Wir schreiben September 1944 und es begab
sich auf der kleinen Insel Mogmog im Ulithi-Atoll, nordöstlich von Yap, in der
Mitte von bloody-damn-all. Für
SUV-Besitzer hier die Koordinaten für das Navigationssystem: 9º 47’ N, 140º 7’
E.
Die Richtung
Japan vorrückenden amerikanischen Truppen hatten über der von feindlichen
Soldaten besetzten Insel Flugblätter abgeworfen, um die Einheimischen vor der
bevorstehenden Invasion zu warnen. Trotzdem traf sich der amerikanische
Küchengehilfe Bob K. heimlich und in der Hitze der Nacht mit Prinzessin Kalara,
der Tochter von König Ueg zu einem tropischen Techtelmechtel. Sie waren die
ersten und letzten Toten des Kampfes um die Insel. Die Prinzessin erhielt ein
Staatsbegräbnis, der Koch wurde auch nicht berühmt.
Einige Monate
später, die Insel war in der Zwischenzeit von der amerikanischen Armee besetzt
und übernommen worden, traf sich der Vorgesetzte von Bob, Küchenchef Stewart
„Stu“ Lucas mit König Ueg von Mogmog zum Kartenspiel. Stu, seines Zeichens Oberfeldwebel
und gerichtsnotorischer Falschspieler, hatte leichtes Spiel und zog Seine
Majestät in kürzester Zeit über den Tisch beziehungsweise über die Steinplatte.
Er besiegte ihn mit einem Blatt aus vier Achten und einem einäugigen Buben.
Sein Gewinn: ein gutes Drittel der Insel Mangajang.
Stu zögerte nicht
lang, gründete die „Freie Republik Lucastan“ und putschte sich unverzüglich zum
Kaiser auf Lebenszeit. Er nannte sich fortan The Grand
Panjandrum, das siegreiche Pokerblatt ziert die Flagge des neuen
Ländles.
Politologen, die sich mit der
Geschichte Lucastans befassen meinen jedoch, dass es sich hier unter keinen
Umständen um eine Republik handle, sondern bestenfalls um eine „dezentralisierte,
demokratische Diktatur“. So regiert der Kaiser zwar mit absoluter Autorität, trotzdem
kann jeder machen, was er will.
Manche bezeichnen
diese Regierungsform auch als ein „entparlamentarisiertes System“. Das heisst,
jeder kann ein Ministerium gründen, es verkaufen, verschenken oder stehlen.
Entscheidungen werden je nach Lust und Laune gefällt, widerrufen oder in Frage
gestellt.
Lucastan hat
weder ein Weisses Haus noch sonst ein Haus, unterhält jedoch zahlreiche
Konsulate auf der ganzen Welt. Sämtliche Bürger von Lucastan sind per Gesetz
automatisch Konsuln auf Lebenszeit und geniessen diplomatische Immunität.
Wahlen kann jeder jederzeit verlangen. Zum Beispiel wenn bestimmt werden muss,
wer um die Ecke zum Chinesen gehen soll.
Etwas eigenartig
ist die Tatsache, dass keiner der Bürger in Lucastan wohnt, die ganze
Bevölkerung lebt im Exil. Zum Bürger ernannt wurde jeder der am Gründungstag
der Republik zufällig anwesend war.
Die
Haupteinnahmequellen von Lucastan sind das Offshorebanking, Steuerflüchtlinge, die
Geldspielerei, Whiskyschmuggel und die illegale Entsorgung von Handfeuerwaffen.
In Lucastan gibt es keine Einkommenssteuern, da die Einnahmen aus Bestechung
und Korruption vollauf genügen.
Die Staatsbank
verfügte per Ende 2002 über folgendes Vermögen:
Zwölf US-Dollars,
10’000 Reichsmark, eine 1’000-Cruzeiro-Note aus Brasilien, zehn holländische
Gulden, eine fotokopierte 1-Milliarden-Banknote der Bank of Zimbabwe aus dem Jahre 2000. Ein
reiches Sortiment an Monopoly-Geld, unter anderem eine „Verlasse das Gefängnis“-Karte
sowie eine „Gehe auf direktem Weg ins Gefängnis“-Karte. Im weiteren zwei
10-Dollar-Coupons von Mac Donalds New
York und drei französische Postkarten von den Neuen Hebriden (nicht barbusig).
Dazu kamen mehrere
hölzerne Dollar aus Aserbaidschan, Kleingeld aus Aruba, Somalia und Turkmenistan,
einige wertlose Aktien sowie eine ungültige Visa-Karte.
Im Jahre 2002
wurde die Universität von Lucastan gegründet. Sie bietet nach eigenen Angaben
Studien in verschiedenen Disziplinen an, ohne jedoch Disziplin zu verlangen – ausser
„man stehe auf so etwas“.
Angeboten werden
Kurse in post-rationaler Diskurstechnik, ökologischer Ambivalenz, Feng-Shui-Mathematik,
unpopuläre Kulturen, Befestigungstechnik beim Fliegenfischen sowie die Topografie
von Diagrammen feministischer Nadelarbeiten.
Aus dem Buch IKEFANG UND GUTGENUG
Hanspeter Gsell, Verlag BoD
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