Ich sass auf Sitz 31E in der mittleren Reihe. Links hatte ein stark schwitzender Mann mittleren Alters und erheblicher Körpergrösse Platz genommen. Gottseidank war der Sitz rechts neben mir frei geblieben. Auf der Gangseite rechts hatte sich eine spanisch sprechende Dame mit russischem Reisepass niedergelassen. Mit ihr könnte ich auf den nächsten acht Stunden sicher den leeren Sitz teilen.
Während des Starts fiel ich
in einen leichten Schlaf und erwachte erst wieder, als das Flugzeug seine
Reiseflughöhe erreicht hatte. Eben wollte ich meine Beine in die Richtung des
freigebliebenen Platzes strecken, als ich gewaltig erschrak: Der Platz war
nicht frei! Allerdings konnte ich im schummrigen Kabinenlicht nicht erkennen,
was sich dort niedergelassen hatte, es schien sich nicht um ein menschliches
Wesen zu handeln.
ES antwortete nicht, als ich
ES ansprach. War es etwa E.T. auf der Rückreise in seine interstellare Heimat oder
hatte sich in Miami heimlich ein Vieh an Bord geschlichen? Ob es Alligatoren
mit Fell gab? Handelte es sich etwa um einen tasmanischen Teufel? Fliegt Swiss
auch nach Tasmanien? Hatte ich ein Bier zu viel getrunken? Ich schloss die
Augen und ging in mich. Als ich genug weit gegangen war, nahm ich den
restlichen Mut zusammen, öffnete wieder die Augen und starrte ES an: Ich
schaute dem Teufel direkt in die Augen! Diese schienen blutunterlaufen zu sein,
das Vieh erwiderte meinen Blick gänzlich regungslos. Nur die Pupillen
irrlichterten zitternd und glänzten im matten Licht. Genauso hatte mich Kaderli
angeschaut, als ich ihn letztens völlig besoffen und bekifft angetroffen hatte.
Kaderli aber, so erinnerte ich mich, hatte kein Fell und war deutlich grösser
als dieses Etwas auf Sitz 31F. Ich sprach ES an:
„Hallo, auch auf dem Weg nach
Zürich? Warum hast du den Pelzmantel nicht ausgezogen? Kalt, hä?“
31F antwortete nicht und ich
wurde etwas mutiger.
„Was hast du geraucht und wo
bekommt man das Zeugs? Muss ja arg stark sein!“
Das Ding hatte nicht die Absicht
mir zu antworten, erhob sich, machte einen Buckel, verdrehte die Augen und
kotzte mich an. ES war ein schwarzer, vollgedröhnter Kater gewaltigen
Ausmasses. Nur der Sitzabstand von 72 cm rettete mich davor, die volle Ladung
abzukommen. Der Gestank jedoch, Reinhard Mai hatte es so ähnlich bereits früher
besungen, war tatsächlich grenzenlos. Auch über den Wolken.
Die Dame mit russischem Pass
auf Sitz 31G sagte nichts und packte das Vieh in den vorgeschriebenen
Transportbehälter. Die Flugbegleiterinnen welche das Spektakel beobachtet
hatten, sagten auch nichts.
Und so beschloss auch ich,
nichts zu sagen.
Bis heute.
Denn diese Geschichte ist
einfach zu schön, um nicht geschrieben zu werden.
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