Sonntag, Januar 24, 2016

Kaderli und das grosse Brausen II


Schon seit einigen Stunden fuhren sie ungemütlich vor sich hin.

„Meinst du, wir sind richtig?“ fragte die Signora.

„Was heisst hier richtig? Natürlich sind wir richtig! Laut Bordcomputer geht es noch 287 Kilometer!“ schnauzte Freddy zurück und konzentrierte sich wieder auf die Fahrbahn.

„Aber Kaderli hat doch gesagt, von Basel seien es gute 4 Stunden bis an den Lago. Und jetzt sind wir schon seit 9 Stunden unterwegs!“

Insgeheim kam auch ihm die Reise etwas langfädig vor. Und als er in der Ferne einen schiefen Turm erblickte, trat er ohne Vorwarnung auf die Bremse. Der Wagen kam rauchend und schlingernd auf dem Pannenstreifen zu stehen.

Heilandsagg! Das war doch DER schiefe Turm! Und der stand doch gopferdammi in Italien und nicht im Tessin!

„Scheiss Navi!“ brüllte er los, riss das Ding aus seiner Halterung und warf es im hohen Bogen über die Leitplanken. Da er, als er sich das Navigationsgerät gekauft hatte, gleichzeitig auch die Strassenkarten weggeworfen hatte, stand er nun irgendwo in der italienischen Pampas, hatte keine Ahnung wo er war und noch weniger, wo er eigentlich hinmusste.

„Ruf mal Kaderli an“ sagte er zu seiner Frau, „der Herr Präsident wird ja wohl wissen, wo wir hin müssen.“

„Hast du seine Handynummer?“

„Ich? Wieso ich? Du bist die Sekretärin hier!“

Nachdem sie alle Koffer ausgeladen und fein säuberlich auf dem Pannenstreifen aufgereiht hatten, fanden sie endlich die Reiseunterlagen und Kaderlis Telefonnummer.

„Gibst du mir mal dein Handy?“ fragte sie ihren Göttergatten.

„Warum? Du hast doch selbst eins!“

„Ja schon, aber es ist zu Hause geblieben.“

„Es ist zu Hause geblieben? Was ist denn das für eine saublöde Antwort: Es ist zu Hause geblieben!? Handys können nicht zu Hause bleiben. Handys haben keinen eigenen Willen und können nicht denken. Du wohl aber auch nicht! Vergessen hast du dieses blöde Ding! Gottseidank hast du mich dabei – hier, nimm meins!“

„Es geht nicht, der Akku ist leer“ entgegnete sie nach einer Weile und gab ihm sein Handy zurück. Wortlos steckte er es ein, startete den Motor und fuhr davon.

„Und jetzt, wohin?“ wandte er sich an seine Frau.

Die jedoch sass nicht neben ihm, sondern auf fünf Koffern auf dem Pannenstreifen der Autostrada nach Roma und hörte gar nichts.

 

Da Freddy nicht nur in Italien steckte, sondern auch Herr über Taucherflagge und Notfallkoffer war, blieben die Flossen trocken, der Pfingstausflug wurde abgebrochen.

Das angekündigte Brausen aber kam nicht vom Himmel, sondern aus Kaderlis enttäuschter Seele: Er trat noch gleichentags von all seinen Ämtern zurück.

In mondlosen Nächten sieht man ihn, mit Tischen und Stühlen schwer beladen, in den nahen Wäldern umherstreifen.

Die Tischreihe soll bereits mehrere Kilometer betragen.

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