Samstag, Juli 21, 2018

Ikefang und Gutgenug: Ein Vorwort


„Wie bist du nur auf die hirnrissige Idee gekommen, ein Buch über Mikronesien und den Pazifik zu schreiben! Was gibt’s denn dort zu sehen? Hat’s wenigstens einen Sandstrand und wo liegt das überhaupt? Über Polynesien und die Südsee hättest du schreiben sollen, über Bora Bora, Honolulu und Hula Hula! Aber Mikronesien? Das interessiert doch kein Schwein!“ 


„Nun mein lieber Max, du kannst beruhigt sein, auch Mikronesien liegt in der Südsee. Neben Polynesien (die vielen Inseln) und Melanesien (die schwarzen Inseln) ist Mikronesien (die kleinen Inseln) eine der drei grossen Regionen der Südsee.“

Und ich denke sehr wohl, dass sich Leser für Mikronesien interessieren werden. Sie gehören zur Gattung der Weltensammler, sind Reisende, denen die Wege wichtiger sind als das Ziel. Vielleicht sind es auch rastlose Zeitgenossen, die ihre Bestimmung noch nicht gefunden haben, Menschen auf der Suche nach der Zeitlosigkeit. In diesen Geschichten werden sie sich und ihre Träume wieder erkennen.

Mikronesien liegt in der Südsee, im Stillen Ozean, im Grossen Ozean. Still ist er kaum je. Gross jedoch schon. Ich werde keine Zahlen nennen. Was würde es nützen, wenn ich hier schriebe, dass der Pazifik 181.34 Millionen Quadratkilometer misst?

Sofort müsste ich Fragen beantworten wie: Handelt es sich hierbei um die Berechnungen von Weber-Wilowski aus dem Jahre 1879 oder um die Ergebnisse der Vermessung durch den Geografen Meyer-Wittenburg anno 1904? Und gewissenhafte Leser würden sich fragen, ob denn die Beringsee, das Gelbe Meer und der Kalifornische Golf in diesen Zahlen enthalten sind.

Ich halte mich deshalb lieber an populäre Bilder: Sämtliche Landmassen der Erde hätten problemlos Platz im Pazifik. Und – obwohl die folgende Aussage politisch fragwürdig erscheint – es bliebe sogar noch genügend Raum, Afrika ein zweites Mal zu versenken.

Der Pazifik erstreckt sich von Asien und Australien im Westen bis nach Amerika im Osten. Im Norden wird er von der Beringstrasse begrenzt, im Süden von der Antarktis. Der erste Seefahrer der diesen Riesenteich durchfuhr, war der Portugiese Magellan. Er „entdeckte“ den Pazifik um 1520!


Bei genauerem Hinsehen handelt es sich bei dieser Aussage jedoch um reine Propaganda für das Portugiesische Königshaus. Im besten Fall war Magellan der erste europäische Besucher im Pazifik. Denn – obschon der Pazifik auf den ersten Blick ziemlich gross und leer erscheint – es gab bereits vor Tausenden von Jahren Menschen, die mit ihren Booten längere Kreuzfahrten unternahmen. Und Inseln auf denen sich Kulturen entwickelt hatten, die noch heute Rätsel aufgeben. Von diesen Inseln und ihren Menschen handelt dieses Buch.
Einige Geschichten sind auf einer Insel namens Ik angesiedelt. Ik liegt in der Lagune von Chuuk im westlichen Pazifik, ein paar Grad nördlich des Äquators und gehört zu den Föderierten Staaten von Mikronesien.

Ik ist eine Ausgeburt meiner Fantasie. Ich habe diese Insel geboren, um die Menschen, von denen dieses Buch handelt, zu schützen. Denn diese Menschen existieren sehr wohl. Manchmal habe ich mir allerdings die Freiheit erlaubt, zwei Seelen zu einer Brust zu vereinigen. Oder auch mal einen Wasserfall von einer Insel auf eine andere zu versetzen, Namen wahlweise wegzulassen oder hinzuzufügen, zu verändern oder gänzlich zu fälschen.
Aus dem Buch Ikefang und Gutgenug - Südseegeschichten. 
Hanspeter Gsell, Verlag BoD

Freitag, Juli 13, 2018

Bei Anruf Musik


Aus der Kolumnensammlung Hühnerbrust und Federkiel von Hanspeter Gsell, Verlag BoD, Erhältlich als Printausgabe oder E-Book.

Anrufbeantworter sind selten das, was sie sein sollten. Abgesehen davon, dass bereits der Name falsche Hoffnungen weckt, sind viele Benutzer diesem Ding gegenüber völlig hilflos. Auch ich beschloss kürzlich, meine klamme Schreibkammer aufzurüsten und besprach wohlgemut den soeben installierten Anrufbeantworter. Im schönsten Bariton teilte ich jedem mit, dass ich zurzeit aus diesem, jenem oder einem anderen Grund leider nicht erreichbar sei und bat um Hinterlassung einer Nachricht. Nachdem auch nach Wochen mein Schweigen die einzige Antwort war, veränderte ich den Text subtil und legte meine Stimme eine Oktave höher. Nach einem kleinen Anfangserfolg („Bischesdu?“ – Klick und aufgelegt) und einer anonymen Drohung schmiss ich das Ding wutentbrannt in den Sondermüll.

Was sich bis hierhin noch wie ein Sketch aus einer Seifenoper anhört, kann sich in einem Hotel leicht zu einer Tragikkomödie weiter entwickeln. Wenn der Anrufbeantworter während den Betriebsferien nicht eingeschaltet ist oder auch noch eine Woche danach immer noch Ferien meldet, dann handelt es sich schlicht um einen Fall von Anrufschädigung. Aber auch minutenlange Warteschleifen mit Litaneien wie „Ab 1. Mai gibt’s wieder zarte Spargeln und frische Erdbeeren“, können mich nur zum vorzeitigen Abbruch meines Reservationsversuches bewegen: Keine Reservation unter dieser Nummer!

Bei Anruf Musik! Neulich auf dem Anrufbeantworter einer Pizzeria: „Isse verbunden mit (). Bitte sprechen nach Biip.“ Nach einer Arie aus der Zauberflöte kam die Stimme von Antonio: „Danke für Reservation.“ Auf den Biip warte ich heute noch.

Noch mehr Geschichte im neusten Buch von Hanspeter Gsell:



Sonntag, Juli 08, 2018

Klein


Eine Kolumne aus dem Buch "HUEHNERBRUST UND FEDERKIEL" von und mit Hanspeter Gsell, erschienen bei BoD. Erhältlich überall dort, wo es gute (und schlechte) Bücher gibt.


Ob klein gedruckt oder Kleingedruckt, das Wort ist mir zutiefst suspekt. Das "Kleingedruckte" dieser Welt symbolisiert nämlich nicht nur Kleinbürgerlichkeit und Kleinmut sondern auch den Kleingeist und manchmal auch noch das Kleingeld. Kleingedrucktes ist verwirrend wie ein Flugtarif, hinterlistig wie ein Kreditvertrag und hinterhältig wie eine Versicherungspolice. Und es begleitet uns durchs ganze Leben. 

Laut dem Kleingedruckten auf dem Beipackzettel „kann dieses Medikament Schwindelgefühl, Kopfschmerzen und Krämpfe auslösen, ihr Blutbild verändern und ihre Bauchspeicheldrüse entzünden.” Kann. Kann? 

Auch auf Lebensmitteln finden sich immer mehr klein gedruckte Kann-Hinweise zu meiner Gesundheit. Manchmal sind sie nur mit der Lupe zu entziffern: mein Kaugummi kann abführend wirken, die Lieblingsschokolade kann Spuren von Nüssen enthalten und das Sojamehl kann genverändert sein. Nur beim Basler Trinkwasser wissen wir seit einiger Zeit, dass es nicht nur Perchlorethen enthalten kann, sondern es auch wirklich enthält.

In der Gastronomie findet man kaum Kleingedrucktes. Und schon gar nicht das Wort „kann“. Wenn auf der Getränkekarte steht: ein Glas Champagner kostet 16 Franken, dann kostet es auch so viel. Und es gibt keine klein-gedruckten Hinweise wie „kann lauwarmen Prosecco enthalten” oder „kann auch ohne Kohlensäure oder überhaupt nicht serviert werden“.

Auch diese Glosse hat ihr Kleingedrucktes. „Kann zu Magenübersäuerung oder geistiger Verwirrtheit führen. Kann mit giftiger Tinte geschrieben sein.“



Sonntag, Juli 01, 2018

Sommer gesucht


Als mich Hurni von nebenan letzten Montag fragte, ob ich denn vielleicht einen Sommer zum Tauschen hätte, wurde mir bewusst, dass auch ich dem Fluch der Waden nicht entkommen konnte. Nein, auch ich musste mich – und dies mit allen Konsequenzen – mit dem Sammeln und Kleben von Fussballern, den so genannten Panini-Stickern, befassen. Hinterhältig wollte ich deshalb von Hurni wissen, weshalb der Sommer denn ein Panini sein soll. Da doch Sommer als Torhüter einmalig, damit auch sprachlich in der Einzahl und deshalb nur ein „Panino“ sein könne. Nun, Hurni beschloss zu diesem Thema keine weiteren Worte mehr zu verlieren. Natürlich freuen wir uns mit ihm, dass er nur die Contenance verloren hat, seine Worte jedoch behalten konnte, und gratulieren ihm auf diesem Weg zu seinem siebzigsten Geburtstag.

Es sind also nicht nur Schülerinnen und Schüler die der blinden Sammelwut verfallen sind. Nein, die Pandemie hat auch ganze Seniorenresidenzen erfasst. Anstatt die Rente in Pizza, Pasta und Pastetchen zu investieren, fliesst das Geld einer ganzen Generation direkt in die Kassen eines ausländischen Verlages.


Die Zeit ist reif, dass auch die Politik die tief verborgenen Instinkte aus unserer Vergangenheit als Jäger und Sammler reaktiviert: lasset uns verkaufen, sammeln, tauschen und kleben. Zum Beispiel mit dem hübschen Sammelalbum „Swiss Confederation“. Da kann dann eine begeisterte Bevölkerung ihre Lieblingspolitiker als Sticker und nach Partei, Herkunft und Konfession geordnet einkleben. Vielleicht könnte man auch Generaldirektoren von bundeseigenen Betrieben sammeln. Wobei bei diesen die Gefahr besteht, dass sie bei Drucklegung der Bilder aus beruflichen Gründen – selbstverständlich im gegenseitigen Einverständnis – nicht mehr zur Verfügung stehen. Also doch eher ein Sammelalbum mit lustigen Bildern von Autoren, Korrektoren und Verlegern. Dann kann ich endlich mit Hurni einen Sommer gegen zwei Gsell tauschen.

Als Schweizer sind wir ja nicht wirklich verwöhnt mit weltmeisterlichen Titeln. Nur in Ausnahmefällen, Randsportarten und Spezialdisziplinen wie Grillieren, Frisieren und Glassammeln gelingt uns der Griff zu mondialen Pokalen. Im Laufe der Evolution hat sich deshalb der Homo Helveticus zum perfekten Zuschauer entwickelt. Diese durchaus gute Tugend ist mir in den vergangenen Tagen völlig abhanden gekommen. 


Ich beschloss nämlich eines schönen Morgens, ab sofort meinen Dienst als Zuschauer zu verweigern. Ich will einfach nicht mehr auf Schritt und Tritt mit irgendwelchen Köbi’s über Messi oder Ronaldo diskutieren. Und schon gar nicht in jedem Restaurant auch noch mit weltmeisterlichen Menükreationen gastronomisch belästigt werden. 

Ich will weder gegrillte Doppeladler noch Cevapcici Petkovic, keinen Shaqiri-Toast und schon gar keinen Coupe Embolo*. Der Anblick von Kellnern in fussballerischen Landestrachten ist meistens eine Zumutung für das menschliche Auge. So hat man doch den untersetzten und bauchlastigen Uezgür von vis-à-vis in ein Schweizer Fussballtrikot der Grösse Triple-X ge-steckt. Er erinnerte mich dezent an Wilhelm Tell in seiner berühmten Pyjamaszene.

* Heute Sommer-Salat-Wetter.

Alles Shirts gefunden bei www.shirtcity.de