Sonntag, Oktober 28, 2018

Ulithi -26



Noch 26 Tage bis zum Abflug.

Am 23. November werden wir unsere Hütte verlassen. Es ist der dritte Versuch, das Ulithi-Atoll zu besuchen. War einmal die Airline gegroundet, war es ein anderes Mal ein ausgewachsener Taifun, der den Reiseplan durcheinander wirbelte. Besuche auf den Inseln Falalop, Asor und Mogmog sind geplant, die entsprechenden Bewilligungen wurden von Ruth-Ann und Detlef eingeholt. 
Tatsächlich kann man die Inseln Mikronesiens nicht "einfach so" besuchen, man ist auf solche Gäste nicht erpicht. Nur dank Ruth-Anns Beziehungen zum Big Chief, zum "König von Mogmog", ist unser Besuch überhaupt möglich. Schauen wir mal, was uns erwartet ... 

Bis zum 23.11. wird dieser Blog zweimal wöchentlich auf den neusten Stand gebracht. Danach folgen - wenn möglich - tägliche Updates.

Bleiben Sie dran, bleiben Sie uns treu!





Montag, Oktober 22, 2018

Kolumne Volksstimme - Rasend schnell

Kurz nach Basel bemerkte ich es das erste Mal im Rückspiegel. Etwas kam von hinten auf mich zugeschossen, überholte mich und spurte kurz vor meiner Kühlerhaube wieder ein. Am rechten Fahrbahnrand stand eine grosse Werbetafel: «Fahr ein Lächeln!» 
Kurz nach dem Wetterbericht von SRF1 sah ich ihn zum zweiten Mal. Er fuhr dicht hinter einer schwarzen Limousine und hatte offensichtlich die Absicht diese von hinten zu rammen. Unter Einsatz aller verfügbaren Mittel veranstaltete er auf der Überholspur ein Lichtgewitter mit Hupkonzert. Der Angreifer sass wild gestikulierend hinter dem Steuer und sein Vollbart erinnerte mich vage an Szenen aus Afghanistan. Sein Gesicht war wild verzerrt, seine Augen starrten mordlüstern auf den Gegner. Jedem Betrachter der Szene war klar: Der Fahrer des feindlichen Fahrzeugs würde die nächsten Kilometer nicht überleben. Da ich keine Lust verspürte, Zeuge eines blutigen Gemetzels zu werden, ging ich vom Gas und schon bald verloren sich Angreifer und Flüchtling im morgendlichen Nieselregen.

Etwas später begegnete ich ihm beim Einkaufen im Grossmarkt. Er hatte seinen Lieferwagen direkt vor dem Eingang geparkt und war dabei, Unmengen von Schachteln, Säcken und Kübeln zu verladen. Aus organisatorischen Gründen hatte er sein Autodach zum Zwischenlager für Schweinehälften umgenutzt und neben der offenen Fahrertür standen die Kartons mit den argentinischen Filets auf dem sauberen Parkplatz. Beim Verladen der Bierdosen lösten sich zwei Kistchen Tomaten aus ihrer Verankerung. Und wie der Käse in der Werbung kullerten sie fröhlich hüpfend über den Parkplatz und versteckten sich arglistig unter den geparkten Autos. Ohne Hemmungen warf er sich auf den Boden und robbte unter die Autos. Schon nach kurzer Zeit hatte er die Flüchtigen wieder eingefangen. Ich hatte Zeit, das Mordinstrument genauer zu betrachten. Es war grau, gross und dreckig und trug die Aufschrift eines bekannten Restaurants: «Hier kocht der Chef!»

Es ist ja sicher eine gute Idee, Geschäftsautos mit Werbung zu versehen. Solche Werbung kann jedoch ganz schnell das Gegenteil bewirken. Denn manchmal werden solche Autos von Menschen gefahren, die sich im Strassenverkehr völlig rücksichtslos benehmen. Zu dieser Gattung gehören leider auch viele Fahrer der Post und andere Paketzusteller.

Möchte ich wirklich einen Maler in meine Wohnung lassen, der regelmässig viel zu schnell durchs Dorf fährt? Würde ich dem Getränkehändler, der mir bereits zweimal die Vorfahrt abgeschnitten hat, zwei Kisten Bier abkaufen? Und was ist mit dem Architekten, der mich auf dem Zebrastreifen beinahe aufgeladen hätte? Den werde ich niemals mein neues Haus bauen lassen! Ich werde zwar kein Haus bauen, meine Wohnung genügt mir vollauf. Deshalb benötige ich auch keinen Maler und das Bier trinke ich am liebsten auswärts. Allerdings nicht beim rasenden Chefkoch.

Nur gerade bei den Pöstlern werde ich nachsichtig sein und ein Auge zudrücken. Sie könnten ja meine Bratwürste aus St.Gallen an Bord haben.










Montag, Oktober 08, 2018

Volksstimme - Würstchen im Computer


Als Ostschweizer liegen mir Würste nicht nur am Herzen, sondern manchmal auch auf dem Magen. Ich esse sie leidenschaftlich gerne. Aber immer öfter verschafft mir diese Leidenschaft jedoch tatsächlich Leiden. Was in der sommerlichen Schweiz wieder an Schützenfesten und an privaten Grillpartys als Bratwurst aufgetischt wird, lässt St.Galler erbleichen und Thurgauer weinen. Von Fett triefende, manchmal auch Wasser lösende wurstförmige Erzeugnisse bräteln auf schlecht gereinigten Grillstäben und mitunter Feuer schlagend vor sich hin. Mal sehen sie aus wie nach einem Bombenangriff, mal sind sie nach Art der Kopfjäger geschrumpft. Nicht einmal mit Senf ─ von eigentlichen Wurstdilettanten zur geschmacklichen Aufbesserung aus verschmutzten Tuben gepresst ─ können solche Würstlinge noch gerettet werden. Aber auch was Metzgermeister zwischen die besungenen zwei Enden stopfen, ist wahrlich nicht immer meisterlich. Geradezu wurstverachtend ist die Methode, bereits die Würste mit Ketchup zu füllen. Es ist wirklich zum «aus der Haut fahren!». Aber das ist eigentlich die Aufgabe der Wurst. Genauso wie es die Aufgabe der Post wäre, mir diese pünktlich zu liefern.

Um den Wurstgenuss am diesjährigen Nationalfeiertag sicherzustellen, habe ich meine Bratwürste in St.Gallen bestellt. Der Metzger wird, die am frühen Morgen produzierten Würste am Montag zur Post bringen. Sie werden mir am Dienstag bis spätestens 9 Uhr zugestellt.

9 Uhr ist vorbei, keine Post weit und breit. Auch vierzig Minuten später sind noch keine Würste in Sicht. Ein Anruf beim Metzger bestätigt den pünktlichen Versand der Waren, ich erhalte von ihm eine Paketnummer. Um 10 Uhr ist immer noch kein gelber Wagen zu sehen, ich rufe bei der Post an. Haben Sie jetzt gelacht? Richtig! Die Post hat nämlich keine Telefonnummer! Man kann zwar im Bundeshaus anrufen, sogar einzelne Bundesräte sind im Telefonbuch zu finden. Nicht jedoch die Post.

Die Telefon-Auskunft, sie kostet so viel wie drei Bratwürste, verweist auf den Kundendienst der Post. Dort will ein Computer für 8 Rappen pro Minute allerhand Dinge von mir wissen, Nummern müssen eingetippt werden, zum Abschied wird man auf eine Web-Seite verwiesen. «Herzlich willkommen. Sie befinden sich im Kundencenter.» Ich befinde mich also IM Kundendienst-Computer der Post. «Sie haben ein Anliegen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.»

Nein, liebe Pöstler, das haben Sie nicht getan! Ihre Marketingabteilung produziert zwar Heissluftsalven wie: «Wir begegnen unseren Kunden auf Augenhöhe. Unsere Angebote sind einfach, verständlich und unkompliziert.» Nein, sind sie nicht. Wie viele andere Unternehmen verstehen sie unter der Bezeichnung «Kundendienst» etwas völlig anderes als die Mehrzahl ihrer Kunden. Sie sind nicht auf Augenhöhe. Genauso wenig wie ihr Computer!

Etwas später, ich sitze immer noch IM Computer, spricht dieser zu mir: «Die Sendung wird voraussichtlich heute eintreffen.» Sie sind dann auch «voraussichtlich» verspätet eingetroffen. Das Wort «Entschuldigung» aber kennt der Postcomputer nicht.

Kolumne erschienen in der VOLKSSTIMME 4450 Sissach



Mittwoch, Oktober 03, 2018

Ulithi - Hai-Land?



Das Wort „Hai“ löst ja bei vielen Menschen ein unwohles Kribbeln in der Magengegend aus. Sofort findet unsere geistige Festplatte die passenden Geräusche aus dem Weissen Hai – schhrrriip – schrrrriip, schnappp. Spätestens seit diesem Film wissen wir, dass Haie fürchterliche, blutrünstige Bestien sind. Sie bestehen im Wesentlichen aus einer Rückenflosse, die neckisch aus dem Meer lugt und einem Kiefer mit Tausenden von Zähnen. Für jeden Dentisten die Herausforderung seines Lebens!
Dag Svensson, der alte Schwede, hatte sich wirklich sorgfältig auf seinen ersten Tauchgang vorbereitet und beschloss, erstmals in seinem Leben einem richtigen Hai zu begegnen. So hatte er sich jedes verfügbare Fachbuch besorgt, las besorgniserregende Berichte über menschenfressende Bestien und beschäftigte sich ausführlich mit wissenschaftlichen Studien über deren Angriffslustigkeit.
Mit Erleichterung stellte er fest, dass nur wenige der über 350 Arten zu den potenziellen Menschenfressern gehören. Der Erleichterung folgte jedoch die Sorge darüber, ob die Haie denn auch über das gleiche Wissen verfügen.
Dag prägte sich die farbigen Abbildungen gründlich ein und beschäftigte sich wochenlang mit dem Themenschwerpunkt: „Wie verhalte ich mich, wenn ich einem Hai begegne.“
 Beim Einschlafen zählte er fortan farbige Fischlein und stellte sich bildlich vor, wie seine erste Begegnung mit der Bestie der Meere verlaufen würde.
Es war ein Tag wie jeder andere. Gemütlich schwamm Dag zwischen Steinkorallen umher und bewunderte Nacktschnecken und andere Schleimer, als er das Grauen erblickte.
Der schwimmende Kiefer raste direkt auf ihn zu, bleckte seine 850 Zähne und starrte ihn aus kalten Augen an. Dag versucht sich an die Anweisungen im Handbuch zu erinnern. Da ihm dies nicht gelang, wechselte er gekonnt das Thema, dachte an die letzte Zahnarztrechnung und freute sich daran nur 32 Zähne zu haben.
Als er sich wieder dem Hai zuwenden wollte, war dieser längst verschwunden. Dag war wütend und masslos enttäuscht. Dieser arrogante Hühnerdieb hatte ihn überhaupt nicht zur Kenntnis genommen! Er hatte ihn einfach ignoriert und nicht einmal mit einer imaginären Wimper gezuckt. Was Dag nicht wusste: Der Kiefer hatte sich angesichts des in Neopren gekleideten Tauchers totgelacht und lag bereits als Wasserleiche hinter dem nächsten Riff.
Dag hatte mit der Zeit gelernt, die Haie zu ignorieren. Es gab wesentlich unangenehmere Zeitgenossen! So erdreistete sich unlängst eine Muräne, ihn in die linke Arschbacke zu beissen. Aber er hatte – obwohl er mehrmals von angeblich giftigen Bissen gewarnt worden war – auch diese Begegnung überlebt.
Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass er dem armen Vieh den Ausgang aus dessen Höhlenwohnung verdeckt hatte. Als nun das allerherzigste Muränlein sein Appartement verlassen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als tüchtig rein zu beissen. Infolge seines kleines Kiefers und der Grösse des Objekts seiner Begierde erwies sich der Biss jedoch vergleichsweise harmlos. Allerdings gab das Resultat der Muräne recht: Dag änderte seine Position, zog sich gegen rechts und hielt sich mit der Linken an einem Korallenstock fest.
Dieses Ansinnen gefiel jedoch der Besitzerin der dortigen Attikawohnung nicht: Muräne Nr. 2 biss Dag herzhaft in den Ellenbogen und hinterliess zwei stecknadelgrosse Einstiche. Dag entschied sich die unwirtliche Gegend zu verlassen und schwamm gemächlich weiter.
Plötzlich wurde es dunkel: Ein Tintenfisch ansehnlicher Grösse hatte sich mitten auf seine Taucherbrille gesetzt und sich dort mit allen acht Füssen festgesaugt. Er hatte im spiegelnden Glas eine potenzielle Octopussy entdeckt und versuchte mit ihr anzubandeln. Dag wollte den beiden Turtelfüsslern diese Freude nicht verweigern, setzte sich auf den nächsten Stein und tat, was er am besten konnte: Er wartete ab.
Und während er so vor sich hin wartete, spürte er, wie er angeknabbert wurde. Nicht die Liebenden auf seiner Taucherbrille waren es, die ihm kleine Fleischstücke aus seinen Armen rissen, sondern herzige, kleine Fische. Mit dem Mut der Verzweiflung oder der puren Lust an Menschenfleisch bissen sie an Dag herum. Dies aber wollte sich unser tapferer Schwede nun wirklich nicht gefallen lassen. Er verscheuchte die ganze Brut und wandte sich wieder den schönen Dingen des Lebens zu.
Er hatte nicht mit Aristoteles dem alten Barrakuda gerechnet! Sofort versuchte er sich an die Worte von Vater Gutgenug zu erinnern. Und obwohl er wusste, dass dieser im Grossen und Ganzen davon lebte, seinen Schäfchen Märchen aufzutischen, blieb Dag nichts anderes übrig, als auf die göttlichen Regeln zu vertrauen.
Regel Nr. 1: Grosse Barrakudas sind sehr gefährlich! Diese „Silberschuppen“ sind Einzelgänger und greifen jeden noch so geschmackslosen Taucher sofort an. Kleine Barrakudas hingegen treten meistens im Schwarm auf und sind gutartig wie eine Herde Suppenhühner.
Regel Nr. 2: Kleine Barrakudas im Schwarm sind sehr gefährlich und greifen jeden noch so geschmackslosen Taucher sofort an. Ein grosser Barrakuda hingegen ist gutartig wie ein altes Suppenhuhn.
Regel Nr. 3: Bestimme nun die Grösse des hinter dir herschwimmenden Barrakudas und wende wahlweise Regel Nr. 1 oder Nr. 2  an.

P.S. Den Namen Aristoteles erhielt der alte Barrakuda von der Schweizerin Gertrud Aenishänsli aus Finsterhennen. Sie hatte ein Preisausschreiben der Firma Goldfischli gewonnen und durfte erstmals in ihrem Leben einen Fisch taufen. Herzliche Gratulation!

Aus dem Buch IKEFANG UND GUTGENUG 
Hanspeter Gsell, 
Verlag Bod