so: Unkonventiell und wider jeden gesunden Menschenverstand! Er verstiess gegen alle Regeln, war trotzdem wunderbar, jedoch in keinem Fall nachahmenswert!

Auf der Insel Les Saintes heissen Tauchlehrer übrigens Moniteur (Monitöör). In Mallorca nennt man sie Führer (nein nicht Der), manchmal auch Divemaster, Instruktor oder Guide. Dieser Guide nun spricht sich französisch Giid, amerikanisch Gaid, in Italienisch Guiida aus.

Die Freizeitbeschäftiger

Da nicht jeder Leser des Tauchens kundig ist, hier ein kleiner Seitenhieb auf die Gattung der Tauchlehrer. Zusammen mit Ski-, Tanz- und Surflehrern gehören sie zur Familie der Freizeitbeschäftiger. Sonnengebräunt, mit blondierten Haarsträhnen, einem Hunderternagel an der Brustwarze, bringen sie edelbleichen Jungmädchen das lebensgefährliche Hobby bei. Sollten seine abendlichen Verführungsversuche keinen Erfolg zeigen, kann er der Trotzliese beim nächsten Tauchgang ein wenig die Luft abstellen oder ihr die Tarierweste aufblasen. Das führt immediat zu lustigen Situationen die nur mittels Mund-zu-Mund-Beatmung wieder ins Lot gerückt werden können.

Diese Spezies findet man mit grösster Wahrscheinlichkeit in einem Etablissement mit der Aufschrift „Tauchbasis.“ Dieser Name aber weckt ja gewisse Vorstellungen. Ein Hauch Pfadfinder, vielleicht sogar eine Prise Militär. Auf einer Basis gibt es Instruktoren, Lehrer und Führer. Jawohl! Nun, das mag in wenigen Einzelfällen sicher stimmen. Ich habe jedoch in der Karibik und in Afrika Basen gesehen, die verdienten nicht einmal den Namen „wackelnde Jammerbuden“.

Auf französisch sprechenden Inseln nennt man diese Rosthaufen dann sinnigerweise Club de Plongée. Tönt eh viel familiärer als „Basis“. Ausnahmsweise sind es die Amerikaner, die hier am ehrlichsten sind. Da nennt man das Ding sinngemäss Dive-Shop. Und obwohl das Wort „Shop“ verschiedene Bedeutungen haben kann: hier meint man mit Shop eindeutig den Laden. Denn bevor man ins Wasser kann, wird man zuerst durch einen Supermarkt für Tauchartikel geführt. Hier kann man sich mit den neusten Gadgets, Artikeln, die man auch nicht braucht, eindecken. Letzte Saison war neongelb die Modefarbe, dieses Jahr lindengrün. Oh Gott, wie fühle ich mich alt mit meinem grauen Taucheranzug! Auch Brille und Schnorchel sind nicht assortiert, meine Flossen von Muränen und Haien zerbissen.

Wenn man den Versuchungen erfolgreich widerstanden hat, kommt der nächste Schritt. Minutiös werden Tauchbrevets, medizinische Atteste und Logbücher überprüft. Anschliessend geht’s zur Kasse. 2 Tauchgänge, Picknick, Miete einer Unterwasserlampe, ritsch-ratsch und 150 Dollar sind abgebucht.

 
Menschen sind auch nur Haie

Nach dem Geschäftlichen wird’s dann ernst. Das amerikanische Anwaltsunwesen muss ich niemandem erklären. Tatsächlich lauern hinter gebleichten Korallenstöcken, manchmal getarnt als Gitarrenhaie, amerikanische Anwälte auf ihre Opfer. Sie warten nur darauf, dass einem etwas Böses widerfährt.

Ob ein übergewichtiger Texaner frontal in ein nicht gekennzeichnetes Wrack hinein schwimmt oder ein frömmelnder Jüngling aus New York von einem Nemo unsittlich gestupst wird: Dr. Dive übernimmt den Fall, verklagt den Diveshop auf locker 10 Millionen.
Deshalb müssen sich Tauchunternehmer entsprechend absichern. Bevor jemand ins Wasser springt, müssen deshalb seitenlange Formulare ausgefüllt werden. Per Unterschrift verzichtet der Taucher auf jedes Recht, den Inhaber, Betreiber, Lizenzinhaber, Tauchdirektor, Leasing- und Franchisenehmer des Diveshops für oder gegen irgendetwas haftbar zu machen.
Auch wenn Kunden von einem Tauchbegleiter heimtückisch hinterrücks erschlagen werden. Aufgrund der Unterschrift wird sich der Kunde nämlich dafür verantworten müssen, den Tauchbegleiter nicht daran gehindert zu haben, ihn – den Kunden - zu erschlagen.
Solche Taten werden nach texanischem Recht mit dem Tod durch Ertrinken bestraft.