Montag, Dezember 31, 2018

Ulithi 24

Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap State, FSM
 
Zum Abschied

Gestern Abend summte jemand Reinhard Meys Lied von der «letzten Zigarette». Vermutlich fiel der Satz im Zusammenhang mit guten Vorsätzen zum Neuen Jahr. Ich habe mich heute in die Untiefen des Internets vorgewagt und mir das Lied angehört. Ich widme es, ohne jemand gefragt zu haben, den Menschen in Ulithi und Yap, unsern Freunden hinter den Regenbögen. Es ist mein Lied zum Abschied.
 

 
 
 
Gute Nacht, Freunde
Es wird Zeit für mich zu geh'n
Was ich noch zu sagen hätte
Dauert eine Zigarette
Und ein letztes Glas im Steh'n
 
 

 




Für den Tag, für die Nacht unter eurem Dach habt Dank!
Für den Platz an eurem Tisch, für jedes Glas, das ich trank
Für den Teller, den ihr mit zu den euren stellt
Als sei selbstverständlicher nichts auf der Welt





 


Gute Nacht, Freunde
Es wird Zeit für mich zu geh'n
Was ich noch zu sagen hätte
Dauert eine Zigarette
Und ein letztes Glas im Steh'n.
 
 
 


Habt Dank für die Zeit, die ich mit euch verplaudert hab'
Und für Eure Geduld, wenn's mehr als eine Meinung gab
Dafür, dass ihr nie fragt, wann ich komm' oder geh'
Für die stets offene Tür, in der ich jetzt steh'


Gute Nacht, Freunde
Es wird Zeit für mich zu geh'n
Was ich noch zu sagen hätte
Dauert eine Zigarette
Und ein letztes Glas im Steh'n 


Good night, my friends
its time for me to go
What I have to say
will take a cigarette
an one last glass of wine.




Aus dem Album "Mein achtel Lorbeerblatt" von Reinhard Mey, geschrieben 1972
Musik und Text : Reinhard Mey. Zu finden zum Beispiel auf Youtube.














 

 

Samstag, Dezember 29, 2018

Ulithi 23

Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap State, FSM

Gestern hat uns Seymour von der Entstehung der Insel Ik berichtet. Wir aber verlassen nun die Urgeschichte, setzen zum Zeitensprung an und landen kurz nach der Geburt Jesu Christi in einem kleinen Dorf an der Küste Malaysias.

Dort war eben ein Vorfahre von Seymour mit leeren Händen und einem blauen Auge von der Jagd zurückgekehrt. Wieder blieb die Küche kalt, sein Weib weinte bitterlich und die Kinderlein nagten derweil am Hungertuch. Vor einer Woche war die Vorratskammer abgebrannt, eine Horde Wildschweine hatte die Tarofelder umgegraben und die Lagune war leer gefischt. Demnächst würde wohl der Gerichtsvollzieher klingeln.

Und so setzte sich die Familie eines Morgens in ihr Kanu, nahm ein paar Sandwichs und gekühlte Getränke an Bord und segelte in den Sonnenaufgang. Unterwegs fingen sie Fische und zum Lunch gab es herrlich frischen Sashimi. Man sammelte das Regenwasser, knabberte Müsliriegel und erfreute sich der leichten Brise, die sie stetig über den Pazifik blies. Und es kam, wie es kommen musste: Eines Tages sichtete Urgrossvater eine einsame Insel.

Vorsichtig umrundete er das Eiland und hielt nach Bewohnern Ausschau. Aber da war niemand! Und so sprangen sie juchzend an Land, hissten die Fahne und nahmen Besitz von ihrer neuen Heimat. Lange Zeit dachte man, dass die Menschen rein zufällig auf irgendwelchen Inseln gelandet seien. Nach westlichem
Verständnis konnten die „Edlen Wilden“ wohl tanzen, trommeln und in grosse Muscheln blasen. Doch navigieren? Nein, dies war den europäischen Gelehrten und der christlichen Seefahrt vorbehalten!

Als ich Seymour an einem lauschigen Abend davon erzählte, lachte er sich ins runzlige Fäustchen. Denn die Menschen im Pazifik kannten sich in der Navigation weit besser aus, als es sich Magellan je hatte träumen lassen! Im Gegensatz zu den europäischen Berufskollegen hatten die mikronesischen Seefahrer nie die Vorstellung, dass die Erde eine Scheibe sei, an deren Rand man direkt in die Hölle stürzen würde. Die christliche Hölle kannten sie noch gar nicht, die wurde ihnen erst viel später von Missionaren erklärt. Urgrossvater und seine Zeitgenossen gingen davon aus, dass das Meer irgendwo direkt den Himmel berühren würde. Da sie auch keine Ahnung hatten, dass sie dort von irgendwelchen Erzengeln, Manna und himmlischen Gesängen erwartet wurden, fürchteten sie sich nicht und segelten weiter. Ihre Reiseroute bestimmten sie nach den Sternen, dem Wind, der Strömung und den Wellenformationen.

Diese Informationen, seit Jahrhunderten bekannt und vom Vater dem Sohne überliefert, waren in ellenlange Verse gefasst. Als Gedankenstütze verwendete man eine Art Makramee mit Holzeinlagen. Hatte Mutti mal Lust auf Mallorca, musste Opa nur die richtige Vorlage und den passenden Vers aussuchen und schon konnte es losgehen.

Als der Urgrossvater von Seymour die abgelegene Insel sichtete, war er nur ein bisschen überrascht. Sein Makramee und seine Verse hatten darauf hingedeutet, dass genau an dieser Stelle eine Insel liegen würde. Sichtlich und freudig überrascht, dass noch keine Deutschen und somit auch noch keine Schweizer, Österreicher und Angehörige anderer reisefreudiger Nationen das Eiland besetzt hatten, stiess er seinen Speer in den Sand, rief „Eureka!“ und nannte sein neues Zuhause Ik!

Obwohl er zu dieser Zeit die Bibel noch gar nicht kennen konnte, ging er hin und vermehrte sich. Mit den Jahren kamen neue Siedler dazu. Da Platz genug war und Urgrossvater sich zudem ernsthaft Sorgen über den Weiterbestand seiner Familie machte, empfing er die Neuankömmlinge freudig. Natürlich nicht, ohne eine angemessene Einbürgerungsgebühr zu verlangen und den Asylanten klar zu machen, wer hier denn der Chief sei. Zwischendurch versuchten auch Menschen aus sog. Schurkenstaaten illegal einzureisen.


Derlei Machenschaften liess man sich allerdings nicht bieten:
Das Boot war voll!

Wie es weiterging, erfahren Sie wie immer auf diesem Blog
- bleiben Sie mir treu!



  





 

Freitag, Dezember 28, 2018

Ulithi 22

Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap State, FSM

Ein Blick zurück
Wie das Ulithi-Atoll entstanden ist und weshalb Menschen genau dort gelandet sind, lasse ich mir von Seymour erklären. Seymour heisst eigentlich nicht Seymour. Und auch die Inseln haben in Tat und Wahrheit andere Namen. Man erklärte uns jedoch ausführlich, dass man keinesfalls sein Bild, seinen Namen und wenn möglich auch noch ein Selfie im Internet sehen wolle. Man sei nämlich mit dem Status „Diese Seite ist nicht vorhanden“ durchaus zufrieden.

Nun aber hören wir Seymour zu und versetzen uns ein paar Millionen Jahre zurück. Dort wo heute das Ulithi-Atoll liegt, blubberte ein ziemlich grosser Vulkan mehr oder minder gemütlich vor sich hin. Langsam und über Tausende von Jahren floss seine Lava ins Meer, erstarrte, floss weiter, erstarrte wieder und floss immer weiter. Aus dem Vulkankegel wurde eine ganze Insel. Noch mehr Lava floss, es blubberte und floss in einem fort.

Eines Tages hatte der Vulkan einen Durchmesser von fünfzig Kilometern und er beschloss, sein Leben auszuhauchen. Zurück blieb ein vulkanförmiger Steinhaufen im Pazifik. Und da das Meer keine besondere Freude an diesem Wellenbrecher hatte, begann es daran zu nagen.

Die Wellen knabberten unablässig am Gestein, der Wind pfiff die Reste fort. Nach ein paar weiteren Millionen von Jahren war kaum mehr etwas übrig vom Vulkan. Nur noch die Spitzen des Kraterrandes lugten aus dem Wasser und bald waren auch die weg.

Jetzt kamen die Korallentierchen zu ihrem Einsatz und bauten wie wild ihre Eigentumswohnungen auf dem neu erschlossenen Baugrund. Ein wahrer Bauboom erfasste die Gegend! Da der Kraterrand weiter im Meer versank, bauten die Korallenpolypen immer weiter nach oben und über Millionen von Jahren entstand ein kreisrundes Riff.

Dort wo das Riff die Wasseroberfläche durchbrach, blieb mit der Zeit Sand liegen, Vögel liessen sich nieder, brachten die ersten Samen mit (welch wunderbarer Euphemismus: Sie schissen die Insel förmlich zu!) und eine erste angeschwemmte Kokosnuss trieb aus.

Sie sehen, eigentlich ist alles ganz einfach und hätten wir denn Zeit, könnten wir es zuhause in der Badewanne nachspielen. 


Wie es weiterging, dazu mehr auf diesem Blog. Vielleicht schon Morgen! Wenn Sie nicht solange warten wollen, können Sie sich auch das Buch IKEFANG UND GUTGENUG kaufen. Zum Beispiel in der Version für Ihr KINDLE. Tag und Nacht erhältlich bei AMAZON, BoD oder EXLIBRIS:











 

Donnerstag, Dezember 27, 2018

Ulithi 21

Colonia Down Town, Yap State, FSM

«Heute Morgen hatte es schon wieder keine Bananen auf dem Frühstücksbuffet!», echauffierte sich die Dame aus Zimmer 166 und wandte sich an den Hotelmanager: «Wachsen denn keine Bananen auf dieser Insel?»

«Aber sicher wachsen Bananen auf dieser Insel!», entgegnet dieser. «Aber die haben heute frei». 


Um diesen kryptischen Satz entschlüsseln zu können, muss man tief in die mikronesische Politik eintauchen. Ein wesentlicher Grundsatz lautet, ähnlich wie in der Schweiz: «Je Republik, desto Banane», manchmal auch in der Variante «Je kleiner das Land, je grösser die Bananen».


27.11.2018 Wir standen am Flughafen von Yap und hatten uns in die lange Schlange der Einreisenden eingereiht. Die Grenzbeamten schienen es äusserts genau zu nehmen. Sorgfältig prüften sie die Pässe, kontrollierten die ausgefüllten Einreiseformulare und stempelten sich, mehr lustlos als fröhlich, durch die Papiere. Für die Fröhlichkeit sorgte eine barbusige junge Frau, die jedem Ankommenden einen Blumenkranz um den Hals legte.

Bei den zum Flughafen abkommandierten Grenzbeamten handelte es offensichtlich um Lehrlinge: Sie durften nur Visa bis zu einer Gesamtdauer von 30 Tagen vergeben. Wir aber beabsichtigten, 35 Tage im Land zu bleiben. "No Problem!", meinte der Officer. "Am 27. Dezember gehen sie zum Einwanderungsamt, die Immigration, und holen sich nochmals ein Visum für die verbleibenden Tage." Auf unsere Frage, ob denn das Amt an diesem Tag auch wirklich geöffnet habe, meinte sie stramm «Yes, Sir!» 
Es ist der 27. Dezember 2018 und wir stehen vor dem genannten Amt: «Closed.» Wiedereröffnung am 2. Januar.

Verstösse gegen die Aufenthaltsbestimmungen werden überall auf der Welt ziemlich hart bestraft.
Leider nicht das Gefängnis, sondern ein
Freiluft-Schulzimmer auf der Insel Ik.
Hohe Bussen und manchmal auch Gefängnisaufenthalte drohen. In Nordkorea wird man von einer Atomrakete erschossen. Der Hotelmanager macht uns auf unsere missliche Situation aufmerksam. Gefängnis in Yap? Muss nicht sein.

Am Nebentisch im Frühstücksraum sitzt ein älterer Herr. Er hat eben zusammen mit dem Chef-Jesuiten der Insel gefrühstückt und greift zur nächsten Betelnuss. Er hat unser Gespräch mitgehört, schüttelt den Kopf und meint leise, «das darf doch nicht wahr sein!».
 

Der Hotelmanager macht uns mit ihm bekannt: «Seine hoheitliche Excellenz, Sir Henry, der neu gewählte Gouverneur von Yap.»

Da es in der Schweiz nicht allzu viele Gouverneure gibt, hier eine Beschreibung von Sir Henrys Tätigkeiten: Er ist Staatsoberhaupt von Yap, politischer Führer, am ehesten vergleichbar mit dem Präsidenten des Regierungsrates. Er vertritt den Staat, den «Kanton», in der Bundesregierung der «Föderierten Staaten von Mikronesien», die ihren Sitz in der Hauptstadt Palikir, auf der Insel Ponape hat. Ein in jeder Beziehung gewichtiger Mann.

Zurück zu unserer Aufenthaltsgenehmigung, die vor ein paar Stunden abgelaufen ist. Obwohl Sir Henry noch gar nicht im Amt ist, die Inauguration wird erst im Januar stattfinden, greift er zu seinem Handy. «Ich werde denen mal den Marsch blasen!», ruft er erzürnt. 


Der Hotelmanager aber meint: «Wait, Sir Henry, das erledigen wir auf dem kleinen Dienstweg, lassen sie mir ihre Telefonnummer da, für alle Notfälle. Ich aber werde meine einheimischen Späher aussenden und einen der Beamten finden. Wir wissen schon, wo wir suchen müssen. Diese Insel ist ja ein Kaff, um nicht zu sagen ein Kabuff. Wenn meine Späher-Truppe einen Beamten gefunden hat, werden sie ihm mal die Leviten lesen und ihn mit samt seinen Stempeln hier ins Hotel schleppen.»

Noch warten wir auf den hoheitlichen Stempler, sitzen gemütlich an unserm kleinen Pool und lassen es uns gut gehen. Die Bananen schmecken ganz ausgezeichnet. Auch ohne Aufenthaltsgenehmigung.


Da hilft nur noch Beten!






























Dienstag, Dezember 25, 2018

Ulithi 19

Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap State, FSM

Wir setzen uns im Gärtchen unserer Cousine Ruth-Ann unter einen riesigen Mahagoni-Baum. Gemäss Marjorie V. Cushing Falanruw (Trees of Yap, US Forest Service), handelt es sich um einen Swietenia mahagoni, einen spanischen Mahagoni aus der Familie der Meliacea. Eigentlich sind es zwei ineinander verwachsene Bäume.
Alwin liegt unter dem Mahagoni-Baum und erzählt Geschichten.




Der Umfang und die Höhe des Baum-Konstruktes sind beträchtlich, an den ausladenden Ästen hängen einladende Hängematten. Ich kann ihnen nicht widerstehen und lasse mich in eine hineinfallen. Der Baum muss uralt sein, denke ich mir.

„Er ist hundert Jahre alt!“, meint Martha. „Da haben bereits die Japaner und nachher die Amerikaner darunter gesessen.
„Nein, er ist dreihundert Jahre alt!“, entgegnet ihr Alwin. „Und genau hier unter diesem Baum sind eure Vorfahren gesessen und haben meine spanischen Vorfahren zum Teufel gejagt!“
Da mir die Geschichte ziemlich spanisch vorkam, bat ich Alwin, sie mir zu erzählen.
Als ich ihn vorher noch fotografieren wollte, meinte er schmunzelnd, das würde nicht gehen, er sei „zu dunkel“.

Es geschah wohl vor etwa dreihundert Jahren. Die männliche Bevölkerung sass im Männerhaus, als ihnen plötzlich ein riesiges Schiff die Aussicht auf das Meer versperrte.
Grosses Kanu im Halteverbot.
Noch nie hatte man ein solch' grosses Kanus gesehen! Und so staunte man weiter vor sich hin, erzählte sich alte Geschichten und kaute Betelnüsse. Und so sahen sie nicht, dass die Besatzung des Schiffes heimlich auf die Insel übersetzte.

Die Frau des Chiefs war eben dabei, ein neues lavalava zu weben, als plötzlich ein dunkelhäutiger Ausländer vor ihr stand und ihr das noch unfertige Teil entriss. Sie bewaffnete sich mit einem Speer und rannte wutentbrannt zum Männerhaus.

„Wenn ihr einfach weiter hier herumsitzen wollt und euch die Insel unter euren ehrenwerten Hintern wegklauen lassen wollt, dann bitte! Aber nicht mit mir! Ich werde das Schiff jetzt angreifen.“ Während ihrer Ansprache fuchtelte sie wild mit dem Speer.

Die insularen Herren der Schöpfung ging diese Ansprache deutlich zu weit und man beschloss, die Angreifer einen Kopf kürzer zu machen und das Schiff zu erobern. Zuerst massakrierten sie all jene die es auf die Insel geschafft hatten, darunter soll auch der lavalava-Dieb gewesen sein, und machte sich anschliessend daran, das Schiff buchstäblich auseinander zu nehmen. Alles was man tragen konnte, wurde an Land geschleppt. Nachdem alles ausgeräumt war, ging man hinter die Nägel und andere metallene Gegenstände. Nach einigen Tagen tat das Schiff genau das, was ein Schiff ohne Nägel zu tun hatte: Es fiel auseinander.


Einige Wochen später. Als der Chief von Ik die kleine Riffinsel besuchte, um die reifen Kokosnüsse zu ernten, fand er Fussspuren. Diese führten zu einer besonders hohen Palme. „Man soll mal die Palme schütteln!“, rief er seiner Mannschaft zu. Was diese auch tat. Plötzlich aber fiel eine ganz besonders grosse Nuss herunter. Sie hatte zwei Beine, zwei Arme, einen Körper und einen Kopf.
 


„Carlos de Madrilla y Mendoza Alwino Caballero della Pampa“, meinte die Nuss, die gar keine Nuss, sondern ein wahrhaft menschliches Wesen war und deutete auf sich. Der Chief schaute ihn sich genauer an. Der "Gefallene" hatte dunkle Gesichtszüge, krause Haare, etwas schwulstige Lippen. Ansonsten aber schien er normal zu sein. Und so nahm ihn der Chief mit und adoptierte ihn.

Als ich Alwin etwas genauer ansah, bemerkte ich seine dunklen Gesichtszüge, das krause Haar und die leicht schwulstigen Lippen …
Vorsicht Fake! Auf diesem Bild ist weder Alwin noch einer seiner Vorfahren, sondern ein Krieger aus Chuuk zu sehen.
 
 

Ulithi 20


Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap State, FSM

Wenn Schweine fliegen

Der grosse römische Feldherr Lukullus, den guten Dingen des Lebens nicht abgeneigt, hätte sich wohl kaum im Ulithi-Atoll niedergelassen.
Lucullus, gefunden bei allposters.at

Ausser Fischen und Meeresfrüchten, die es in Hülle und Fülle gibt, ist die Auswahl an Hauptgängen eher eingeschränkt. Als Beilagen isst man Brotfrucht, Süsskartoffeln und Reis, manchmal angereichert mit Taro und Spinat aus dem Gemüsegarten. Hat nicht mal wieder ein Taifun die Bäume umgelegt, wird die Diät von Kokosnüssen, Papayas und Bananen abgerundet.

Stehen grössere Festivitäten an, dazu gehören Hochzeiten und Beerdigungen, aber auch ein längerer Aufenthalt im Ausland, muss ein Schwein her. Inselschweine geniessen, gegenüber ihren eingepferchten Artgenossen auf dem Festland, ein beinahe glückliches Leben. Aber eben nur beinahe. Da sie die Wurzeln der Taropflanzen genauso schätzen wie die Menschen, kommt man sich in die Quere.

Wer schon einmal gesehen hat, wie ein Maisfeld nach dem Besuch einer Herde Wildschweine ausgesehen hat, der kann sich vorstellen, wie ein Tarofeld nach dem Besuch einer Familie Hausschweine aussieht: Alles umgegraben! Deshalb werden die Schweine auf den Inseln an Stricken zwischen Bäumen angebunden, ihr Auslauf ist begrenzt. Nur die Jüngsten unter ihnen haben, solange sie noch gesäugt werden, freien Auslauf.
Und genau so eine kleine Sau ist es, die sich an meiner Hängematte zu schaffen macht. In ihrem Gefolge sind noch acht weitere kleine Schweinderl, ein überaus herziger Anblick. Auch für Apollonia, unsere einheimische Freundin. (Name gefälscht. Tatsächlich handelt es sich um Ruth-Ann. Da ich momentan ein Buch über Cicero lese, schweben immer wieder lateinische Namen durch die Geschichten). Nun, Apollonia ist genauso entzückt vom Anblick des Säuleins und seufzt: „Wie gerne würde ich doch wieder einmal einen Schweinebraten essen!“

Meine Frau blickt mich an, ich blicke zurück und schon sind wir stolze Besitzer eines Schweins. Wir übergeben es feierlich Ruth-Ann, genannt Apollonia!

Wie aber sollte sie das Schwein von der Insel Ik nach Falalop und von dort nach Yap transportieren? "Kein Problem," meint Apollonia. "Ich habe eine alte Bananenschachtel, da mach ich ein paar grosse Löcher rein. Somit hat das Schwein genug Luft. Nach Falalop fährt es in meinem Kanu mit, anschliessend reist es als Handgepäck im Flieger nach Yap."

Ob es nicht günstiger sei, ein Schwein mit der Fähre zu transportieren, frage ich sie.
"Nein, im Flugzeug reist der Quiecker als Handgepäck mit, auf der Fähre hätte er mich zwanzig Dollar gekostet. Und seekrank wäre er auch noch geworden."

Das fliegende Schwein,
gefunden bei voelkner.de











Sonntag, Dezember 23, 2018

Ulithi 18

Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap State, FSM

Die Geschenkkultur von Ik

Wir haben, zusammen mit Ruth-Ann, Geschenke auf die Inseln mitgenommen. Neben Kaffee und
Zucker sind es Betelnüsse und Tabak sowie Süssigkeiten für die Kinder. Wir schütten den Korb unter dem grossen Mahagonibaum aus und Peter, der Sohn von Barnabas, macht sich daran, sechzehn identische Häufchen aufzuschichten. So viele Familien wohnen auf der Insel, alles soll gerecht verteilt werden. Sollte ein Geschenk allzu gross sein, muss das Geschenk vorerst dem Chief präsentiert werden. Hat also ein Besucher einen Computer, ein Funkgerät oder eine Drohne im Gepäck, könnte es sein, dass dieser Gegenstand vom Chief einkassiert wird und in einer geheimen Ecke seiner Hütte eingelagert wird. Alle Inselbewohner können die Utensilien jedoch jederzeit „ausleihen“. Ob dies bereits eine Form von Kommunismus ist? Eher nicht. Denn im Gegensatz zum Kommunismus existiert die Geschenkkultur immer noch.

Auf Ik herrscht lavalava-Zwang und ein teilweises Tabakverbot. Ersteres wird weitgehend beachtet. Die Ladies tragen alle die kunstvoll gewobenen lavalava's, farbenfrohe Tücher, die man an Stelle eines Rockes trägt. Festgebunden werden diese mit wertvollen Gürteln aus Muscheln. Alte Fotos legen nah, dass man früher sogar Perlen verwendet hat.

Heute ist ein Besuch bei Ruth-Anns Mutter angesagt. Die alte Dame ist nicht mehr so gut zu Fuss und sitzt meistens in einem Rollstuhl. Der Sohn hat ihr eine kleine Rampe gebaut, so dass sie den Sitzplatz vor dem Haus bequem erreichen kann. Margarita heisst sie, ist 78, und noch äusserst rüstig und bei klarem Verstand. Wenn nur der Blutdruck nicht derart hoch wäre! Und sie habe keine Medikamente mehr! Welche Tabletten ihr der Arzt verschrieben habe, will ich wissen.

„Gar keine. Tabletten brauche ich keine, will ich nicht. Ich brauche nur ab und zu mal eine Zigarette zu rauchen, dann bin ich sofort wieder gesund.“ Obwohl ich an der therapeutischen Wirkung zweifle, offeriere ich einen Zigarillo. Nicht ohne daraufhin zu weisen, dass die Dinger, im Vergleich zu den handelsüblichen Zigaretten ziemlich stark seien. Ihr Sohn zündet den Stumpen für sie an, hält ihn ihr hin. Sie tut einen tiefen Zug, seufzt leise. «Very good medicament, very good!»

Ich verspreche ihr, die Zigarillo-Stummel zukünftig sorgfältig zu sammeln und ihrem Schwiegersohn Barnabas zu übergeben. Er würde daraus für sie neue Medikamente herstellen. Barnabas  ist eine Art insularer Grosshändler für Tabakprodukte aller Art. Von der Insel Ikaais besorgt er sich Tabak, zerkrümelt diesen und stellt daraus mit alten Zeitungen neue Zigaretten her: «local ciarettes». Aus meinen Zigarillo-Stumpen-Krümeln produziert er nun eine neue Marke: «Ik Premium»!

Bei Barnabas gibt’s auch noch andere lokale Produkte zu kaufen. Zum Beispiel Strohhalme der Marke «Local Island Straw».

Da diskutiert die EU über ein Verbot von Kunststoff-Trinkhalmen, erwägt mal hier und diskutiert mal dort, dabei haben die Bewohner von Ik schon seit längerer Zeit den idealen Ersatz gefunden: Papaya-Halme. In Ik und Ikik trinkt man den Saft der Kokosnuss durch einen Papaya-Halm („local straw“). Diese sind lang genug, um auch noch den letzten Tropfen erfrischenden Saft in der Tiefe einer Kokosnuss zu erwischen.
Also dann, liebe Europäer: Schmeisst die Gummibäume aus der Wohnung; in den Müll mit den Palmen, die sowieso nie Früchte tragen werden, und setzt Papaya-Bäume! Aber besser heute statt morgen: Es kann nämlich eine Weile dauern, bis die Bäume Halme tragen!

Freitag, Dezember 21, 2018

Ulithi 17

                      Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap-State (FSM)

Nein, das ist nicht Alwin
Wir sind Gäste von Ruth-Ann auf der Insel Ik. Der Insel-Chief war noch auf der Insel Ikik aufgehalten worden, wo er an einer Beerdigung teilgenommen hatte. Als Chief kann man sich übrigens nicht bewerben, man wird quasi in den Job hineingeboren. Nur wer Mitglied einer adligen Familie ist, kann „König“ werden. Hat ein Häuptling keine männlichen Nachfolger, wird über die mütterliche Linie, matrilinear, nach einem Thronfolger gesucht. Irgendeiner lässt sich auf diese Weise immer finden. Sollten sich potentielle Nachfolger als zu dumm, einfältig, verweichlicht oder anderweitig der Aufgabe nicht würdig sein, übernimmt ein vom Männerrat gewählter Vertreter das Amt. Dieser hat zwar überhaupt keine Befugnisse, seine einzige Aufgabe ist es solange auszuharren, bis ein Nachfolger gefunden wurde.

Wir setzen uns im Gärtchen unserer "Verwandten" unter einen riesigen Mahagoni-Baum. Gemäss Marjorie V. Cushing Falanruw (Trees of Yap, US Forest Service), handelt es sich um einen "Swietenia Mahagoni", einen spanischen Mahagoni aus der Familie der Meliacea. Eigentlich sind es zwei ineinander verwachsene Bäume. Der Umfang und die Höhe des Baum-Konstruktes sind beträchtlich, an den ausladenden Aesten sind einladende Hängematten befestigt. Ich kann ihnen nicht wiederstehen und lasse mich in eine hineinfallen.


Der Baum muss uralt sein, denke ich mir. „Er ist hundert Jahre alt!“, meint Maria. „Da haben bereits die Japaner und nachher die Amerikaner darunter gesessen.
„Nein, der ist dreihundert Jahre alt!“, sagt Alwin. „Und genau hier unter diesem Baum sind eure Vorfahren gesessen und haben meine spanischen Vorfahren zum Teufel gejagt!“

Da mir die Geschichte ziemlich spanisch vorkam, bat ich Alwin, sie mir zu erzählen. Als ich ihn vorher noch fotografieren wollte, meinte er schmunzelnd, das würde nicht gehen, er sei „zu dunkel“.


Die ganze Geschichte von Alwin und seinen Vorfahren gibt's in den nächsten Tagen zu lesen. Genau hier und nirgendwo anders. Bis bald ... 
Mahagoni-Baum, Insel Ik, Alwin ist kaum zu erkennen.
 

 




 

Mittwoch, Dezember 19, 2018

Ulithi 16

NEU: Melden Sie sich als FOLLOWER an. Sie werden umgehend informiert, wenn es neue Posts zu lesen gibt!


Public Library, Colonia, Yap State (FSM)
 
Geschichten über Ulithi und mikronesische Inseln zu schreiben, bedeutet viel Arbeit. Denn, gerade weil meine Bücher mit viel Selbstironie und einem, manchmal schrägen Blick auf die Wirklichkeit geschrieben sind: Die Eckpunkte müssen stimmen, Jahreszahlen müssen verifiziert werden. Die Namen der Beteiligten sollten korrekt geschrieben sein, Quellenabgaben müssen der Wahrheit entsprechen. Im Internet sind zwar allerhand Informationen zu finden. Da viele Bücher von Missionaren geschrieben wurden, sind die Inhalte mit Vorsicht zu geniessen. Selbstbeweihräucherungen sind auszusortieren, richtig - oder ins Abseits zu stellen. Denn vielfach wurden Texte geschrieben, um sich und seine Arbeit zu rechtfertigen. Zum Beispiel um zusätzliche Gelder für weitere Expeditionen zu generieren.

Wo, wenn nicht in der staatlichen Bibliothek von Yap, könnte man auf ungeschönte und religionsbefreite Bücher stossen? Ruth-Ann, unsere yapesische Freundin und interimistische Cousine, begleitet uns. Und wir treffen in der Bibliothek gleich auch auf die Chef-Bibliothekarin, Miss Erika. Sie bedankt sich mehrmals für unseren Besuch, der Empfang ist mehr als herzlich.

Ich stelle mich vor und schenke ihr ein Exemplar meines Buches IMMER WIEDER FERNWEH.




„Storyteller“ sei ich, eine im englischen und yapesischen Sprachraum durchaus positive Bezeichnung meiner Tätigkeit. Somit wohl auch „Author“ oder „Writer“. Ich bevorzuge jedoch die Wendungen „Wordsmith“ und „Penman“. Ich bin also entweder „ein Schmied der Worte“ oder "ein Mann der Feder“. Geschichtenerzähler, „Storyteller“, haben es im deutschsprachigen Raum eher schwer. Bei uns sind es Politiker, Grossmäuler und „Plauderi“, die in diese Kategorie fallen.

Ich sei auf der Suche nach alten Büchern über Ulithi und Yap, antworte ich auf Erikas Frage nach dem Grund meines Besuches.
„Oh“, meint sie und entschwand in ihrem rückwärtigen Kabinett.

Die Ausbeute war relativ gering. Ich staunte ob dieser Situation. In meiner bescheidenen Bibliothek zu Hause habe ich beinahe mehr Bücher über Mikronesien, als die staatliche Bücherei von Yap. Ich verspreche Erika, dass ich ihr alle Bücher, die ich doppelt und dreifach habe, zuschicken werde.

Die wenigen von Erika gefundenen Texte haben es durchaus in sich: Qualität kommt - einmal mehr - vor Quantität. Es sind vier Exemplare, darunter eine Privatausgabe von William Lessa über Ulithi, die mich besonders interessieren. Die Bücher sind jedoch nicht für die Ausleihe bestimmt. „No problem,“ meint Erika, "ich werde sie scannen und dir mailen. Da ich solche Arbeiten nur nachts erledigen kann, dauert es ein paar Tage." Ob ich sie Freitags abholen könne?

Ich stelle mir vor, wie eine Bibliothekarin in der Schweiz reagieren würde, käme eines Tages ein Mikronesier daher, und würde ….
("Thank you very much!?")
Nein. Ich mag gar nicht daran denken.  Vermutlich würde sie direkt die Ausländerbehörde anrufen. 

Erika aber, die Bibliothekarin von Yap , hat mein Buch sofort in ihr Sortiment aufgenommen. Immerhin das erste Buch in deutscher Sprache. Und somit wissen auch SIE, wo sie sich "IMMER WIEDER FERNWEH" ausleihen können.

Aber vielleicht haben sie es bereits und warten auf neue Geschichten ...? Noch müssen Sie sich gedulden. Am 5. September wird es soweit sein ...

Haben Sie sich als FOLLOWER angemeldet?
Herzlichen Dank .... und bis bald!

 

 







Dienstag, Dezember 18, 2018

Ulithi 15

Sollten Sie mein neustes Buch noch nicht haben: Ab sofort können Sie es sich in der staatlichen Leihbücherei von Yap, in Colonia, ausleihen. Wie es dazu kam?

Morgen gibt's mehr dazu. Und auch noch die Geschichte eines unglaublichen Zufalls ...



Catholic Highschool, Yap (FSM)


Montag, Dezember 17, 2018

Ulithi 14


„Hat man dir auf deiner Insel die Geschichte von Canova erzählt?“, fragt er mich. Nein, hatte man nicht, und ich erklärte Seymour meinerseits, dass die Schweiz zwar eine politische, jedoch keine geographische Insel sei.

Aus einem alte Buch, gefunden auf der Insel Falalop
1732. Juan Antonio Canova, je nach Quellenlage auch CANTOVA, war Missionar in spanischen Diensten, lebte auf den Philippinen und war dort, wie sollte es auch anders sein, mit missionieren beschäftigt. Eines Tages erzählt ihm einer seiner Schüler, dass wieder ein Kanu mit Flüchtlingen angekommen sei. Noch wüsste man nicht, ob es politisch Verfolgte oder Wirtschaftsflüchtlinge seien. Canova solle sich die Gestalten doch besser mal anschauen. Was dieser auch sofort tat, zum Strand hinunterlief und die Menschen begutachtete.
„Wer seid ihr und weshalb wollt ihr in unser Land einreisen?“, fragte er.
„Das geht dich nichts an und einreisen wollen wir schon gar nicht. Wir haben uns verfahren, ein Taifun hat uns an die Küste eurer unfreundlichen Insel geblasen.“
Man setzte sich zwecks weiterer Abklärungen unter eine Palme und so erfuhr unser Missionar, dass es nordöstlich der Philippinen Inseln gibt, die noch nie etwas vom Heiland gehört hätten.

Nachdem die Fremden wieder abgereist waren, schrieb er dem Papst und bat um Zustellung eines Checks in beträchtlicher Höhe, zwecks Zuführung neuer Seelen zum Katholizismus. Dieser nickte freudig, neues Seelenmaterial liess den Aktienkurs der Vatikanbank sicher ansteigen.

Und so setzte Canova die Segel, mit dabei waren sein Assistent, mehrere Diener und Soldaten, und liess sich von Wind und Wellen nach Ulithi treiben. Genau dort, nämlich auf der Insel Ik, landeten sie nach einigen Wochen, und bauten zu Gottes Ehren eine kleine und windschiefe Kapelle aus Treibholz und Palmblättern. Canova besann sich seines Auftrags und verkündete das Wort Gottes. Darauf allerdings hatten die Menschen in Ik nicht gewartet. Sie lebten nämlich durchaus glücklich in ihrem kleinen Paradies und brauchten dazu weder einen neuen Gott noch den dazu gehörenden Zauber.

„Nun“, dachte sich Canova, „wenn das so ist, dann taufe ich eben zuerst die Kinder, der Rest wird sich ergeben.“ Tat er aber nicht.

Während der Taufe, so meinte Seymour, hätte man die Kinder mit eingeschleppten Krankheiten angesteckt, sie seien alle gestorben. Als man dann auch noch die Vielweiberei verbieten wollte, sei der Koprasack überlaufen.

Ich wollte ihm entgegnen, dass Kopra-Säcke wohl nicht, Fässer jedoch sehr wohl überlaufen könnten. Doch Seymour fuhr weiter :

„Nach diesen Vorfällen war klar, Canova musste getötet werden. Die Bewohner von Ik wollten dies jedoch nicht selbst tun; es könnte ja später in den Geschichtsbüchern stehen, sie hätten Schande über sich gebracht. Und so fragten sie in Ikik nach, ob die vielleicht Canova abmurksen würden. Die Menschen in Ikik hatten damit kein Problem, sie schuldeten den Fischern in Ik sowieso noch einen Gefallen. Und so haute man dem Missionar den Schädel ein und begrub ihn an der Südseite der Insel.“



Aus einem noch älteren Buch, gefunden auf der Insel Ik





Sonntag, Dezember 16, 2018

Ulithi 13

Insel Ikik, Ulithi-Atoll, Yap, FSM

Wir erfahren, dass gerade eine grosses Fest im Gange sei. Ein in jeder Beziehung schwergewichtiger Bewohner aus Ikik sei in Hawaii gestorben. Heute nun sei der neunte Tag nach seinem Tod. Grund genug, es auf der Insel krachen zu lassen. Man lässt dem Heimkehrer eine triumphale Feier ausstellen. Jeder Partygänger ist dazu aufgerufen, Speis und Trank im Überfluss mitzubringen, an nichts soll es mangeln. Da der Highchief mit der Organisation der Festivitäten beschäftigt war, hatte er einen Abgesandten geschickt, der uns herzlich begrüsste, willkommen hiess und gleich zum abendlichen Festmahl einlud. Weil es der „Custom“, der Brauch so wolle. Ich bedankte mich meinerseits höflich für die Gastfreundschaft und die Einladung. Ich konnte den Abgesandten davon überzeugen, dass auch wir unsere „Customs“, unsere Bräuche hätten, und dazu gehöre es, Beerdigungen unter keinen Umständen zu stören.
         Und so machten wir uns auf, Ikik, die heimliche Hauptstadt des „Empires“, des Reichs der äusseren Karolineninseln zu erkunden. Eigentlich hatte ich gedacht, Hinterlassenschaften früherer Eroberer oder Kolonialisten zu finden. So, wie wir im Baselbiet alte Römervillen ausbuddeln, auf einem Acker Golddublonen finden. Wo auf jeder Anhöhe eine zusammenfallende Ruine auf eine Renovierung hofft. Doch auf allen von uns besuchten Inseln hat man mit der Vergangenheit nicht nur abgeschlossen, sondern sie auch weggeräumt. Bevor die letzten Besatzer, die Amerikaner, abzogen, haben sie ihre Bulldozer und Caterpillar ein letztes Mal eingesetzt, die ganzen Hinterlassenschaften der Kriege ins Meer geschoben, und anschliessend auch noch die Maschinen selbst im Meer versenkt. Dort fand man zwar bis in die 80er-Jahre noch Überbleibsel, in der Zwischenzeit hat sie das Meer verschlungen.
         Und dies sei auch gut so, meinte Seymour. Seymour ist ein Cousin von Maria und Ruth-Ann, somit ist er jetzt auch unser Cousin. (Er dürfte die Nummer 184 sein.) Seymour ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler. Er zeigt mir alte Bücher und vergilbte Fotos aus seiner Jugendzeit. Er wurde hier auf Ikik geboren. Da seine Mutter ihm keine Milch geben konnte, wandte sie sich an die Coast Guard, die amerikanische Küstenwache. Diese betrieben auf einer der Atoll-Inseln eine Funkstation. Da die Frau eines Offiziers eben erst ein Kind geboren hatte, konnte sie aushelfen. Man adoptierte Seymour kurzerhand und er wuchs die ersten Jahre seines Lebens in einer amerikanischen Familie auf.
Seymour kennt sich deshalb nicht nur in der grossen, sondern auch in der kleinen, der mikronesischen Welt aus. Er kommt auf die Geschichte der Missionare in Ulithi zu sprechen.  „Hat man dir auf deiner Insel die Geschichte von Canova erzählt?“, fragt er mich.
Nein, hat man nicht und erklärte Seymour meinerseits, dass die Schweiz zwar eine politische, jedoch keine geographische Insel sei.
 
.... und weiter geht's mit der Geschichte von Canova ... morgen oder übermorgen oder so ...
 
Und auch dies noch: Die Insel IK und IKIK sind urheberrechtlich geschützte Fantasiebezeichnungen aus eigener Produktion. Die Menschen auf dem Atoll wollen ihre Namen und Fotos nicht im Sch ... Internet sehen. Deshalb gibt's heute nur Blumen zu sehen ...
 
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Samstag, Dezember 15, 2018

Ulithi 12

Insel Ikik, Ulithi-Atoll, Yap, FSM

Nach einem kurzen Umtrunk auf Ik gings weiter nach Ikik. Als Begleiterin wurde uns Maria, eine Schwester von Ruth-Ann, zugeteilt. Diese sei mit den Bräuchen auf Ikik besser vertraut. Ikik spielte in der langen Geschichte des Ulithi-Atolls, aber auch in der Geschichte der westlichen Karolineninsel immer eine besondere Rolle. 
Ikik mit Versorgungsschiff

Schon in alten Zeiten war die Insel Sitz der High-Chiefs oder Paramount-Chiefs. Solche Chiefs haben zwar keine politische Gewalt, spielen jedoch im Leben, im Zusammenleben der Menschen, und der Inseln unter sich, nach wie vor eine gewichtige Rolle. Sie regeln zum Beispiel Streitigkeiten zwischen Familien. Zum Beispiel, wenn es darum geht, wo die Grenzen zwischen den Gärten zweier Familien verlaufen. Da es kein Katasteramt gibt und auch keine Grenzsteine, wird in solchen Fällen ein Chief zur Hilfe gerufen. Nach längerem Nachdenken wird dieser einen weisen Entscheid tun und den Grenzverlauf bestimmen. Sein Urteil ist abschliessend, die Beteiligten werden das Urteil anerkennen, Rekurse sind nicht möglich. Die Prozedur ist grundsätzlich kostenlos. Es ziemt sich jedoch, dem Chief einige lavalavas zu überreichen.
Chiefs entscheiden auch über das Bekleidungsreglement, über Alkohol und Tabak. Sie regeln den Umgang mit den Missionaren, entscheiden darüber, ob Besucher auf der Insel willkommen sind oder nicht. Dass wir willkommen sind, dafür hat unsere Cousine und Freundin Ruth-Ann bereits vor Monaten gesorgt. Beim Outerisland-Council, einer Art Ständerat aller Chiefs, hat sie für uns ein gutes Wort eingelegt und man hat ihr die Zusage erteilt, uns auf die Inseln einladen zu dürfen. Da der insulare Ständerat nur viermal jährlich tagt, sind solche „Visa“ frühzeitig zu beantragen.
Auf der Bootfahrt nach Mogmog werden wir von Maria, unserer Führerin instruiert
Wir sollen unter keinen Umständen erzählen, dass wir Touristen seien. Wir seien „Relatives“, Verwandte und Angehörige der Familie von Ruth-Ann, der Tochter von Margarita aus Ik, ihrerseits verwitwet und vormals verheiratet mit einem Chief von Ikik.
 

"On the sea again" ... (nach einer Melodie von Howard Carpendale)

 
 
 

Zweihundert Meter vor der Insel Ikik, das Boot ausgerichtet auf das Männerhaus der Insel, bremst unser Boot ab. Die Jungs ziehen ihre Hemden aus, Maria entledigt sich ihres Oberteils. Für uns Anverwandte gilt diese Kleiderregel offensichtlich nicht und ich bin beruhigt. Ich denke nicht, dass mein Bierbauch, auch wenn er bereits leicht gebräunt ist, irgendeinen Chief wirklich beeindruckt hätte.Noch hält das Boot, offensichtlich wartet man auf ein geheimes Zeichen aus dem Männerhaus. Ich mag keines erkennen als das Boot wieder gestartet wird und sich nun dem Strand nähert.

Ob wir die Insel schlussendlich auch betreten durften, dazu mehr morgen, oder übermorgen oder so.

Mittwoch, Dezember 12, 2018

Ulithi 11

Das eigentliche Verkehrsmittel in Ulithi sind traditionell die Kanus («Wa»), heute vielfach durch Motorboote ersetzt («Mota» oder «Wa»). In der einheimischen Sprache ist ein Auto ein «Kanu des Landes». Das Flugzeug ein «fliegendes Kanu», ein Helikopter ein «fliegendes, sich drehendes Kanu. Ein Flugzeugträger somit «die Mutter der fliegenden Kanus». Die schönste Übersetzung ist wohl diese: Ein Bulldozer ist ein «Kanu, dass seine Schnauze in die Erde gräbt», genauso wie es auch Schweine tun.
Ein «Mota» hätte gestern die von Yap eingeflogenen Lebensmittel von der Flughafeninsel Falalop nach Ikik transportieren sollen. Es waren junge Männer, die diesen Transport übernahmen. Obwohl ihnen John Rulmal, genannt «Junior», auf Grund der Wetterprognose von der Überfahrt abgeraten hatte, starteten sie den 15-PS-Motor und fuhren los.
Wie vorausgesagt kam um genau 15 Uhr ein Unwetter. Das Meer begann zu brodeln. Wie aus dem Nichts kamen immer höhere Wellen angerauscht, wahre Brecher donnerten zwischen den Inseln Ik und Ikik hindurch.

Die erste Welle schaffte man mit dem Boot noch knapp, bei der zweiten war Ende. Das völlig überladene Boot schaffte den Aufstieg nicht mehr, es überschlug sich rückwärts, es soff ab, die
Mannschaft samt Ladung stürzte in die tosende See. Dort kühlten sich die Jungs ihren Mut ab, dachten kurz nach und warteten. Sie waren (noch) keine guten Seefahrer. Aber sie wussten, dass ein Sturm, so schnell er gekommen war, auch wieder vorbei war. Und so liess man sich an den nahen Strand bei Ik treiben beichtete das Unglück dem dortigen Chief. Dieser verdonnerte die Jungs zu einer Strafe von zwei lava-lava und verbot ihnen, das Meer in den nächsten vier Tagen zu betreten, ja nicht einmal die Füsse darin zu netzen. Zwei lava-lava, den im Emmental hergestellten Leinentüchern nicht unähnlich, entsprechen einem Gegenwert von mehreren Tagen Arbeit.
 
Eine Arbeit, die zwar nicht von ihnen, sondern von ihren Schwestern zu verrichten war. Und so war das Verbot, das Meer zu betreten, die schwerere Strafe. Es bedeute, nicht zu fischen, nicht zu kochen, keinen Fisch zu essen, nicht zu reisen, nicht zu waschen. Und den Ozean auch nicht als Toilette zu gebrauchen. Für die Fischer der Insel Ik aber begann einer äusserts lukrative wenn auch kurze Fangsaison. Mit Netzen fischte man die schwimmenden Lebensmittel, mit Angeln fischte man keinen frischen «Rochroch» oder andere fein schmeckenden Fische, sondern: Thunfische und Sardinen in der Dose! Eine im Pazifik äusserst beliebte Speise. Noch nach vielen Tagen sollen immer wieder Dosen «angebissen» haben.
 
Sonnenuntergang auf Falalop/Ulithi