Donnerstag, Juni 05, 2014

Falschbrater

Der Mensch brät seit Jahrtausenden. Unsere Vorfahren schmissen Filetspitzen vom Säbelzahntiger in die Glut oder hielten einen Mammutspiess ins offene Feuer. Andere erfanden den heissen Stein und brätelten darauf zarte Schnitzel vom Wollnashorn. Wissenschaftler wollen wissen, dass der Mensch erst durch das Braten zum Mensch geworden ist. Steaks, Koteletts und auch Rüben waren plötzlich leichter zu kauen, der Kiefer wurde kleiner, brauchte weniger Platz im Schädel. Diese Tatsache führte zur Hirnschädelvergrösserung und das Hirn wuchs tatsächlich weiter. Leider nicht bei allen, wie wir immer wieder schmerzlich feststellen müssen.
Ich brate mein Steak in Tante Marthas gewaltfrei geschmiedeter Eisenpfanne. Olivenöl erhitzen bis sich Bläschen am Holzlöffel bilden, Steak rein, anbraten, Steak wenden, braten, warten, fertig, essen. Seit gestern weiss ich, dass ich Falschbrater bin. Denn nicht bei allen Primaten hat die Schädelvergrösserung zur Menschwerdung geführt. Bei einigen ist das Gehirn offensichtlich geschrumpft. So zum Beispiel beim Mitarbeiter eines britisch-holländischen Konzerns. Wie jeden Abend hatte er die Worte seines Vorsitzenden in sein Nachtgebet eingeschlossen. „Wir werden neue Wege für unser Geschäft entwickeln, die es uns ermöglichen, die Grösse unseres Unternehmens zu verdoppeln, während wir die Auswirkungen auf die Umwelt verringern.“ Amen. Am nächsten Tag beschloss er, den allseits geschätzten Kochlöffeltest für ungültig zu erklären und erfand ein Fett bei dem die Bläschen verschwinden, wenn es genug heiss ist. Eine überbezahlte Hornbrille aus der Werbeabteilung textete am frühen Sonntagmorgen beim Fliegenfischen: „Fetty mit dem Bratstartsignal – und die Bläschen verschwinden! Fetty braucht der Mensch!“ Noch sind die Auswirkungen des Bratstartsignals auf die Umwelt – sowie auf die geistige Gesundheit der Menschheit – nicht bekannt.


Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com








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