Donnerstag, September 20, 2018

Ulithi Der Kaiser von Lucastan

Wir schreiben September 1944 und es begab sich auf der kleinen Insel Mogmog im Ulithi-Atoll, nordöstlich von Yap, in der Mitte von bloody-damn-all. Für SUV-Besitzer hier die Koordinaten für das Navigationssystem: 9º 47’ N, 140º 7’ E.  
Die Richtung Japan vorrückenden amerikanischen Truppen hatten über der von feindlichen Soldaten besetzten Insel Flugblätter abgeworfen, um die Einheimischen vor der bevorstehenden Invasion zu warnen. Trotzdem traf sich der amerikanische Küchengehilfe Bob K. heimlich und in der Hitze der Nacht mit Prinzessin Kalara, der Tochter von König Ueg zu einem tropischen Techtelmechtel. Sie waren die ersten und letzten Toten des Kampfes um die Insel. Die Prinzessin erhielt ein Staatsbegräbnis, der Koch wurde auch nicht berühmt.
Einige Monate später, die Insel war in der Zwischenzeit von der amerikanischen Armee besetzt und übernommen worden, traf sich der Vorgesetzte von Bob, Küchenchef Stewart „Stu“ Lucas mit König Ueg von Mogmog zum Kartenspiel. Stu, seines Zeichens Oberfeldwebel und gerichtsnotorischer Falschspieler, hatte leichtes Spiel und zog Seine Majestät in kürzester Zeit über den Tisch beziehungsweise über die Steinplatte. Er besiegte ihn mit einem Blatt aus vier Achten und einem einäugigen Buben. Sein Gewinn: ein gutes Drittel der Insel Mangajang.
Stu zögerte nicht lang, gründete die „Freie Republik Lucastan“ und putschte sich unverzüglich zum Kaiser auf Lebenszeit. Er nannte sich fortan The Grand Panjandrum, das siegreiche Pokerblatt ziert die Flagge des neuen Ländles.
 Politologen, die sich mit der Geschichte Lucastans befassen meinen jedoch, dass es sich hier unter keinen Umständen um eine Republik handle, sondern bestenfalls um eine „dezentralisierte, demokratische Diktatur“. So regiert der Kaiser zwar mit absoluter Autorität, trotzdem kann jeder machen, was er will.
Manche bezeichnen diese Regierungsform auch als ein „entparlamentarisiertes System“. Das heisst, jeder kann ein Ministerium gründen, es verkaufen, verschenken oder stehlen. Entscheidungen werden je nach Lust und Laune gefällt, widerrufen oder in Frage gestellt.
Lucastan hat weder ein Weisses Haus noch sonst ein Haus, unterhält jedoch zahlreiche Konsulate auf der ganzen Welt. Sämtliche Bürger von Lucastan sind per Gesetz automatisch Konsuln auf Lebenszeit und geniessen diplomatische Immunität. Wahlen kann jeder jederzeit verlangen. Zum Beispiel wenn bestimmt werden muss, wer um die Ecke zum Chinesen gehen soll.
Etwas eigenartig ist die Tatsache, dass keiner der Bürger in Lucastan wohnt, die ganze Bevölkerung lebt im Exil. Zum Bürger ernannt wurde jeder der am Gründungstag der Republik zufällig anwesend war.
Die Haupteinnahmequellen von Lucastan sind das Offshorebanking, Steuerflüchtlinge, die Geldspielerei, Whiskyschmuggel und die illegale Entsorgung von Handfeuerwaffen. In Lucastan gibt es keine Einkommenssteuern, da die Einnahmen aus Bestechung und Korruption vollauf genügen.
Die Staatsbank verfügte per Ende 2002 über folgendes Vermögen:  
Zwölf US-Dollars, 10’000 Reichsmark, eine 1’000-Cruzeiro-Note aus Brasilien, zehn holländische Gulden, eine fotokopierte 1-Milliarden-Banknote der Bank of Zimbabwe aus dem Jahre 2000. Ein reiches Sortiment an Monopoly-Geld, unter anderem eine „Verlasse das Gefängnis“-Karte sowie eine „Gehe auf direktem Weg ins Gefängnis“-Karte. Im weiteren zwei 10-Dollar-Coupons von Mac Donalds New York und drei französische Postkarten von den Neuen Hebriden (nicht barbusig).
Dazu kamen mehrere hölzerne Dollar aus Aserbaidschan, Kleingeld aus Aruba, Somalia und Turkmenistan, einige wertlose Aktien sowie eine ungültige Visa-Karte.
Im Jahre 2002 wurde die Universität von Lucastan gegründet. Sie bietet nach eigenen Angaben Studien in verschiedenen Disziplinen an, ohne jedoch Disziplin zu verlangen – ausser „man stehe auf so etwas“.
Angeboten werden Kurse in post-rationaler Diskurstechnik, ökologischer Ambivalenz, Feng-Shui-Mathematik, unpopuläre Kulturen, Befestigungstechnik beim Fliegenfischen sowie die Topografie von Diagrammen feministischer Nadelarbeiten.

Aus dem Buch IKEFANG UND GUTGENUG
Hanspeter Gsell, Verlag BoD





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