Sonntag, September 28, 2014

Saucenpflücker

Eigentlich wollte Hurni nur kurz durch die Bahnhofshalle und über die Passerelle ins Gundeli. Da bemerkte er, wie farbig gekleidete, junge Menschen irgendwelche Muster verteilten und blieb stehen. Neugierig näherte er sich, nuschelte in seinen Bart und wurde umgehend Besitzer eines Glases Spaghettisauce der Marke „Berilla“. Hurni bedankte sich artig und betrat die Rolltreppe. Kaum oben angekommen, drückte ihm ein desinteressierter Jungmann ein weiteres Müsterchen in die Hand. Beim Ausgang Süd nötigte ihn ein fremdländisch wirkender Saucenverteiler erneut zu einem Gläschen.  Als Hurni wieder den Centralbahnplatz erreicht hatte, hielt er kurz inne und zählte seine Kostbarkeiten. 17 Gläser Spaghettisauce von „Berilla“, dazu eine Saure Zunge, ein Läckerli und eine Gratiszeitung! Er deponierte seine Habe im nächsten Schliessfach und beschloss, weiter zu sammeln. Damit man ihn nicht erkannte, borgte er sich beim Marronimann eine Mütze, zwecks Sprachverstellung steckte er sich eine Marroni hinter die linke Backe. So getarnt betrat er wieder die Eingangshalle, pflückte rechts ein Glas und links ein Glas und betrat wieder die Rolltreppe. Fröhlich pflückte er weiter und verliess die Passerelle Richtung Gundeli. Hier telefonierte er kurz mit dem Präsidenten des Turnvereins. Etwas später traf aus Richtung Muttenz ein Sonderzug mit sämtlichen Mitgliedern der Damen- und Herrenriege inklusive Senioren, Junioren, Muki-Müttern und Ehrenmitgliedern ein. Bereits nach wenigen Durchgängen war der Bahnhof leer gepflückt und die ganze Garde machte sich wieder auf den Heimweg. An der GV gabs Spaghetti mit Sauce, Frau Berilla wurde zum Ehrenmitglied ernannt und der Präsident schrieb ihr einen Dankesbrief.

Als Hurni den Brief am nächsten Morgen auf der Poststelle abgab, drückte man ihm ein Glas „Berilla“ in die Hand.



 
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Sonntag, September 21, 2014

Gsell.schafft: Kolumnen: Kümmerlinge

Gsell.schafft: Kolumnen: Kümmerlinge: Der Anflug auf die Insel Pantelleria ist spektakulär. Zwanzig Minuten Flug von Palermo sind es. Die kleine Maschine zielt genau auf den höch...

Donnerstag, September 18, 2014

Kümmerlinge

Der Anflug auf die Insel Pantelleria ist spektakulär. Zwanzig Minuten Flug von Palermo sind es. Die kleine Maschine zielt genau auf den höchsten Berg der Insel, die „Montagna grande“. Unter uns glitzert der „Specchio di Venere“ - der Spiegel der Venus, ein Kratersee. Wie von Riesenhand hingeworfen, liegen verstreut die Dammusi, arabisch anmutende Steinhäuschen. Kleine Strassen winden sich durch die steinige Landschaft.

Noch ist es Nacht, wenn sich Ciccio auf den Weg zur Arbeit macht. Sein Ape, dieses uritalienische motorisiertes Dreirad mit Ladefläche, wackelt gutmütig über die schmalen Strassen, die Trockenmauern werfen den knatternden Motorenlärm weit über das Land. Er fährt ans andere Ende der Insel, wo sich seine Kapernsträuche befinden. Bevor die Sonne am Himmel steht, müssen die Blütenknospen geerntet werden.Kapernsträucher sind niedrige, knorrige Pflanzen. Das jahrelange, gebückte Pflücken hat seine Spuren bei Ciccio hinterlassen. Er ist alt geworden, seine Kinder haben die Insel schon vor Jahren verlassen. Der Lohn der harten Arbeit ist zu klein. 
Hat Ciccio seine „Biene“ geladen, geht es zurück nach Hause. Dort wird er die Blütenknopsen in Meersalz einlegen um sie zu konservieren. Nie würde er sie in Essig aufbewahren. Nie.
An Ciccio und an Pantelleria musste ich denken, als mir Kari K., diese Ausgeburt eines mehrwertlosen Wirtes, sein Vitello tonnato servierte. Das fein geschnittene Kalbsfleisch lag verborgen unter einer sämigen Thon-Sauce. So weit, so gut. Als ich jedoch die Essigkapern erblickte, wusste ich, dass gar nichts gut war: Kapern in Essig sind die wohl himmeltraurigste Erfindung seit es Kapern gibt! Beisst man in das Früchtchen, spritzt der Essig. Es schmeckt nach Essig, es riecht nach Essig. Solche Kapern sind nichts als minderwertige Essigkümmerlinge! Schade um die Kapern. Und um den Essig.

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Donnerstag, September 11, 2014

Ziemlich wurscht

Als ich meine erste Stelle im Gastgewerbe antrat wurde mir klipp und klar mitgeteilt, dass ich mich jeder politischen Meinung zu enthalten habe. „Wenn man linke Themen propagiert, kommen die Rechten nicht mehr, wenn man zu stark rechtslastig palavert, boykottieren uns die Linken. Treten Sie aus der Kirche aus und enthalten Sie sich religiöser Kommentare! Sollten Sie ein italienisches Auto fahren, verkaufen Sie es. Unsere Gäste fahren deutsche Autos.“

Letzten Samstag aber verliess ich den Pfad der Tugend. Es war kurz vor 21.00 Uhr und ich beschäftigte mich eben mit einem mittelmässigen Cordonbleu, als der Patron des „Güllen“ an meinen Tisch trat. Geschwollen schwadronierte er daher, dass sein Koch jetzt „seinen wohlverdienten Feierabend antreten zu gedenke“ und wedelte mit der Dessertkarte über meiner Saucière. Er bat mich, jetzt schon die Nachspeise zu bestellen und dankte mir für mein Verständnis in dieser leidigen Sache. Da es sich bei der Person des Koches gleichzeitig um den Patron handelt, beschloss mein Verstand auf Verständnis, Dessert und weitere Besuche zu verzichten.

Zusammen mit der Rechnung erhielt ich ein Pamphlet mit dem Titel „Nein zur Bratwurst-Diskriminierung“. Durch die Senkung des Steuersatzes von 8 auf 2,5 % sollen „Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze und der Standort Schweiz gesichert werden“. Solch einen Unsinn muss man sich zuerst einmal auf der Zunge zergehen lassen! Es ist allgemein bekannt, dass die Gastronomie unter enormen Problemen leidet. Und es ist auch Tatsache, dass vor jeder Abstimmung Nebelgranaten aus allen Richtungen abgeschossen werden. Aber Patrons wie der Güllen-Wirt sollten sich hüten, über Mehrwertsteuern und diskriminierte Bratwürste zu sprechen. Denn solche Betriebe schaffen überhaupt keinen Mehrwert. Sie sind minderwertig, sie sollten uns wurscht sein.
 
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Donnerstag, September 04, 2014

Koch fusioniert

Mit Fusionen kennen wir uns in Basel bestens aus. Aus Ciba Geigy und Sandoz entstand die Novartis, Bankverein (SBV) und Bankgesellschaft (SBG) fusionierten zur UBS. Auch kulinarische Fusionen, Verschmelzungen verschiedener Esskulturen, sind in Basel nichts Neues. Neu hingegen ist, dass auch mein Lieblingswirt Kari Koch zurzeit am Schmelzen ist. Nein, nicht mit dem Sternen vis-à-vis und auch nicht mit einem Zürcher Gastrounternehmer will er eine lukullische Liaison eingehen.

Grössenwahnsinnig, wie es nur Kari sein kann, hat er beschlossen – zusammen mit seinem Hilfskoch aus Ammel, der Putzfrau aus Schönenbuch und dem Kellner aus dem Kleinbasel – die Baselbieter Landfrauenküche mit städtischem Daig zu fusionieren.Gleichzeitig möchte er den aberwitzigen Molekularköchen ein paar Atome klauen und diese mit einem ukrainischen Krautwickel zertrümmern. Als er mich zur Degustation einlud, ahnte ich Böses. Aber es kam noch schlimmer! Viel schlimmer!

Auf dem Menu standen Absurditäten wie „Echte Basler Mehlsuppe mit falschen Kirsch-Maggronen aus dem Ergolztal“, „Lachs nach Basler Art auf seinem Bett aus Ormalinger Blauchabis, garniert mit einem Soufflé aus Oberbaselbieter Rahmdääfeli“. Als Businesslunch empfahl er „Hackbraten – souffliert von Kleinbasler Grazien – dahin gestreckt auf zartem Lauchgemüse an Kirschkernöl von der Sissacher Hinteregg“ oder „Grossbasler Kalbshirni auf seinem Zwetschgenbett mit Grünkerz-Haferfett vom Tschoopenhof und Lederapfel-Muus“. Soweit das gastronomische Konzept von Kari Koch, den bisher alle nur Kari nannten. Er nennt sich jetzt Charlie, die Baiz ist neu eine „Fusion-Lounge“ und beide versprühen den Charme gähnender Leere.

Wirst du etwas über mich und das neue Konzept schreiben?“ wollte Charlie wissen.
Nein, Kari.“
Und wenn ich Geri Müller mit ……“
Neiiiiiin!“


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