Montag, Oktober 08, 2018

Volksstimme - Würstchen im Computer


Als Ostschweizer liegen mir Würste nicht nur am Herzen, sondern manchmal auch auf dem Magen. Ich esse sie leidenschaftlich gerne. Aber immer öfter verschafft mir diese Leidenschaft jedoch tatsächlich Leiden. Was in der sommerlichen Schweiz wieder an Schützenfesten und an privaten Grillpartys als Bratwurst aufgetischt wird, lässt St.Galler erbleichen und Thurgauer weinen. Von Fett triefende, manchmal auch Wasser lösende wurstförmige Erzeugnisse bräteln auf schlecht gereinigten Grillstäben und mitunter Feuer schlagend vor sich hin. Mal sehen sie aus wie nach einem Bombenangriff, mal sind sie nach Art der Kopfjäger geschrumpft. Nicht einmal mit Senf ─ von eigentlichen Wurstdilettanten zur geschmacklichen Aufbesserung aus verschmutzten Tuben gepresst ─ können solche Würstlinge noch gerettet werden. Aber auch was Metzgermeister zwischen die besungenen zwei Enden stopfen, ist wahrlich nicht immer meisterlich. Geradezu wurstverachtend ist die Methode, bereits die Würste mit Ketchup zu füllen. Es ist wirklich zum «aus der Haut fahren!». Aber das ist eigentlich die Aufgabe der Wurst. Genauso wie es die Aufgabe der Post wäre, mir diese pünktlich zu liefern.

Um den Wurstgenuss am diesjährigen Nationalfeiertag sicherzustellen, habe ich meine Bratwürste in St.Gallen bestellt. Der Metzger wird, die am frühen Morgen produzierten Würste am Montag zur Post bringen. Sie werden mir am Dienstag bis spätestens 9 Uhr zugestellt.

9 Uhr ist vorbei, keine Post weit und breit. Auch vierzig Minuten später sind noch keine Würste in Sicht. Ein Anruf beim Metzger bestätigt den pünktlichen Versand der Waren, ich erhalte von ihm eine Paketnummer. Um 10 Uhr ist immer noch kein gelber Wagen zu sehen, ich rufe bei der Post an. Haben Sie jetzt gelacht? Richtig! Die Post hat nämlich keine Telefonnummer! Man kann zwar im Bundeshaus anrufen, sogar einzelne Bundesräte sind im Telefonbuch zu finden. Nicht jedoch die Post.

Die Telefon-Auskunft, sie kostet so viel wie drei Bratwürste, verweist auf den Kundendienst der Post. Dort will ein Computer für 8 Rappen pro Minute allerhand Dinge von mir wissen, Nummern müssen eingetippt werden, zum Abschied wird man auf eine Web-Seite verwiesen. «Herzlich willkommen. Sie befinden sich im Kundencenter.» Ich befinde mich also IM Kundendienst-Computer der Post. «Sie haben ein Anliegen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.»

Nein, liebe Pöstler, das haben Sie nicht getan! Ihre Marketingabteilung produziert zwar Heissluftsalven wie: «Wir begegnen unseren Kunden auf Augenhöhe. Unsere Angebote sind einfach, verständlich und unkompliziert.» Nein, sind sie nicht. Wie viele andere Unternehmen verstehen sie unter der Bezeichnung «Kundendienst» etwas völlig anderes als die Mehrzahl ihrer Kunden. Sie sind nicht auf Augenhöhe. Genauso wenig wie ihr Computer!

Etwas später, ich sitze immer noch IM Computer, spricht dieser zu mir: «Die Sendung wird voraussichtlich heute eintreffen.» Sie sind dann auch «voraussichtlich» verspätet eingetroffen. Das Wort «Entschuldigung» aber kennt der Postcomputer nicht.

Kolumne erschienen in der VOLKSSTIMME 4450 Sissach



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.