Vom Autor des Buches IMMER WIEDER FERNWEH - Logbuch eines Inselsammlers - erschienen bei BoD
Hanspeter Gsell
Es gibt Inseln, die einzig einem
bestimmten Zweck dienen. Nehmen wir zum Beispiel Ikik. Dieser Sandhaufen liegt
rund sieben Paddelstunden nördlich von Ik. Aufgrund der entfernten Lage dient
Ikik seit Generationen als Jugendstrafvollzugsanstalt. Nachdem vor einigen
Jahren ein paar Jungs beim Tütenrauchen versehentlich das Grundbuchamt
abgefackelt hatten, wurden sie von Paramount-Chief
Otto nach Ikik in die Verbannung geschickt.
Jetzt lebten sie
weit weg von den Versuchungen der vermeintlichen Zivilisation und konnten
gemächlich ihr Mütchen kühlen. Nur manchmal brauten sie sich einen Schoppen
Palmwein.
Zu diesem Zweck
steigt man mit ein paar leeren Flaschen auf die nächste Palme. Man knickt einen
dicken Stängel um, steckt diesen in den Flaschenhals und fängt das tröpfelnde
Nass auf. Ist die Flasche voll, holt man sie herunter und stellt sie in die
Sonne. Da die Flüssigkeit zuckerhaltig ist, startet bald einmal die
Fermentation, der Saft wird zum Weinchen, nennt sich Falupa und bereichert das dürftige Abendmahl. Zufrieden setzt man sich
unter einen knorrigen Brotfruchtbaum, erzählt sich alte Geschichten und singt
traurige Lieder.
Das Menu auf der Insel ist nach unsern Begriffen etwas eintönig. Sofern der alte Wong nicht wieder mal vergessen hat seine letzte Rechnung zu bezahlen und deshalb keine Vorräte mehr hat, wird ein Pfännchen Reis gekocht. Man isst, wenn man Hunger hat und nicht weil 12.00 Uhr oder 18.00 Uhr ist.
Aus der
Brotfrucht, einer Art riesiger Baumkartoffel, kann man leckere Menus zaubern.
Ob als Insel-Stocki, als Lagunen-Chips
oder als pazifische Salzkartoffeln: tut gut, schmeckt gut. Und ist unglaublich
nahrhaft. Nach zwei Löffeln ist man beinahe schon satt. Um unsern Stocki etwas zu variieren, kann man auch
Taroblätter darunter mischen. Die schmecken so ähnlich wie Spinat. Anstelle
einer Beutelsauce bedient man sich der heimischen Kokosnussmilch.
Die
allgegenwärtige Kokospalme kann im wahrsten Sinne des Wortes von der Wurzel bis
zur Spitze verwertet werden. Aus den Blättern fertigt man sich einen Makrame-Jupe,
bedacht das Hüttchen neu oder flechtet sich ein schickes Handtäschchen für die
Betelnüsse. Aus den Fasern webt man einen Perser für das Vorzimmer und mit dem
Holz kann man ein gemütliches Feuerchen machen. Die Kanus hingegen sind nicht
aus den Stämmen von Kokospalmen, sondern von Brotfruchtbäumen geschnitzt. Die
Milch aus den Nüssen trinkt man, das Fleisch trocknet man und die Kopra verkauft
man dem alten Wong.
Bereichert wird
das Menu mit Spam, Sardinen aus der Büchse und Trutenärschen.
(Haben Sie jetzt laut
aufgeschrien? Vielleicht wegen der Sardinen aus der Dose? Sie können sich
wieder beruhigen, man mag die hier wirklich!)
Was aber sind
Trutenärsche? Nun, eigentlich genau das, was der Name sagt. In unserer
industriellen Tier- und Nahrungsmittelproduktion findet jedes, noch so gering
geachtete Körperteil seine Abnehmer. Man kann die Unaussprechlichen in der
Grosspackung, tiefgekühlt, gesalzen und gewürzt für einen Dollar das Kilo
kaufen. Wenn man sie lange genug gekocht, schmecken sie kaum schlechter wie
eine miese Wurst.
Ab und zu fischt
man auch. Und da es von Getier nur so wimmelt, geht dies unglaublich schnell.
Man hängt ein Stück Bananenschale an einen alten Haken, schmeisst ihn rein, und
schon hat ein Fisch angebissen.
Es gilt jetzt, das
Nachtessen so schnell wie möglich an Land zu ziehen. Sonst hat der nächstgrössere
Fisch den Fang schon wieder von der Angel geholt. Wenn man das Spiel lange
genug spielt, hat man manchmal auch einen Hai an der Angel.
Hai jedoch isst
man hier ungern. Denn ein altes mikronesisches Sprichwort lautet:
„Wer Hai isst, der
wird auch vom Hai gefressen“.
Aus dem Buch IKEFANG UND GUTGENUG - Südseegeschichte von Hanspeter Gsell erschienen bei BoD
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