Basel
ist wohl die einzige Stadt in der Schweiz in welcher der Frühling
auch gleichzeitig Herbst ist. Es wird nämlich nicht nur angesät
sondern gleichzeitig auch heftig geerntet. Das Erntedankfest heisst
Baselworld.
Das
Glitzern der edlen Steine, das Funkeln teurer Uhren und das gehäufte
Auftreten einer internationalen Kundschaft mit scheinbar
unerschöpflichen Spesenbudgets wirkte auch dieses Jahr höchst
ansteckend und führt zu seltsamen Auswüchsen. Liebevolle Hoteliers
vermieteten ihre Lingerie als Suite mitleidsvoll an indische
Goldhändler. Sogar auf ihre eigenen Wohnungen verzichteten sie
grosszügig und überliessen sie Goldgräbern aus Südafrika. Die
leer stehenden Personalzimmer – für die eigenen Mitarbeiter doch
etwas zu dürftig – wurden meistbietend armen, wohnsitzlosen
Diamantenhändlern aus New York vermietet.
Aber
auch Restaurants liessen es spriessen. Damit die armen Uhrmacher ihre
Budgets voll ausschöpfen konnten, wurden die Preise liebevoll
erhöht. Mein Lieblingswirt hat sein diesjähriges Erntedankfest um
eine neue Variante erweitert. Da seine Preise bereits vor der Messe
bedenklich hoch waren, hat er schlicht und einfach die Portionen
verkleinert. Die „Insalata caprese“ (Fr. 19.50) schrumpfte er
mittels gastronomischer Telekinese von ursprünglich je vier auf
gerade noch je zwei (2!) hauchdünne Scheiben Mozzarella und Tomaten
(immer noch Fr. 19.50). Da mein Freund Max seine Kontaktlinsen zu
Hause vergessen hatte, konnte er das Salätchen nicht erkennen und
stocherte mit seiner, zum Blindenstock umfunktionierten Gabel,
lustlos vor sich hin. Ich erbarmte mich seiner und überliess ihm
meine Lesebrille. Wortlos ergriff er die beiden Käsescheiben, klebte
sie auf die Brille und griff zur Zeitung. Noch heute morgen
behauptete er, er hätte die dicke BAZ durch den dünnen Käse lesen
können, wenn ihn nicht der Oberkellner aufgefordert hätte, das
Lokal unverzüglich zu verlassen.
Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com
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