Hühnerbrust und Federkiel
Hanspeter Gsell, Verlag BoD
Es war 21.00 Uhr und ich beschäftigte mich eben mit einem
fantastischen Cordonbleu, als der
Patron an meinen Tisch trat. Geschwollen schwadronierte er daher, dass sein
Koch jetzt „seinen wohlverdienten Feierabend antreten zu gedenke“, und wedelte
mit der Dessertkarte vor meinem Kopf herum. Er bat mich, jetzt schon den
Nachtisch zu bestellen und dankte mir für mein Verständnis in dieser leidigen
Sache. Da es sich bei der Person des Koches gleichzeitig um den Patron
handelte, beschloss mein Verstand auf Verständnis, Dessert und weitere Besuche
zu verzichten.
Ich übernachtete mit 20 Personen in einem Hotel am
lieblichen Thunersee. Wir assen ausgezeichnet, wurden nett bedient und auch die
Preise waren angenehm. Um Mitternacht wurden wir aufgefordert den Saal zu
verlassen, da man jetzt das Frühstück aufdecken müsse. Der Patron bat um unser
Verständnis: er sei jetzt schon seit mehr als 15 Stunden für uns da. Da er
während unseres Aufenthaltes lediglich ein paar Minuten „für uns da war“,
lehnte ich sein heuchlerisches Angebot ab. Im Gegenzug verzichtete er auf sein
Verständnis, uns in der Hotelbar zu bewirten, und servierte uns die letzten
Drinks auf dem Parkplatz hinter dem Haus. Es regnete bei acht Grad und
stürmischen Böen aus westlicher Richtung. Für Unverstand gibt es kein
Verständnis. Selbstverständlich nicht.
Der liebreizende Patron des Restaurants hat seither
noch mehrere andere Betriebe zu Grunde gerichtet. Er arbeitet heute als
Magaziner bei einem schwedischen Möbelhaus.
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IMMER WIEDER FERNWEH
Logbuch eines Inselsammlers
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