Freitag, Januar 31, 2020

Auf Spurensuche im Pazifik 1


Vor 230 Jahren kam es auf der HMVA Bounty zu einer verhängnisvollen Meuterei. Diese Reportage berichtet von unserer Reise zu den Nachfahren der Meuterer, die heute noch auf der Insel Pitcairn im Pazifik leben. Die Reise fand im Frühjahr 2019 statt.

Die Nachfahren der Meuterer
der HMAV Bounty

Sissach │Auf Spurensuche im Pazifik
Teil 1: Tahiti, Französisch-Polynesien

Der Himmel schien zu brennen, wütendes Feuer erhellte die Nacht; die Bounty stand in Flammen. Neun Meuterer hatten beschlossen, ihr bisheriges Leben für immer hinter sich zu lassen. Sie hatten abgeschlossen mit dem British Empire, abgeschlossen mit der Welt.
Die Insel Pitcairn würde ihr zukünftiges Zuhause sein, hier würden sie den Rest ihres Lebens verbringen. Die Bounty aber musste verbrannt werden. Vorbeifahrende Schiffe hätten sie entdeckt. Es wäre der sichere Tod der Meuterer gewesen. Denn sie wussten, dass man sie in England zum Tod verurteilt hatte. Mit ihnen waren zwölf Frauen und sechs Männer aus Polynesien auf der Insel gelandet. Einige waren nicht freiwillig hier, man hatte sie entführt.  
In diesem Moment aber standen sie gemeinsam am Strand und beobachteten, wie die Bounty in den Fluten versank. Das alte Leben war vorbei, für immer und ewig. Einige hatten Tränen in den Augen.

Hanspeter Gsell



Wer hat nicht die Bücher über die Irrfahrten der Bounty gelesen?
Ich nicht.
Auch die Filme über die Meuterei habe ich nicht gesehen. Der 1933 mit Errol Flynn und John Warwick gedrehte Film «In the Wake oft he Bounty» lief nur wenige Wochen in australischen Kinos. Die amerikanische Filmgesellschaft MGM kaufte ihn nämlich kurzerhand auf, um ihn sogleich vom Markt zu nehmen. Mit dieser Aktion wollte man die eigene Produktion «Mutinity on the Bounty» mit Clark Gable und Charles Laughton schützen. Dieser Film kam 1935 in die Kinos. Da ich zu dieser Zeit noch nicht geboren war, bekam ich ihn auch nicht zu sehen.
1962 kam eine Produktion mit Marlon Brando und Trevor Howard in unsere Kinos. Der Einfachheit halber nannte man den Film ebenfalls «Mutinity on the Bounty» – Meuterei auf der Bounty. Zu jenen mittelalterlichen Zeiten, ich war gerade mal elf Jahre alt, durfte man solche Filme erst ab 16 sehen. Schon wieder Pech gehabt!
Erst im Jahre 1984 setzten dann Mel Gibson als Fletcher Christian und Anthony Hopkins als Captain Bligh wieder die Segel. Die Bounty war zurück. Und ich hatte kapiert, dass Christian nicht nur ein Vorname, sondern auch ein Familienname sein kann.

Freitag, Januar 17, 2020

Yap 24 Blau

Text aus dem Buch "das keinen Namen trägt" ....


«Heute blau und morgen blau, und übermorgen wieder!», lautet der Refrain eines alten deutschen Trinkliedes. Das «Blau» jedoch bekommt in Polynesien eine völlig andere Bedeutung. Wissen Sie, wie viele Blautöne es gibt?

Harald Schendera hat auf seinem Blog «Mitternachtsblau» deren 272 aufgelistet. Während ich an diesem Text werkle, fällt mein Blick auf die Lagune von Moorea und ich bin sicher, dass es noch wesentlich mehr Blautöne gibt.

Wenn ich mich durch Reiseführer und Reiseblogs wühle, dann frage ich mich manchmal, ob die Verfasser wirklich hier waren, oder ihre frisch-fröhlichen Texte nicht irgendwo abgekupfert haben. Ist es nicht ein plagiarius, ein Dieb geistigen Eigentums, ein Plagöri eben, oder ein Seelenverkäufer und Menschenräuber, wie man das lateinische Wort auch übersetzen kann, der sich solche Sätze zu eigen macht? Ist ein Plagiat immer noch ein Plagiat, wenn es zum dritten Mal verwendet wird, dazu noch verfälscht und abgeändert wurde?

Doch solche Gedankenspiele kümmern mich im Moment wenig. Ich sitze am Strand, blicke auf die Lagune und höre das ferne Donnern, der sich am Saumriff brechenden Wellen. Der Gott der Farben hat tüchtig in seinen Kübeln gerührt und das Ganze mit blauer Farbe übergossen. Dann hat er sich ausgeruht, die Wolken vertrieben und die Insel mit Sonnenstrahlen überzogen. Eine Art Schöpfungsgeschichte, täglich neu inszeniert. Dem insularen Wettergott ist es völlig egal, dass Regenzeit angesagt ist. Das Klima könnte nicht besser sein, mit dem Regen experimentiert er vorwiegend nachts.

Nur mit dem Donnermacher hatte sich der Wettergott vor einigen Tagen angelegt. Dieser fühlte sich wohl übergangen und veranstaltete zwischen den Spitzen des Mont Tohivea und des Mont Tautuapae ein gewaltiges Donnerwetter. Hinter unserem Bungalow schien der Himmel zu explodieren, die Palmen verneigten sich angstvoll, die Brotfruchtbäume wankten bedrohlich. Es regnete nicht, es schüttete aus vollen Kübeln; während zehn Minuten.

Denn bereits am frühen Morgen des nächsten Tages hatten sich Wettergott und Donnermacher auf einen Kompromiss geeinigt: Man verzog sich zusammen in die Berge und legte sich schlafen.

 

Montag, Januar 13, 2020

Yap 23 Ein Buch entsteht

Einige Leser werden sich vielleicht fragen, was man denn in Yap den ganzen Tag so macht: Man schreibt.
Zu Zeit entsteht mein neustes Buch. Es wird wiederum Geschichten aus dem Pazifik enthalten.


Den Titel wollen Sie wissen? Frei nach DJ Oetzi .......

"Das Buch, dass keinen Namen trägt."
 

 


Hier ein kleiner Auszug:
 

Der Himmel schien zu brennen, wütendes Feuer erhellte die Nacht; die Bounty stand in Flammen. Neun Meuterer hatten beschlossen, ihr bisheriges Leben für immer hinter sich zu lassen. Sie hatten abgeschlossen mit dem British Empire, abgeschlossen mit der Welt.

Die Insel Pitcairn würde ihr zukünftiges Zuhause sein, hier würden sie den Rest ihres Lebens verbringen. Die Bounty aber musste verbrannt werden. Vorbeifahrende Schiffe hätten sie entdeckt. Es wäre der sichere Tod der Meuterer gewesen. Denn sie wussten, dass man sie in England zum Tod verurteilt hatte. Mit ihnen waren zwölf Frauen und sechs Männer aus Polynesien auf der Insel gelandet. Einige waren nicht freiwillig hier, man hatte sie entführt.  

In diesem Moment aber standen sie gemeinsam am Strand und beobachteten, wie die Bounty in den Fluten versank. Das alte Leben war vorbei, für immer und ewig. Einige hatten Tränen in den Augen.

Samstag, Januar 11, 2020

Yap 22 Zeit ist ...


 

Dieser Text erschien unter der Überschrift «Mein Leben» in der VOLKSSTIMME. Die Kolumne war einem Teil dieses Lebens gewidmet: der Zeit.

Wenn die Zeit kommt
 
Es regnet. Der Niederschlag eines ganzen Monates prasselt auf uns herab. Von wegen Schleusen, die sich geöffnet haben sollen! Ich kann ihnen versichern, dass es hier keinerlei Schleusen gibt! Es sind tosende Wassermassen, die sich über uns ergiessen. Laut den aktuellen Daten des Flughafens von Yap, waren es in weniger als zwölf Stunden eintausend Millimeter.

Noch regnet es weiter. Und es ist an der Zeit, die erste Kolumne des neuen Jahres zu schreiben. Die guten Wünsche haben sich erfüllt, die andern haben sich beizeiten wieder verflüchtigt. Oder, wie es die grossartige, österreichische Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach einmal formuliert hat:

«Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.»

Dem ist nichts dazuzufügen. Ausser vielleicht die Tatsache, dass Zeit, so wie wir sie kennen, in manchen Ländern noch nicht entdeckt wurde.

Einmal mehr sind wir der Kälte entflohen und verbringen einen Teil des Winters in Yap, in Mikronesien. Und ich habe Zeit, über die Zeit nachzudenken.

Ob ich sie hier, in der Mitte des unendlichen Pazifiks, finden werde? Kaum. Zeit ist, wenn ein Boot ankommt, Zeit ist auch, wenn eine Kokosnuss von der Palme fällt. Zeit ist, wenn der Flieger Verwandte, Freunde und Besucher auf die Insel bringt.

Zeit ist auch, wenn die Flut die Ebbe besiegt. «Gezeiten» nennt man diese Schlacht der Urgewalten. Es sind die Wasserbewegungen der Ozeane, die infolge der Gravitation des Mondes und der Sonne durch die zugehörigen Gezeitenkräfte verursacht werden. Da der stärkere Einfluss vom Mond ausgeht, gibt es nicht in 24, sondern in knapp 25 Stunden zweimal Hochwasser und zweimal Niedrigwasser. Die Gezeiten ändern sich somit täglich, sie eignen sich nicht zur Zeitmessung. Deshalb rechnet man hier in Mikronesien eher in Vollmonden und Halbmonden als in Monaten.

Eine ganze Branche jedoch hat mit andauernden Zeitenänderungen zu kämpfen: Die Fliegerei. Ich habe deren Problematik am eigenen Leib erfahren und zu einem kleinen Rätsel verpackt:

Ein Pilot in roten Socken fliegt von X Richtung Westen. Er erreicht sein Ziel übermorgen. Ein anderer Pilot, er trägt grüne Socken, fliegt zur gleichen Zeit von X Richtung Osten und landet vorgestern. Die Frage lautet: Welcher der beiden Piloten hat an Weihnachten Broccoli gegessen?

Ich stelle mir vor, dass auch im oberen Baselbiet ein derartiges Chaos aus Tagen und Stunden herrscht.

Das Stöppli, die Sissacher Traditionsbeiz, bleibt bekanntlich am Sonntag geschlossen. Nehmen wir mal an, ein paar Meter weiter, inmitten der Sonnenkreuzung, liege eine ominöse Datumsgrenze. Dort wäre deshalb erst Samstag, das Stöppli hätte somit geöffnet. Und ich könnte noch schnell meinen Lottoschein vom Sonntag abgeben!

Vielleicht aber bewahrheitet sich die Lebensweisheit von Frau Ebner doch noch:

«Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.»

Donnerstag, Januar 09, 2020

Yap 21 Verschollen im Pazifik

(dag) Ein Flugzeug der Gesellschaft PMA, auf einem Routineflug zwischen den Insel Woolipik und Wooligang, ist gestern nicht an seinem Bestimmungsort angekommen und wird seither vermisst. Die Verantwortlichen der Küstenwache befürchten das Schlimmste.

Verschollen im Pazifik (6)
Die Rettung

Gegen Mittag des nächsten Tages wurden sie von einem Schiff der amerikanischen Navy aufgefischt. 36 Stunden auf offener See, über ihnen ein beinahe wolkenloser Himmel, unter ihnen der Yap-Trench, ein Ausläufer des Marianengrabens. Wobei es einem Schiffsbrüchigen vermutlich völlig egal ist, ob der Meeresboden nun neun oder neuntausend Meter unter ihm liegt.

Das Schiff der amerikanischen Navy war unterwegs von seiner Basis in Subic Bay (Philippinen) nach Saipan (Commonwealth of the Northern Mariana Islands). Dessen Kapitän soll zwar etwas unwirsch reagiert haben, als er den Befehl erhielt, unterwegs irgendwelche Boatpeople aufzulesen. Sein entsprechender Eintrag im Logbuch begann mit den Worten: «Das Boot ist voll …»

Aber, Befehl war Befehl. Er liess den Kreuzer umdrehen, befahl einen neuen Kurs und «volle Kraft voraus»! Und so kam es, dass am dritten Tag ihrer Kreuzfahrt ein Priester, ein Missionar, ein Regierungsbeamter, ein Soldat, ein Pilot und William das Schiff betraten. Als man William den Quieker abnehmen wollte, «Schweine haben bei der Navy nichts zu suchen!», wehrte er sich mordsmässig.

Nach Rücksprache mit dem Kommandanten des Schiffes einigte man sich darauf, dass das Schwein zwar bei William bleiben durfte, jedoch keinen Eintrag ins Passagierregister finden sollte. Wie hätte das auch ausgesehen!

Man brachte den zusammengewürfelten Haufen auf die Insel Yap, wo man die Vermissten mit grossen Augen, offenen Mündern und ebensolchen Armen empfing. Der katholische Priester dankte Gott und Maria, der evangelische Missionar Gott und Jesus. Der Beamte legte die Ärmelschoner an und machte sich auf zur Berichterstattung beim Gouverneur. Der amerikanische Soldat stand stramm, die von ihm entworfene Strassenkarte hatte er im Flugzeug zurücklassen müssen.

William aber genehmigte sich erstmal ein kühles Bier und machte sich anschliessend mit seinem fröhlich quiekenden Schwein, er nannte es Coastguard, Küstenwache, auf nach Hause. Dort bekam es einen Ehrenplatz hinter dem grossen Mahagoni-Baum. William hatte dem Schweinchen, sollte der Herrgott eine sichere Rettung organisiert haben, ein Leben in Saus und Braus versprochen. Coastguard wurde uralt und starb im hohen Schweine-Alter von 20 Jahren an einer Fettleber.

William schloss seine Ausbildung zum stattlichen Wellen-Macher mit Erfolg ab, wurde später privater Meteorologe des Gouverneurs, und lebt seit seiner Pensionierung wieder auf der Insel Woolipik.

Dienstag, Januar 07, 2020

Yap 20 Verschollen im Pazifik

(dag) Ein Flugzeug der Gesellschaft PMA, auf einem Routineflug zwischen den Insel Woolipik und Wooligang, ist gestern nicht an seinem Bestimmungsort angekommen und wird seither vermisst. Die Verantwortlichen der Küstenwache befürchten das Schlimmste.

Verschollen im Pazifik (5)
Die Landung
 
William, der angehende Wellen-Magier, lächelte anerkennend, sprach seltsame Sätze und griff sich an das Tattoo am rechten Oberschenkel und halbierte eine Betelnuss. Er erinnerte sich ein seine erste Lektion als Wellen-Magier und sah der Landung gelassen entgegen.

Wie William, der Wellen-Magier aus Woolipik, geahnt hatte, funktionierte die Landung perfekt. Der Pilot warf die Liferafts, eigentlich waren es eher knallgelbe Gummiboote, ins Meer. Die Passagiere, in vorderster Front ein Missionar und ein Priester, stiegen einigermassen geordnet aus bzw. ein. Ein erstes Suchflugzeug wurde gesichtet, es flog zu hoch, verschwand wieder, ohne die Flugzeugbrüchigen entdeckt zu haben. Die Sonne senkte sich, die Nacht brach herein.

Die Rettungsboote verfügten nicht nur über Wasser und Kekse, sondern auch über eine Notbeleuchtung. Die dazu benötigen Batterien erwiesen sich jedoch als nutzlos, sie müssen bereits vor Jahren ihren elektrischen Geist aufgegeben haben. Handys mit eingebauten Taschenlampen gab es 1981 noch keine. Eigentlich gab es noch überhaupt keine Handys. Was in diesem Fall jedoch völlig egal war, da weit und breit auch keine Sendemasten zu sehen waren.

William hatte die Wellen vorsorglich mit magischen Sätzen beruhigt: Es war beinahe windstill, die Wellen liessen das Boot nur leicht in der Dünung hin- und her schaukeln. Das monotone Plätschern wirkte einschläfernd. Der Pfarrer betete, der Missionar sang, der Beamte ruhte sich aus, das Schwein grunzte, der Soldat versuchte, sich an seinen Tagesbefehl zu erinnern, das Flugzeug gurgelte und soff ab.

William sagte gar nichts, ass seine Portion Überlebenskekse und nahm einen Schluck Wasser. Beim Wasser handelte es sich um eine Spezialabfüllung für Dehydrierte, der leicht salzige Geschmack stiess William auf. Das Wasser, so William, soll grauenhaft gewesen sein. Typisch: Da rettet man Bootsflüchtlinge und schon werden Ansprüche gestellt! Sicher würden sie auch noch Asylanträge stellen!

Die Sonne meldete sich mit einem neuen Tag zurück, es war heiss. Gegen Mittag wurden die Überlebenden von einem Flugzeug der Coast Guard, der amerikanischen Küstenwache, gesichtet. Die Männer warfen eine grosse, aufblasbare Rettungsinsel ab. An Bord fand man Wasser, Kekse, ein Funkgerät und Batterien. Mit dem Funkgerät nahm Samuel, der Bruchpilot, Kontakt zum Flieger auf.

Er wurde orientiert, dass ein Schiff unterwegs sei, um sie aus dem Meer zu pflücken. Bis zum Sonnenuntergang kreiste die Maschine der Coast Guard über den Unglücklichen und vermittelte den Seebrüchigen ein seltsames Gefühl der Sicherheit. Denn noch würde es dauern, bis sie definitiv gerettet würden. 

Eine weitere einsame Nacht stand ihnen bevor. Immerhin jetzt mit Beleuchtung. William meinte später, sie hätten wie ein schaukelnder Weihnachtsbaum ausgesehen. Doch die Nacht wurde lang, der Durst gross. In regelmässigem Abstand sandte die Coast Guard beruhigende Worte, ein christlicher Sender in Guam liess seine Zuhörer schon mal beten.

Gegen Mittag des nächsten Tages wurden sie von einem Schiff der amerikanischen Navy aufgefischt.

36 Stunden auf offener See, über ihnen ein beinahe wolkenloser Himmel, unter ihnen der Yap-Trench, ein Ausläufer des Marianengrabens. Wobei es einem Schiffsbrüchigen in diesem Moment vermutlich völlig egal war, ob der Meeresboden nun neun oder neuntausend Meter unter ihm liegt.

Montag, Januar 06, 2020

Yap 19 Verschollen im Pazifik

(dag) Ein Flugzeug der Gesellschaft PMA, auf einem Routineflug zwischen den Insel Woolipik und Wooligang, ist gestern nicht an seinem Bestimmungsort angekommen und wird seither vermisst. Die Verantwortlichen der Küstenwache befürchten das Schlimmste

Verschollen im Pazifik (4)
Der Flug

«Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein», hatte ein gewisser Reinhard May gesungen. Samuel, der Pilot der Britten-Norman BN-2 Islander, konnte sich mit diesem Text heute nicht anfreunden. «Dieser Heini,» sinnierte er, «hatte wohl keine Ahnung von Tuten und Blasen. Und vom Fliegen schon gar nicht. «Freiheit - ha!», murmelte er und suchte weiter.

Es mag wohl genau jetzt gewesen sein, als dem Piloten ein Licht auf-, das Benzin jedoch ausging. Es würde weder für den Rückflug nach Woolipik noch zum Weiterflug nach Yap reichen.

William, der Wellen-Magier, sass neben dem Captain und hatte sich die Kopfhörer des Copiloten aufgesetzt, bemerkte wie Samuel an den Knöpfen drehte. Er hörte ihm zu, wie er, leicht nervös, mit der Küstenwache Kontakt aufnahm und dieser die Situation schilderte. Nach einer Weile hörte man die krächzende Stimme eines Offiziers der Coast Guard, der Küstenwache, in Guam.

«Hold on!», meinte dieser. «Bleiben Sie dran!»

In der Zwischenzeit orientierte der Pilot die Passagiere über die missliche Situation.

«Hier spricht ihr Kapitän. Auf unserm Flug von Woolipik nach Wooligang mit Anschluss nach Yap, werden wir nun eine Zwischenlandung vornehmen. Wie sie bemerkt haben, wird diese Landung nicht auf einer Insel, sondern mitten im Pazifik stattfinden. Bitte schnallen sie sich an und stellen sie das Rauchen ein. Ziehen sie sich schon mal eine Schwimmweste über. Blasen sie diese jedoch in keinem Fall bereits im Flugzeug auf, sie würden nicht mehr durch die Notausgänge passen. Ich wünsche ihnen weiterhin einen guten Flug. Danke, dass sie mit PMA geflogen sind.»

Der Offizier der Küstenwache von Guam war nicht untätig geblieben, hatte in seinen Unterlagen gekramt, und instruierte den Piloten nun über das Verfahren einer Wasserlandung. Früher übte man solche Wasserungen nicht. Man erachtete die Erfolgschancen solcher unvorhersehbaren Landungen als «nicht existent». Die Flugsimulatoren für eine Britten-Norman BN-2 Islander hätten solche Manöver auch aus technischen Gründen gar nicht erlaubt.

«Beobachten sie die Richtung und die Höhe der Wellen. Setzen sie den hinteren Teil der Maschine zuerst auf, anschliessend das Vorderteil. Fahren sie das Fahrwerk nicht aus! Bei ruhiger See wird gegen den Wind gelandet. Bei größerem Wellengang wird parallel zu den Wellen gelandet, möglichst auf einem Wellenkamm.»

William, der angehende Wellen-Magier, lächelte anerkennend, sprach seltsame Sätze und griff sich an das Tattoo am rechten Oberschenkel, halbierte eine Betelnuss. Er erinnerte sich an seine erste Lektion als Wellen-Magier und sah der Landung gelassen entgegen.

 

Sonntag, Januar 05, 2020

Yap 18 Verschollen im Pazifik


(dag) Ein Flugzeug der Gesellschaft PMA, auf einem Routineflug zwischen den Insel Woolipik und Wooligang, ist gestern nicht an seinem Bestimmungsort angekommen und wird seither vermisst. Die Verantwortlichen der Küstenwache befürchten das Schlimmste.

Verschollen im Pazifik (3)
Der Start
 
William, ganze siebzehn Jahre alt und angehender Wellen-Magier, hatte noch nie zuvor ein Flugzeug bestiegen. Er war unterwegs nach Yap, wo er sich bei seinem dort ansässigen Onkel zwecks Weiterbildung melden sollte. In seinem Handgepäck führt er ein kleines Schwein mit; es war als Geschenk für seine Verwandten gedacht.

Endlich war ein Brummen zu hören und wenig später landete die Maschine, eine zweimotorige Britten-Norman BN-2 Islander, auf der Piste von Woolipik. Das Flugzeug unbekannten Baujahres schien zwar flugtüchtig zu sein. Die Navigationsinstrumente waren jedoch änicht wirklich auf dem neusten Stand. Der Pilot hantierte mit einem alten Kompass, war guten Mutes und sang einen Choral, der ihn an seine Kindheit erinnerte. Der Pilot hiess sinnigerweise Samuel und stammte aus Konstanz am Bodensee.

Nachdem die Fracht eingeladen worden war, stiegen auch die fünf Passagiere und ein Schwein ein. William hatte es in eine selbst geflochtene Basttasche gesteckt, der kleine Quieker fühlte sich sprichwörtlich sauwohl.

Samuel prüfte die wenigen Instrumente und hielt den Kompass gen Himmel. Nacheinander drückte, zog und riss er an einigen Hebeln und Knöpfen. Rauchend und hustend erwachten die Motoren zu neuem Leben. Nach einer Weile stimmte auch noch der letzte Zylinder in den himmlischen Chor ein, es konnte losgehen. Das Flugzeug stolperte über die ungemähte Wiese zur Piste, der Pilot betete. Keine Ahnung, zu welchen Göttern eigentlich Piloten beten, aufgrund der allgemeinen Wetterlage könnte es Donar, der alte Germane und Herr über das Donnerwetter, gewesen sein.

Der Start hätte nicht besser sein können, nach wenigen Minuten hatte das Flugzeug bereits seine Reiseflughöhe von 2'500 Meter erreicht, das Schweinchen quiekte fröhlich, William flüsterte ihm etwas in sein Ohr. Das Wetter schien es gut mit den Passagieren zu meinen. Vorerst. Denn als William nach einigen Minuten auf das Meer blicken wollte, war es verschwunden. Eine ziemlich dicke Wolkenschicht verhinderte jede Sicht. «Wie soll denn Samuel das gelobte Land Wooligang finden?», dachte sich William.

Tatsächlich war das Eiland nicht zu finden. Samuel ahnte zwar, dass es genau unter ihnen liegen müsste, versuchte einen Anflug, startete jedoch wieder durch. Man kreiste über den Wolken und Samuel erinnerte sich an ein Lied aus seiner Jugendzeit.

«Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein», hatte ein gewisser Reinhard May gesungen. Samuel konnte sich mit diesem Text heute überhaupt nicht einverstanden erklären. «Dieser Heini,» sinnierte er, «hatte wohl keine Ahnung von Tuten und Blasen. Und vom Fliegen schon gar nicht. «Freiheit - ha!», murmelte er und suchte weiter.

Freitag, Januar 03, 2020

Yap 17 Verschollen im Pazifik


(dag) Ein Flugzeug der Gesellschaft PMA, auf einem Routineflug zwischen den Insel Woolipik und Wooligang, ist gestern nicht an seinem Bestimmungsort angekommen und wird seither vermisst. Die Verantwortlichen der Küstenwache befürchten das Schlimmste.


Verschollen im Pazifik
Die Passagiere

An einem sonnigen Morgen des Jahres 1981 wartete an der Flugpiste der Insel Woolipik (Yap-State) eine illustre Schar Menschen auf das Flugzeug der PMA. Man wollte nach Wooligang fliegen und von dort weiter nach Colonia, in die Hauptstadt von Yap.

Mit dabei war ein Regierungsvertreter. Urumal jun. war Mitarbeiter des statistischen Amtes und hatte auf der Insel die Kokospalmen gezählt, sie durch die Anzahl Einwohner dividiert und alles sorgfältig in ein Heft eingetragen. Er sollte damit beim Gouverneur von Yap antraben.

Ein amerikanischer Soldat stand etwas abseits der Gruppe. Er war Mitglied der «Seabees», der Bautruppe der US Navy, hatte die Insel sorgfältig vermessen und eine mehrfarbige Karte erstellt. Sie sollte die Grundlage sein für den Bau einer mehrspurigen Autobahn um die Insel. Er hatte zwar seinem General bereits vor der Abreise gemeldet, dass es auf dem Eiland gar keine Autos gäbe. Der General war wütend geworden, hatte dem Soldaten Insubordination unterstellt, einem von Vorgesetzten immer wieder gern benutzten Tatbestand, und ihn zwar nicht in die Wüste aber ins Meer geschickt.

Einer fiel besonders auf. Nicht nur wegen seiner Grösse, er mass beinahe zwei Meter. Sondern wegen seines vorlauten Mauls. Jedem der es auch nicht hören wollte, erzählte er («Halleluja») von seiner grossartigen Arbeit, lobte den Herrn, jedoch vorwiegend sich selbst («Halleluja»). Als Missionar hatte er die Seelen der Insulaner ausgelotet, einige ungetauften Exemplare entdeckt und war eben dabei, das Budget für die nächste Taufreise zusammenzustellen.

Der katholische Priester, er war auf einer Urlaubsreise, warf dem evangelischen Missionar heimlich böse Blick zu und suchte nach Möglichkeiten, dessen Arbeit zu sabotieren. Da zu viele Zeugen vor Ort waren, beschloss er zu schweigen, ging in sich und griff zum Rosenkranz.

William, ganze siebzehn Jahre alt und angehender Wellen-Magier, hatte noch nie zuvor ein Flugzeug bestiegen. Er war unterwegs nach Yap, wo er sich bei seinem dort ansässigen Onkel zwecks Weiterbildung melden sollte. In seinem Handgepäck führt er ein kleines Schwein mit; es war als Geschenk für seine Verwandten gedacht.

Mittwoch, Januar 01, 2020

Yap 16 Verschollen im Pazifik

(dag) Ein Flugzeug der Gesellschaft PMA, auf einem Routineflug zwischen den Insel Woolipik und Wooligang, ist gestern nicht an seinem Bestimmungsort angekommen und wird seither vermisst. Die Verantwortlichen der Küstenwache befürchten das Schlimmste.

 


Verschollen im Pazifik (1)
Fliegen mit Jesus

Die Fluggesellschaft PMA wurde 1974 von Edmund Kalau gegründet. Kalau, geboren 1928 in Ostpreussen, trat im Alter von zehn Jahren der Hitlerjugend bei, besuchte in der Folge stramm nationalsozialistische Schulen und trat später in die Luftwaffe ein.

Je nach Lebenslauf wurde er über Russland abgeschossen und dort von einem russischen Arzt heim ins himmlische Reich missioniert. Oder aber er floh aus der Gefangenschaft, erreichte zu Fuss, und mit Hilfe eines Davoser Schlittens, die USA. Dort wurde er von einem amerikanischen Offizier zum rechten Glauben bekehrt.

Auf seiner Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär landete Edi bei den Liebenzeller Missionaren, wurde staatlich geprüfter Seelenmasseur und wanderte 1956, zusammen mit seiner Frau, nach Mikronesien, nach Guam, aus. Bereits nach zwanzig Jahren bemerkte er, dass es noch weit kleinere Inseln als Guam gab, die ohne medizinische Versorgung und seelische Betreuung ihr Leben fristen mussten.

Er beantrage bei seinem Arbeitgeber, der Liebenzeller Mission, den Kauf eines Flugzeuges. Als ehemaliger Pilot wäre es für ihn kein Problem die Inseln anzufliegen. Viele von ihnen verfügten über alte Flugpisten, die von den Japanern während des Zweiten Weltkrieges gebaut wurden.

Doch seine Vorgesetzten bei den Liebenzellern («Mit Gott - von Mensch zu Mensch») hatten, trotz ihres vollmundigen Slogans, kein Gehör und legten den Antrag auf den linken Stapel, um diesen alsbald zu schreddern.

Kalau, durchaus nicht nur ein Mann des Wortes, kündigte umgehend und gründete eine eigene Missionsgesellschaft. Er nannte sie Pacific Mission Aviation und versah sie mit dem Slogan Serving Jesus Christ in the Islands of Micronesia. Nach einer Betteltour («Fund raising») durch die USA und Deutschland kaufte er sich ein ausgemustertes Fluggerät, eine Evangel 4500. Der Name wurde Programm und so evangelisierte er sich in den folgenden Jahren durch den Pazifik. Auch in Yap-State und dessen weit verstreuten Inseln der westlichen Karolinen wurde man aktiv.

An einem sonnigen Morgen des Jahres 1981 wartete an der Flugpiste der Insel Woolipik (Yap-State) eine illustre Schar Menschen auf das Flugzeug der PMA. Man wollte nach Wooligang fliegen und von dort weiter nach Colonia, in die Hauptstadt von Yap.