„Ich
wusste gar nicht, dass es weisse Neger mit roten Haaren gibt!“
„Man
sagt nicht Neger!“ antwortete mir meine Frau.„Ja, ich weiss, schwarze Neger sind politisch nicht korrekt. Aber der ist doch weiss! Es ist ein weisser Neger. Und weisser Neger darf man sagen“, versuchte ich, sie zu korrigieren.
„Nein. Darf man nicht!“
„Nein?“
„Nein!“
Tatsächlich
lebt auf der Insel Les Saintes ein äusserst eigentümlicher Menschenschlag der
weder schwarz noch weiss, weder rot noch gelb ist. Vor vielen Hundert Jahren
haben sich hier Normannen und Bretonen (rothaarig, bleichgesichtig)
angesiedelt. Kaum waren sie angekommen, fraternisierten sie mit den
einheimischen Karibern (dunkelhaarig, braungesichtig). Dazu kamen im Laufe der
Zeit Sklaven aus Afrika (das Wort das man nicht sagt, kraushaarig, schwarzgesichtig),
etwelche Holländer (blond, käsegesichtig), Pariser (überheblich, grauhaarig und
graugesichtig).
Und
so kommt es, dass hier manche Menschen holländische Plattfüsse, rotes
Kraushaar, afrikanische Lippen und französische Stupsnasen haben.
Madame Pompadour und
der Monitöör
Nicht
so unsere Gastgeberin, Madame Pompadour. Natürlich hiess sie in Wahrheit nicht
so. Doch ihr hoheitsvolles Auftreten, der königlich-laszive Schritt und die
edlen Tropenroben liessen vermuten, dass sie sich im Hinterzimmer noch
irgendeinen Nachfahren von Louis Quatorze hielt.
Wir
fragten die Pompadour nach Gérard, dem Besitzer der Tauchbasis.
„Tauchbasis?
Auf der Insel gibt es keine Tauchbasis“, meinte sie trocken und wischte sich
mit ihrer beringten Hand ein imaginäres Salzkorn von der Nasenspitze.
„Es
muss aber eine Tauchbasis geben. Ich habe bereits gebucht und für die Ausflüge mit
Gérard bezahlt.“„Non. Keine Tauchbasis“, sagte sie und verschwand.
Ich überlegte mir, ob ich mich ein wenig echauffieren sollte, liess es angesichts der Hitze jedoch wohlweislich sein.
Da
an diesem Tag die Küche bei Madame Pompadour kalt blieb, machten wir uns auf
die Suche nach einem Restaurant. Die Entscheidung war einfach: Nur das Papillon, der Schmetterling, hatte
geöffnet.
Dort
trafen wir die Inselprominenz bei Bouillabaisse und Entrecôte. Wir machten
Bekanntschaft mit Louis (nicht mit Quatorze sondern mit dem Apotheker), seiner
nicht so heimlichen Geliebten Giselle (der Zahnärztin) und Gérard, dem
Tauchlehrer.
Also
doch! Madame hatte uns schamlos angelogen, es gab eine Tauchbasis auf der
Insel. Der alten Vettel würde ich mal was erzählen! Doch Gérard beruhigte mich.
„Weisst
du, als die alte Tauchbasis zum Verkauf stand, hat sich auch Madame Pompadour dafür
interessiert. Aber Pierre wolle nur mir verkaufen, er stammt aus Poitier, wie
ich. Und nie und nimmer hätte er an eine Pariserin verkauft!“
Tauchen mit Gérard
Wir
erlebten wunderbare Tage auf der kleinen Tauchbasis von Gérard. Sie liegt in
einer einsamen Bucht mit Sicht auf die umliegenden Inseln. Nur vor den Palmen musste
man sich in Acht nehmen.
„Der
Ton ist scheusslich“, meint Gérard.
„Welchen
Ton meinst du denn?“ fragte ich ihn.„Sssschhttq!“
„Sssschhttq?“
„Genau, Sssschhttq! So tönt es, wenn eine Kokosnuss auf einen Schädel trifft. Ich war mal dabei, als ein Kalb von einer Nuss erschlagen wurde. Grauenhaft!“
Wir
setzten uns trotzdem unter eine Palme (Gérard meinte mit Kennerblick, dass die
Nüsse noch nicht reif seien) und tranken einen Petit Punch. Weisser Rum (viel), Rohrzucker (auch viel) und Limonen.
Alles in einem kleinen Schnapsglas durchgequirlt und ex und weg. Nach dem
dritten Glas holte sich Gérard seine Gitarre aus der Bretterbude und machte mal
den George Brassens. Der anschliessende Tauchgang war, sagen wir es einmal so:
Unkonventiell und wider jeden gesunden Menschenverstand! Er verstiess gegen
alle Regeln, war trotzdem wunderbar, jedoch in keinem Fall nachahmenswert!
Auf
der Insel Les Saintes heissen Tauchlehrer übrigens Moniteur (Monitöör). In
Mallorca nennt man sie Führer (nein nicht Der), manchmal auch Divemaster,
Instruktor oder Guide. Dieser Guide nun spricht sich französisch Giid,
amerikanisch Gaid, in Italienisch Guiida aus.
Die
Freizeitbeschäftiger
Da
nicht jeder Leser des Tauchens kundig ist, hier ein kleiner Seitenhieb auf die
Gattung der Tauchlehrer. Zusammen mit Ski-, Tanz- und Surflehrern gehören sie
zur Familie der Freizeitbeschäftiger. Sonnengebräunt, mit blondierten
Haarsträhnen, einem Hunderternagel an der Brustwarze, bringen sie edelbleichen
Jungmädchen das lebensgefährliche Hobby bei. Sollten seine abendlichen
Verführungsversuche keinen Erfolg zeigen, kann er der Trotzliese beim nächsten
Tauchgang ein wenig die Luft abstellen oder ihr die Tarierweste aufblasen. Das
führt immediat zu lustigen Situationen die nur mittels Mund-zu-Mund-Beatmung
wieder ins Lot gerückt werden können.
Diese
Spezies findet man mit grösster Wahrscheinlichkeit in einem Etablissement mit
der Aufschrift „Tauchbasis.“ Dieser Name aber weckt ja gewisse Vorstellungen.
Ein Hauch Pfadfinder, vielleicht sogar eine Prise Militär. Auf einer Basis gibt
es Instruktoren, Lehrer und Führer. Jawohl! Nun, das mag in wenigen
Einzelfällen sicher stimmen. Ich habe jedoch in der Karibik und in Afrika Basen
gesehen, die verdienten nicht einmal den Namen „wackelnde Jammerbuden“.
Auf
französisch sprechenden Inseln nennt man diese Rosthaufen dann sinnigerweise Club de Plongée. Tönt eh viel familiärer
als „Basis“. Ausnahmsweise sind es die Amerikaner, die hier am ehrlichsten
sind. Da nennt man das Ding sinngemäss Dive-Shop.
Und obwohl das Wort „Shop“ verschiedene Bedeutungen haben kann: hier meint man
mit Shop eindeutig den Laden. Denn bevor man ins Wasser kann, wird man zuerst
durch einen Supermarkt für Tauchartikel geführt. Hier kann man sich mit den
neusten Gadgets, Artikeln, die man auch nicht braucht, eindecken. Letzte Saison
war neongelb die Modefarbe, dieses Jahr lindengrün. Oh Gott, wie fühle ich mich
alt mit meinem grauen Taucheranzug! Auch Brille und Schnorchel sind nicht
assortiert, meine Flossen von Muränen und Haien zerbissen.
Wenn
man den Versuchungen erfolgreich widerstanden hat, kommt der nächste Schritt.
Minutiös werden Tauchbrevets, medizinische Atteste und Logbücher überprüft.
Anschliessend geht’s zur Kasse. 2 Tauchgänge, Picknick, Miete einer
Unterwasserlampe, ritsch-ratsch und 150 Dollar sind abgebucht.
Nach
dem Geschäftlichen wird’s dann ernst. Das amerikanische Anwaltsunwesen muss ich
niemandem erklären. Tatsächlich lauern hinter gebleichten Korallenstöcken,
manchmal getarnt als Gitarrenhaie, amerikanische Anwälte auf ihre Opfer. Sie
warten nur darauf, dass einem etwas Böses widerfährt.
Ob
ein übergewichtiger Texaner frontal in ein nicht gekennzeichnetes Wrack hinein
schwimmt oder ein frömmelnder Jüngling aus New York von einem Nemo unsittlich
gestupst wird: Dr. Dive übernimmt den Fall, verklagt den Diveshop auf locker 10 Millionen.
Deshalb
müssen sich Tauchunternehmer entsprechend absichern. Bevor jemand ins Wasser
springt, müssen deshalb seitenlange Formulare ausgefüllt werden. Per
Unterschrift verzichtet der Taucher auf jedes Recht, den Inhaber, Betreiber,
Lizenzinhaber, Tauchdirektor, Leasing- und Franchisenehmer des Diveshops für oder gegen irgendetwas haftbar
zu machen. Auch wenn Kunden von einem Tauchbegleiter heimtückisch hinterrücks erschlagen werden. Aufgrund der Unterschrift wird sich der Kunde nämlich dafür verantworten müssen, den Tauchbegleiter nicht daran gehindert zu haben, ihn – den Kunden - zu erschlagen.
Solche Taten werden nach texanischem Recht mit dem Tod durch Ertrinken bestraft.
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