Donnerstag, Juni 11, 2015

Stöck, Stich, Prosecco

Die Talgdrüse in meinem Gesicht – sie erinnerte mich an den Ätna kurz vor seinem letzten Ausbruch – störte mich seit Monaten. Immer wieder kam es beim Rasieren zu wüsten Metzeleien. Mein Hausarzt wusste Rat und bestellte mich an einem Dienstagabend in seine Praxis.
Abbildung Notgeldschein Ich bin der Doktor Eisenbart
„Das werden wir gleich haben!“ meinte er kurz und bereitete das Operationsbesteck vor.

Sorgfältig desinfizierte er weite Teile meines Gesichts und markierte mit verwegenem Schwung die vorgesehene Schnittstelle.

„Schwester!“ rief er laut. Ich wunderte mich weshalb er seine Frau „Schwester“ nannte. Da jedoch weder die eine noch die andere reagierte, kümmerte ich mich nicht weiter darum.

„Na dann werden wir sie schon mal lokal anästhesieren“, grummelt er leise. Wir? Wen meinte er damit? Sollte ich ihm etwa dabei helfen? Bevor ich ihn fragen konnte, stach er zu und verliess das Zimmer.

Zwischenzeitlich erschien die angetraute Schwester und fragte, wo denn der (angetraute) Doktor sei. Da ich diese Frage nicht beantworten konnte, verliess sie den Raum. Der Gesuchte erschien derweil durch die Hintertüre und wollte wissen, ob denn die Schwester aufgetaucht sei. Ich wähnte mich bereits in einer Boulevardkomödie und hielt nach einer versteckten Kamera Ausschau, als der Doktor samt ehelicher Schwester wieder erschien.

„Schwester, Skalpell!“ rief er mit befehlsgewohnter Stimme.

Zaghaft wandte ich ein, dass die Wirkung der Spritze schon bedrohlich nachgelassen habe.

Es sah mich ungläubig an: „Kann nicht sein, und überhaupt, in 2 Minuten ist die Chose erledigt.“

Scheinbar unkontrolliert schnitt er in meinem Gesicht herum, ich stöhnte vor Schmerz. Nach langen 12 Minuten endlich die Erlösung.

„Schwester, Faden!“

„Grösse?“

„2er“

„Hab ich nicht! Geht auch 7er?“

„Das ist je schon beinahe ein Kalberstrick, dann eben den 3er.“

„Hab ich auch nicht.“

„Also gut, dann geben sie mir eben den 7er, “ und – an mich gewandt: „In ihrem Alter werden sie ja wohl kaum mehr bei einem Schönheitswettbewerb teilnehmen, hähähä!“ Frau Schwester tröstete mich zum Abschied mit einem Gläschen Prosecco.

 
„Keine Angst, so etwas kann ihnen bei mir nicht passieren“, beruhigte mich mein Zahnarzt, nachdem ich ihm die Geschichte erzählt hatte. Unsanft rammte er mir die Spritze ins Zahnfleisch, der Bohrer näherte sich dem Bohrloch. Als er versehentlich in den kleinen Spiegel gebohrte hatte, erbleichte er und legte den Bohrer zur Seite. Wir tranken zusammen einen Prosecco.

„Keine Angst, so etwas kann ihnen bei mir nicht passieren“, beruhigte mich mein Coiffeur, nachdem ich ihm die Geschichte erzählt hatte. Fröhlich schnitt und schwatzte er vor sich hin. Nachdem er mich zuerst ins Ohr geschnitten und kurz darauf die Scherenspitze in meinen Hals gerammt hatte, erbleichte er und offerierte mir ein Glas Eptinger.

 
Morgen habe ich einen Termin beim Augenarzt. Vorsichtshalber werde ich eine Flasche Prosecco mitnehmen.

 

 

 

 

 

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