„Haben sie einen
Ausweis?“
„Ausweis? Welchen Ausweis
benötige ich denn für einen Museumsbesuch?“
„Wollen sie den keinen
verbilligten Eintritt? Den AHV-Ausweis natürlich!“
Vorsichtshalber drehte
ich mich um. Vielleicht hatte die nette Dame gar nicht mich gemeint. Doch da
war weit und breit kein Mensch zu sehen. Also doch! Nachdem mir bereits letzte
Woche ein junges Mädchen im Tram seinen Platz angeboten hatte, wurde ich nun
von diesem Museumsdrachen endgültig aus dem Leben pensioniert.
Nach einigen Minuten
tiefster Depression beschloss ich, das Beste aus der Situation zu machen und
bestellte im hinteren Sternen das AHV-Menu. Der Hirsebrei mit vereinzelten
vorgekauten Brätkügeli riss mich beinahe vom Stuhl. Man hatte mich nicht nur
pensioniert, sondern wollte mich gleichzeitig auch noch verhungern lassen! Ich
habe ja durchaus Verständnis, dass sich meine AHV-Ausgleichskasse angesichts
der leeren Kassen meiner entledigen möchte. Aber Hungertod? Nein danke! Nun
gut: Verdursten wäre schlimmer. Ich machte die Probe aufs Exempel und bestellte
in der nächsten Beiz ein AHV-Tschumpeli. Für Spätgeborene: Ein AHV-Tschumpeli
ist meistens ein Deziliter Rotwein obskurer Herkunft. Rotwein deshalb, weil Wirte
davon ausgehen, dass Pensionierte generell eine schwache Blase haben und
deshalb keinen Weissen mehr trinken sollten. Ich gebe zu, dass ich angesichts
des servierten Getränks etwas ängstlich war. Grosszügig spendierte ich das Glas
dem Alten vis-à-vis. Als dieser tot vom Stuhl fiel, war ich mir sicher: Man
wollte mich nicht nur verhungern, sondern auch verdursten lassen!
Ich begab mich deshalb
zurück zum Museumsdrachen und machte die Pensionierung rückgängig, indem ich
ihm den AHV-Rabatt in Franken und Rappen zurückerstattete. Er fauchte zwar und
spie Feuer, was mich nicht sonderlich beeindruckte. Mit einem Lied auf den Lippen
verliess ich den Ort des Grauens, begab mich ins nächste Reisebüro und buchte
eine Reise nach Hiva Oa. Dort kann man sich die Gauguins nämlich auch ohne
AHV-Ausweis anschauen.
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