Montag, April 27, 2015

Auf der Suche nach Gauguin - Ia Orana



IV Ia Orana

„Ia Orana“ sagte sie, als sie mir den tropischen Drink servierte - „Ich wünsche ihnen einen schönen Tag“. Die kleine Eidechse floh und verschwand blitzschnell in einer Spalte der Steinmauer. Vor mir nicht viel mehr als Meer, aber was für eines! Das unendliche Blau des Pazifiks, gespickt mit kleinen weissen Schaumkronen, verschmilzt am Horizont mit dem Himmel. Ich sitze im Schatten einer Palme, links im Hintergrund sind die Umrisse der Insel Moorea zu sehen. Rechts breitet sich der tiefschwarze Sandstrand aus, er endet in einer kleinen Bucht, geht über in das Grün der tropischen Vegetation, wird eingezäunt von den Luftwurzeln der Mangroven.

Wellen rollen heimtückisch und langgezogen gegen die Küste um dort ihre lange Reise zu beenden. Manche rollen sanft an den Strand, andere brechen sich unter Kanonendonner, wieder andere hauchen fauchend und grimmig grollend ihr Leben aus. Woher sie wohl kommen? Sie verraten ihre Geheimnisse nur selten.
Bildergebnis für GummienteNur wenn sich im Treibgut der Teil eines Kanus aus Kamtschatka finden lässt, eine Planke mit japanischen Schriftzeichen anlandet, wenn sich eine kleine rosa Gummiente mit dem Aufdruck „Made in Italy“ im Tang verfängt, nur dann lässt sich erahnen welche lange Reise hinter den Wellen liegen.
 Der amerikanische Politologe und Autor Eugene Burdick („The ninth Wave“, „The ugly American“) hat 1961 sein Buch „The Blue of Capricorn“ veröffentlich (Verlag Houghton Mifflin Co.). Ich habe dieses Buch vor einigen Jahren in einer kleinen Bar auf der Insel Yap in Mikronesien gefunden. Vielleicht aber hat das Buch auch mich gefunden. Denn noch nie zuvor hatte ich solch wunderbaren Beschreibungen des Pazifiks gelesen. Es sind meine ureigenen Eindrücke die ich hier wieder finde. Da hat doch tatsächlich ein Theoretiker, zudem einer aus der Zunft der Politiker, eine perfekte Anthologie des grössten Ozeans der Erde geschrieben!

Wenn ich nun morgen zur letzten Etappe meiner Reise zu Gauguin aufbreche werde ich weder Bougainvilles romantisch angehauchten Reisebericht noch die Schiffstagebücher von James Cook dabei haben. Auch die Romane von Jack London und Herman Melville blieben zu Hause im Büchergestell. Neben „Blue of Capricorn“ hat es nur noch Georg Forsters 1777 erschienene Reisebeschreibung „A Voyage Round The World“ ins Schiffsgepäck geschafft.

„Darf ich Ihnen noch einen Cocktail bringen?“ hörte ich die charmante Polynesierin
fragen.
„Ja, sehr gerne“, antwortete ich und schloss den Deckel meines Laptops. „Ia Orana!"

 

Sonntag, April 26, 2015

Auf der Suche nach Gaugin - Tahiti


III Tahiti


Seit drei Tagen und bald 20‘000 Flugkilometern sind wir unterwegs. Auf Grund ökonomischer Zwänge sitzen wir in der Transithalle des Flughafens von Auckland und warten auf den Weiterflug nach Papeete, unserer vorletzten Etappe auf der Reise zu Gauguin. Es ist Montagmorgen und wir werden am Sonntagnachmittag dort landen. Sollten Sie jetzt auf den Gedanken kommen, hier stimme etwas nicht, so haben Sie ausseracht gelassen, dass uns wieder einmal eine Datumsgrenze ins Gehege kommt. Gestern war Montag, heute ist Sonntag, so ist es und so bleibt es – basta!
Und nun sitzen wir also in Tahiti, ruhen uns aus, träumen ein bisschen und genehmigen uns ab und zu einen Drink. Und ich bringe einen ersten Teil der Reiseerfahrungen zu Papier. (Das mit dem Papier tönt einfach besser als „in den Laptop hacken“.)

„Na klar ist dieses Modell für Sie als Journalist bestens geeignet. Er ist stabil, verträgt Hitze und Kälte, der Akku versorgt Sie 8 Stunden lang mit Strom, Bildschirm und Tastatur sind wasserfest, der Bildschirm lässt sich auch bei hellstem Sonnenschein gut ablesen.“ So erklärte mir ein junger Verkäufer namens Erkan Uercic vor einigen Wochen die Vorzüge meines Computers.
„Mein lieber Erkan!
Ich kann Ihnen heute verbindlich mitteilen, dass dieses Gerät weder besonders stabil ist, mit Sicherheit jedoch einen lausigen Akku besitzt und bei Hitze den Geist aufgibt. Da sich der Bildschirm bei tropischem Tageslicht kaum ablesen lässt, schreibe ich nur noch nachts. Ob dieses Ding wirklich wasserfest ist, möchte ich in keinem Fall ausprobieren.
Mit freundlichen Grüssen.“

Auf der Suche nach Gauguin, bzw. nach seinen Spuren, werden wir auch in Papeete, dem Zentrum der Insel Tahiti fündig. Ein etwas abgehalftertes Museum zeigt Kopien seiner Bilder, bei der Brasserie „Les trois frères“ führt die Rue Paul Gauguin vorbei. Im Bistrot wird Toast Gauguin angeboten, seine Bilder finden sich auf billigen Shirts, auf teuren Designerklamotten, auf Schlüsselanhängern und Bierdeckeln. Natürlich sind wir nicht auf der Suche nach solchem Ramsch, da hätten wir ja gleich in Basel bleiben können. Nein, wir sind unterwegs auf die Marquesas, einer Inselgruppe ca. 1‘300 km nordwestlich von Tahiti. Hier hat der gute Gauguin vor guten100 Jahren zeitweise gelebt und gewirkt. Da ich über keinerlei Kunstverstand verfüge, eine  Tatsache die mich mitnichten irritiert, werde ich mich hüten, dieses „Wirken“ zu kommentieren. Nur dies: Sollte jemand mit einer Gauguin-Kopie im Gepäck über die USA reisen, ist Vorsicht geboten. Die allzu freizügigen Bilder allzu junger Mädchen könnten ihn wegen Verdachts auf Pornographie direkt nach Guantanamo bringen. Und ob sie diese tropische Hölle je wieder verlassen werden, ist ungewiss.
Morgen werden wir an Bord des Frachtschiffs ARANUI 3 gehen. Da kommunikative Hotspots in dieser Weltgegend eher selten anzutreffen sind, herrscht auf diesem Blog höchstwahrscheinlich Funkstille. Bis dann, auf den Marquesas!

 

Freitag, April 24, 2015

Auf der Suche nach Gauguin - Los Angeles


III Los Angeles

„Merke du auf, sobald du des Kranichs Stimme vernommen,
Der alljährlich den Ruf von der Höh' aus den Wolken dir sendet
Bringt er die Mahnung doch zum Säen, verkündet des Winters Schauer...“
Mit diesen Worten verabschiedete ich mich in Los Angeles von der Lufthansa. Und ich hoffte immer noch, dass sich der alte Grieche geirrt hatte. Wir wollen nämlich zu Gauguin. Natürlich hätte ich die grosse Gauguin-Ausstellung in Basel besuchen können. Aber wieso einfach, wenn es auch komplizierter geht. Ganz abgesehen davon, dass ein Bild von Gauguin nur in der Hitze einer tropischen Nacht wirklich zur Geltung kommt. Und solche Nächte gibt es in Basel nicht.
Die Hitze finden wir zwar in Los Angeles, einem weiteren Zwischenhalt auf unserer Reise zu Gauguin. Ich glaube nicht, dass Paul diese Stadt geliebt hätte. (Wie sie bemerken, habe ich zum vertraulichen DU gewechselt – man kommt sich ja mit der Zeit etwas näher.) Zu schrill ist das Leben hier, zu hell das Licht, zu grell die Farben, zu extravertiert die Vergnügungssucht, zu fett die Menschen.

Bildergebnis für Hollywood
Hier war eigentlich ein Essay über Los Angeles geplant. Der Text war bereits geschrieben, ich habe ihn wieder gelöscht. Die Zeit war einfach zu kurz, die Atmosphäre dieser faszinierenden Stadt einfangen zu können. Nicht, dass ich nicht schon über Orte geschrieben hätte, die ich nie besucht habe. Schliesslich hatte ich als Jugendlicher alle Bücher von Karl May gelesen. Aber ich wäre dieser Stadt nicht gerecht geworden.
 
Am nächsten Tag flogen wir nach Auckland. Piloten, Geographen und Vielflieger werden mit jetzt vorwerfen, keine Ahnung von Tuten und Blasen und schon gar nicht von meinem Reiseziel zu haben. Papeete, der letzte Zwischenhalt auf meiner Reise zu Gauguin, liege doch auf halbem Weg zwischen Los Angeles und Auckland. Natürlich, ihr Besserwisser! Aber der Flug via Auckland nach Tahiti (17 Stunden) war wesentlich billiger als ein Direktflug von Los Angeles nach Tahiti. Und da ich als freischaffender Journalist kaum auf Spesenersatz hoffen darf, reise ich nicht nur in der Holzklasse, sondern auch zum jeweils günstigsten Tarif.  Da ich in meinen Texten auch keinerlei lobende Hinweise auf Airlines platziere („nie so komfortabel gereist“), Lügen über Hotels verbreite („nie so gut geschlafen“) und Restaurants belobige („nie so gut gegessen“) fallen auch Sponsorenbeiträge weg. Und deshalb sitze ich an einem wunderschönen Montagmorgen auf dem Flughafen von Auckland und warte auf den Weiterflug nach Papeete. Nachdem wir dabei ein weiteres Mal die Datumsgrenze überschreiten werden wir dort bereits am Sonntagnachmittag ankommen. (Ja, ich weiss: Das mit dem „Ueberschreiten“ ist nicht wörtlich zu nehmen, wir werden sie „Ueberfliegen“.)

P.S. Gott sei Dank kennt sich meine Frau mit den Zeit- und Datumsverschiebungen bestens aus. Ich versuche schon gar nicht, mein Uhr umzustellen.

Auf der Suche nach Gauguin - Frankfurt

II Frankfurt

Mein Weg zu Gauguin führt über Frankfurt und zu den ersten Zweifeln, ob ich doch vielleicht zu pensioniert sei, mich solchen Torturen zu unterziehen. Obwohl ich durch  frühere Erfahrungen mit unhöflichen, rechthaberischen und überheblichen Lufthansa-Mitarbeitern der Gattung „Grus lufthanseatis“ hätte gewarnt sein sollen: Es kam alles noch viel schlimmer. Der Bestand der „Grus“ – der Kraniche – hatte zwar massiv abgenommen. Leider aber waren sie nicht mit netten Menschen aus Fleisch und Blut, sondern durch Check-in-Automaten aus Blech und Plastik ersetzt worden. Im Wissen, dass es noch keine Automaten gibt, die mit meiner genetisch bedingten Abneigung gegen elektronisches Gerät fertig werden, wandte ich mich an ein zufällig vorbeikommendes Wesen.

„Nein!“ antwortete Es auf meine Frage, ob ich denn nicht angesichts meines musealen Alters bei einem richtigen Menschen für den Flug zu Gauguin einchecken könne.

„Aber einer unserer netten Assistenten wird ihnen gerne behilflich sein.“

Zaghaft näherte ich mich dem elektronischen Säulenwald und begann zu lesen.

„Legen Sie ihr Ticket mit dem FGiK6dç nach oben nach unten.“

Es war wohl Zeit, die Hilfe des netten Assistenten in Anspruch zu nehmen.
Ich wollte ihn eben fragen, was denn die tiefere Bedeutung von FGiK6dç sei und ob mit unten vielleicht oben oder umgekehrt gemeint sei.

„Iss neu, manchmal kaputt, mache so. Oder so. Oder so.“

Ratzfatz hatte er sich meines Tickets sowie meines Passes bemächtigt, steckte alles in einen Schlitz und tippte wie ein wildgewordener Affe auf einer Tastatur herum.

„Verflixt, FGiK6dç, kaputt, nix, grosses Scheisse!“ Sagte es und drückte mir einen Zettel in die Hand. „Schalter 165 hilft Ihnen weiter, gute Reise!“

Wenn „Kranich“ der Überbegriff für unhöfliche, rechthaberische und überhebliche Mitmenschen ist, dann war die Dame am Schalter 165 ein Kolibri, ein höflicher, netter und zuvorkommender Piepmatz.

„Oh je!“ seufzt sie. „Sie haben keinen biometrischen Pass, deshalb brauchen Sie ein Visum für die USA!“

Mein Pass aber war derart biometrisch wie das vermessene Leben nur sein kann. Der Computer aber verweigerte sich jeder Korrektur der Passdaten. Erst nachdem das Buchungssystem der Lufthansa zusammengebrochen war, gelang es dank eines fulminanten Neustarts, meine Passdaten zu korrigieren. Dabei waren jedoch die Sitzplätze abhandengekommen. Meiner Frau wurde der Notsitz im Cockpit zugeteilt, ich selbst sollte im Gepäckabteil mitreisen. Irgendwann gegen Mitternacht hatte unser Kolibri jedoch sein Werk vollbracht und ich war stolzer Besitzer der Boardingkarten. Gottseidank hatten wir uns entschieden, bereits am Vorabend einzuchecken. Ansonsten wäre die Reise zu Gaugin wohl bereits zu Ende gewesen.
Es war schon beinahe Mitternacht als wir das Hotel erreichten. Im Traum erschien mir ein unbekannter aber alter Grieche und deklamierte:

„Merke du auf, sobald du des Kranichs Stimme vernommen,
Der alljährlich den Ruf von der Höh' aus den Wolken dir sendet
Bringt er die Mahnung doch zum Säen, verkündet des Winters Schauer...“

Hoffentlich irrt er sich. Wir wollen nämlich zu Gauguin.

Bildergebnis für Kranich Lufthansa

 

 


 

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, April 23, 2015

Auf der Suche nach Gauguin - Prolog



„Haben sie einen Ausweis?“

„Ausweis? Welchen Ausweis benötige ich denn für einen Museumsbesuch?“

„Wollen sie den keinen verbilligten Eintritt? Den AHV-Ausweis natürlich!“

Vorsichtshalber drehte ich mich um. Vielleicht hatte die nette Dame gar nicht mich gemeint. Doch da war weit und breit kein Mensch zu sehen. Also doch! Nachdem mir bereits letzte Woche ein junges Mädchen im Tram seinen Platz angeboten hatte, wurde ich nun von diesem Museumsdrachen endgültig aus dem Leben pensioniert.

Nach einigen Minuten tiefster Depression beschloss ich, das Beste aus der Situation zu machen und bestellte im hinteren Sternen das AHV-Menu. Der Hirsebrei mit vereinzelten vorgekauten Brätkügeli riss mich beinahe vom Stuhl. Man hatte mich nicht nur pensioniert, sondern wollte mich gleichzeitig auch noch verhungern lassen! Ich habe ja durchaus Verständnis, dass sich meine AHV-Ausgleichskasse angesichts der leeren Kassen meiner entledigen möchte. Aber Hungertod? Nein danke! Nun gut: Verdursten wäre schlimmer. Ich machte die Probe aufs Exempel und bestellte in der nächsten Beiz ein AHV-Tschumpeli. Für Spätgeborene: Ein AHV-Tschumpeli ist meistens ein Deziliter Rotwein obskurer Herkunft. Rotwein deshalb, weil Wirte davon ausgehen, dass Pensionierte generell eine schwache Blase haben und deshalb keinen Weissen mehr trinken sollten. Ich gebe zu, dass ich angesichts des servierten Getränks etwas ängstlich war. Grosszügig spendierte ich das Glas dem Alten vis-à-vis. Als dieser tot vom Stuhl fiel, war ich mir sicher: Man wollte mich nicht nur verhungern, sondern auch verdursten lassen!

Ich begab mich deshalb zurück zum Museumsdrachen und machte die Pensionierung rückgängig, indem ich ihm den AHV-Rabatt in Franken und Rappen zurückerstattete. Er fauchte zwar und spie Feuer, was mich nicht sonderlich beeindruckte. Mit einem Lied auf den Lippen verliess ich den Ort des Grauens, begab mich ins nächste Reisebüro und buchte eine Reise nach Hiva Oa. Dort kann man sich die Gauguins nämlich auch ohne AHV-Ausweis anschauen.