Sonntag, November 16, 2014

Montelupo

Wir erreichen Montelupo um die Mittagszeit. Der Schulbus hat eben eine Ladung Schüler ausgespuckt, auf lärmigen Motorrädern fahren die ältern Jugendlichen nach Hause, verbeulte Cinquecentos brummeln gemächlich durch die engen Gassen. Türen fallen krachend ins Schloss, aus offenen Fenstern rufen Mamas und Nonnas nach Kind und Kegel. Zwei Traktoren liefern sich ein Rennen. Dann wird es ruhig. Der Dorfpolizist zieht seinen Hut aus und lockert den Gurt, setzt sich zu Maria in die Bar „Roma“. Nicht nur Montelupo, ganz Italien verfällt in die tägliche Mittagsstarre. Die Welt könnte untergehen, in Italien würde man nichts davon merken. Nach zwei Gläsern Frizzante und einer Schale gesalzener Erdnüsse fragen wir Maria nach dem Weg zu Stefano
 
„Zu Stefano wollt ihr? Zu welchem Stefano?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Kein Problem! Bei der Kirche links, beim nächsten Rotlicht rechts, an der Schule vorbei und dann scharf links. 2 Kilometer geradeaus, bei Traktor zweimal rechts und schon seid ihr bei Stefano! Ciao!“

„Aber in Montelupo gibts gar keine Rotlichter!“ meinte der Polizist.

„Halt die Klappe!“ antwortete Maria. „Was weisst denn du schon! Früher gabs eins bei der Gemeindeverwaltung!“

Ich liebe Italien! Nie hätte irgendeine Maria gesagt, sie hätte keine Ahnung wo irgendein Stefano wohne. Und hätte ich sie nach der oberen Rheingasse, dem Spalenberg oder der Gundeldingerstrasse gefragt, sie hätte mir sofort eine Wegbeschreibung gegeben. Sie hätte mir auch noch anerboten, mein klapperndes Auto zu reparieren, mir dabei die Aufstellung der AS Roma anlässlich des letzten Testspiels gegen Verona aufgesagt und alle Politiker in Rom zum Teufel geschickt.

Natürlich wussten wir, wo Stefano wohnte. Aber das Strassenfindungsritual in Italien ist einfach zu schön, um es auszulassen.

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