Donnerstag, September 11, 2014

Ziemlich wurscht

Als ich meine erste Stelle im Gastgewerbe antrat wurde mir klipp und klar mitgeteilt, dass ich mich jeder politischen Meinung zu enthalten habe. „Wenn man linke Themen propagiert, kommen die Rechten nicht mehr, wenn man zu stark rechtslastig palavert, boykottieren uns die Linken. Treten Sie aus der Kirche aus und enthalten Sie sich religiöser Kommentare! Sollten Sie ein italienisches Auto fahren, verkaufen Sie es. Unsere Gäste fahren deutsche Autos.“

Letzten Samstag aber verliess ich den Pfad der Tugend. Es war kurz vor 21.00 Uhr und ich beschäftigte mich eben mit einem mittelmässigen Cordonbleu, als der Patron des „Güllen“ an meinen Tisch trat. Geschwollen schwadronierte er daher, dass sein Koch jetzt „seinen wohlverdienten Feierabend antreten zu gedenke“ und wedelte mit der Dessertkarte über meiner Saucière. Er bat mich, jetzt schon die Nachspeise zu bestellen und dankte mir für mein Verständnis in dieser leidigen Sache. Da es sich bei der Person des Koches gleichzeitig um den Patron handelt, beschloss mein Verstand auf Verständnis, Dessert und weitere Besuche zu verzichten.

Zusammen mit der Rechnung erhielt ich ein Pamphlet mit dem Titel „Nein zur Bratwurst-Diskriminierung“. Durch die Senkung des Steuersatzes von 8 auf 2,5 % sollen „Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze und der Standort Schweiz gesichert werden“. Solch einen Unsinn muss man sich zuerst einmal auf der Zunge zergehen lassen! Es ist allgemein bekannt, dass die Gastronomie unter enormen Problemen leidet. Und es ist auch Tatsache, dass vor jeder Abstimmung Nebelgranaten aus allen Richtungen abgeschossen werden. Aber Patrons wie der Güllen-Wirt sollten sich hüten, über Mehrwertsteuern und diskriminierte Bratwürste zu sprechen. Denn solche Betriebe schaffen überhaupt keinen Mehrwert. Sie sind minderwertig, sie sollten uns wurscht sein.
 
Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com








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