Dienstag, November 17, 2015

Ein Schollen Hanf

Mitnichten handelt es sich hier um eine Glosse für oder wider den auch im Baselbiet heimisch gewordenen Hanfstängel. In meiner alten Heimat bezeichnete man mit einem „Schollen Hanf“ schlicht und einfach ein Stück Brot. Und genau darum geht’s in dieser Kolumne.
Der Werbespot der Schweizer Bäcker ist eine Meisterleistung der Filmtechnik. In Zeitlupe explodiert ein offensichtlich ofenfrisches Brot. Sekundenlang und in HD zischen Krumen und Brösmeli kreuz und quer über den Bildschirm. Das Geräusch der brechenden Kruste ist ein Genuss für die Ohren, die Schallwellen drängen bis ins Hirn vor und suggerieren umgehend „Hunger“! Bis hierher funktioniert die Werbung. Dann aber ist Schluss. Denn das gezeigte Produkt ist in dieser Form wohl nur Wunschdenken und im täglichen Leben kaum in dieser Qualität zu finden.

„Gib uns unser täglich‘ Brot.“ Ich gehe nicht davon aus, dass der Texter dieses Bittspruchs damit meinte, ich müsse mir mein täglich‘ Brot in einem Restaurant, im Speisewagen oder in einem Flugzeug geben lassen. In diesem Falle würde ich nämlich einen sofortigen Hungertod in Betracht ziehen oder zumindest über den Übertritt in eine Naturreligion nachdenken. Was in Gaststuben, auf Schienen und in den Lüften serviert wird, hat den Namen „Brot“ nicht verdient, ist nicht nur politisch unkorrekt sondern gleichzeitig missbrotbräuchlich. Wenn ich die Qualität von Restaurants allein an deren Angebot an Backwaren bewerten sollte: Das Resultat wäre mehr als bedenklich. Brotähnliche Pampigkeiten mit orbitalem Dehnfaktor werden als Hausbrot aufgetischt, Brotartiges von gestern wird quasi via Gast entsorgt. Fade Baguettes, schon vor dem Morgengrauen in Scheiben geschnitten, welken auf Porzellan ebenso dahin wie im verstaubten Bastkorb. Auch das Vorhandensein einiger weniger Mohnsamen, Weizenkörnli oder Buchennüssli macht aus geschmacklosen Teiglingen noch kein gutes Brot.

Schlimmer noch als die Brotkultur in mittelmässigen Restaurants ist das Frühstück in der Hotellerie. Das durchschnittlich inbegriffene Hotelfrühstück ist bestenfalls das Kunststück aus nichts noch weniger zu machen. Was mir hier zur angeblich schönsten Stunde des Tages vorgesetzt wird, ist meist ein klägliches Stück gastronomischer Biederkeit. Seit Jahr und Tag erhalte ich die gleichen Einheitsaufbackgipfel und das Knäckebrot hat das Knacken schon längst verlernt. Das einzige Gold im Mund‘ zur Morgenstund‘ ist meist nur in Form von Zahngold anwesend.

Manchmal denke ich, dass Brot für viele Menschen an Bedeutung verloren hat. Vielleicht ist Brot für Viele nur noch die Erinnerung an einen alten Kalenderspruch:

 "Grosspapi, ich mag kein Brot!"

 "Bub, iss das Brot, dann wirst du gross und stark!"

 "Weshalb muss ich denn gross und stark werden?"

 "Damit aus dir mal etwas Gescheites wird."

 "Aber warum soll ich den etwas Gescheites werden?“

 "Damit du dir das Brot selber verdienen kannst."

 "Aber Grosspapi, ich mag doch gar kein Brot!"

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