Sonntag, Juni 03, 2018

Verstand








Hühnerbrust und Federkiel
Hanspeter Gsell, Verlag BoD

Es war 21.00 Uhr und ich beschäftigte mich eben mit einem fantastischen Cordonbleu, als der Patron an meinen Tisch trat. Geschwollen schwadronierte er daher, dass sein Koch jetzt „seinen wohlverdienten Feierabend antreten zu gedenke“, und wedelte mit der Dessertkarte vor meinem Kopf herum. Er bat mich, jetzt schon den Nachtisch zu bestellen und dankte mir für mein Verständnis in dieser leidigen Sache. Da es sich bei der Person des Koches gleichzeitig um den Patron handelte, beschloss mein Verstand auf Verständnis, Dessert und weitere Besuche zu verzichten.

Ich übernachtete mit 20 Personen in einem Hotel am lieblichen Thunersee. Wir assen ausgezeichnet, wurden nett bedient und auch die Preise waren angenehm. Um Mitternacht wurden wir aufgefordert den Saal zu verlassen, da man jetzt das Frühstück aufdecken müsse. Der Patron bat um unser Verständnis: er sei jetzt schon seit mehr als 15 Stunden für uns da. Da er während unseres Aufenthaltes lediglich ein paar Minuten „für uns da war“, lehnte ich sein heuchlerisches Angebot ab. Im Gegenzug verzichtete er auf sein Verständnis, uns in der Hotelbar zu bewirten, und servierte uns die letzten Drinks auf dem Parkplatz hinter dem Haus. Es regnete bei acht Grad und stürmischen Böen aus westlicher Richtung. Für Unverstand gibt es kein Verständnis. Selbstverständlich nicht.

Der liebreizende Patron des Restaurants hat seither noch mehrere andere Betriebe zu Grunde gerichtet. Er arbeitet heute als Magaziner bei einem schwedischen Möbelhaus.

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IMMER WIEDER FERNWEH
Logbuch eines Inselsammlers







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