Dienstag, Januar 28, 2014

Auf nach Castelvecchio



Wir verliessen Florenz am frühen Nachmittag: Kalabrien, wir kommen! Aufgrund der angespannten finanziellen Situation – der Parkplatz hatte mehr gekostet als das Hotelzimmer – verzichteten wir auf die Benutzung der teuren Autobahnen. Unser Weg nach Castelvecchio führte uns über die kleinsten, noch auf der Strassenkarte eingezeichneten Wanderwege. Als wir wieder einmal wegen einer Büffelherde anhalten mussten, platze mir der Kragen.
„Banditen!“
„Wo?“ rief meine Frau erschrocken. „Das sind doch nur bemitleidenswerte Kreaturen und können nichts dafür, dass du mal anhalten musst!“
„Nein. Ich meine die Besitzer italienischer Parkplätze. Das sind doch Wegelagerer und Mafiosi! Da bezahlt man für die Nächtigung der Karre gleich viel oder noch mehr als für ein mittelmässiges Doppelzimmer! Als ob die Karre mehr wert wäre als wir!“
„Du sollst unser Auto nicht beleidigen“, rief meine Frau erschrocken. „Sie heisst nicht „Karre“, sondern „Pinot Bianco“ (Weissburgunder), ist ein Alfa Romeo und versteht sehr wohl deutsch!“
 Kaum hatte ich das Wort „Karre“ ausgesprochen, fing sie an zu stottern und stellte ihren Betrieb ein. Die Ruhe war herrlich. Aber nicht lange.
„Du hast sie beleidigt!“ stellte meine Frau fest. „Jetzt hast du den Salat!“
Natürlich wusste ich, wie ich den störrischen Esel wieder zur Raison bringen konnte. Auch ohne Salat. Ich stieg aus und umrundete ihn siebenmal.
„Scusasse, scusasse!“ rief ich mehrmals und streichelte ihn an den Hinterläufen. Diese sizilianische Entschuldigung bedeutet in etwa „Möge mir der Hochwohlgeborene verzeihen!“
Ich kraulte ihm noch ein wenig die Nüstern und strich ihm über die Augenlider. Pinot Bianco gab plötzlich ein wohliges Geräusch von sich und ich wusste, dass er mir verziehen hatte. Ich stieg ein, liess den Motor an und mit einem Lied auf den Lippen fuhren wir hinein in den schönen Tag. Nach Castelvecchio.


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