Wir erreichen Montelupo um die
Mittagszeit. Der Schulbus hat eben eine Ladung Schüler ausgespuckt,
auf lärmigen Motorrädern fahren die ältern Jugendlichen nach
Hause, verbeulte Cinquecentos brummeln gemächlich durch die engen
Gassen. Türen fallen krachend ins Schloss, aus offenen Fenstern
rufen Mamas und Nonnas nach Kind und Kegel. Zwei Traktoren liefern
sich ein Rennen. Dann wird es ruhig. Der Dorfpolizist zieht seinen
Hut aus und lockert den Gurt, setzt sich zu Maria in die Bar „Roma“.
Nicht nur Montelupo, ganz Italien verfällt in die tägliche
Mittagsstarre. Die Welt könnte untergehen, in Italien würde man
nichts davon merken. Nach zwei Gläsern Frizzante und einer Schale
gesalzener Erdnüsse fragen wir Maria nach dem Weg zu Stefano
„Zu Stefano wollt ihr? Zu welchem
Stefano?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Kein
Problem! Bei der Kirche links, beim nächsten Rotlicht rechts, an der
Schule vorbei und dann scharf links. 2 Kilometer geradeaus, bei
Traktor zweimal rechts und schon seid ihr bei Stefano! Ciao!“
„Aber in Montelupo gibts gar keine
Rotlichter!“ meinte der Polizist.
„Halt die Klappe!“ antwortete
Maria. „Was weisst denn du schon! Früher gabs eins bei der
Gemeindeverwaltung!“
Ich liebe Italien! Nie hätte
irgendeine Maria gesagt, sie hätte keine Ahnung wo irgendein Stefano
wohne. Und hätte ich sie nach der oberen Rheingasse, dem Spalenberg
oder der Gundeldingerstrasse gefragt, sie hätte mir sofort eine
Wegbeschreibung gegeben. Sie hätte mir auch noch anerboten, mein
klapperndes Auto zu reparieren, mir dabei die Aufstellung der AS Roma
anlässlich des letzten Testspiels gegen Verona aufgesagt und alle
Politiker in Rom zum Teufel geschickt.
Natürlich wussten wir, wo Stefano
wohnte. Aber das Strassenfindungsritual in Italien ist einfach zu
schön, um es auszulassen.
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