Es war ein gewöhnlicher Donnerstagmorgen im Juni 2016. Es regnete, so wie es bereits die ganze Woche geschüttet hatte. Genau besehen regnete es seit 27 Tagen, acht Stunden und 3 Minuten. Aber wer möchte das im Nachhinein schon so genau wissen. Der Verlauf des Wetters war höchstens geeignet, Melancholikern und Satirikern einen Lustgewinn zu verschaffen. Normale Menschen, zu denen gehört zweifellos auch Frau Bommel, hatten sich in den letzten Wochen im besten Fall ein Magengeschwür angejammert.
Frau Bommel, nur Freunde dürfen sie «Bommeli» nennen, ist beruflich so etwas wie Hilfsgemeindeverwalterin einer kleinen Baselbieter Gemeinde. Dort ist sie unter anderem für Freinachtbewilligungen, Gelegenheitswirtschaften und Wohnsitzbescheinigungen zuständig. Es ist unschwer zu erkennen, dass es sich hierbei um äusserst kräfteraubende und anspruchsvolle Tätigkeiten handelt. Und so wundert es niemand, dass sie schwer seufzte, als eine elegante Dame mittleren Alters ihr Büro betrat. Nur langsam hob Bommel ihren Kopf, strafte die Erscheinung kurz ab und zischte «Was-wait-ihr?»
Nun, die elegante Dame mittleren Alters hatte beschlossen, ihren Wohnsitz in die kleine Baselbieter Gemeinde zu verlegen. Nach einem Leben in der Stadt wollte sie zurück zu ihren Wurzeln, dorthin wo schon ihre Vorfahren gelebt hatten und angesehene Geschäftsleute gewesen waren. Sie hatte genug von der Stadt, vom Lärm und von der Hektik. Deshalb hatte sie sofort «Ja» gesagt, als ihr eine gute Freundin angeboten hatte bei ihr einzuziehen. Sie hätte, so meinte diese, genügend Platz in ihrem Haus; es lebe sich gut hier, in dieser kleinen Baselbieter Gemeinde inmitten von netten Menschen und Kühen.
Die Dame – sie war nicht nur elegant und mittleren Alters, sondern auch durchaus vermögend – beabsichtigte, sich an diesem regnerischen Donnerstagmorgen auf der Gemeindeverwaltung anzumelden.
«Ich wohne neu in der Vogelwaid 3, bei Tschümperli.»
«Nein, bei Tschümperli wohnen sie nicht», beschied ihr Bommel.
«Ich bin aber letzte Woche bei Tschümperlis eingezogen, also wohne ich jetzt auch bei Tschümperlis. Oder wollen sie mir unterstellen, dass ich lüge?», gab sie leicht genervt zurück.
«Nein. Aber an der Vogelwaid 3 gibt es laut meinem, von mir persönlich verwalteten Wohnungsregister nur eine Wohnung und dort wohnen Tschümperlis. Und genau deshalb können sie dort nicht wohnen! Adieu», zischte Bommel und ging nach Hause.
Und deshalb zahlt die geheimnisvolle Dame auch heute noch ihre Steuern in der grossen Stadt. Hätte Bommel gewusst, wieviel Einnahmen der Gemeinde entgangen waren, so wäre ihr wohl der Kragen geplatzt. Hätte sie zudem geahnt, dass die elegante Dame mittleren Alters immer noch bei Tschümperlis wohnt, dann wäre ihr möglicherweise auch noch die Hutschnur weggeflogen.
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