Dienstag, Mai 12, 2015

Auf der Suche nach Gauguin - Ua Huka

Ua Huka

Heute wird in unserer Kabine gehämmert und geschraubt, der Safe lässt sich nämlich seit gestern Abend nicht mehr öffnen. Die ersten Versuche, das elektronische Verriegelungssystem zu überlisten, schlagen fehl. Auch mit Hammer und Meissel ist ihm nicht beizukommen. Jetzt muss der Schiffsingenieur ran! Er begutachtet alles und beschliesst, den Safe nach Art der Panzerknacker aufzubohren. Nachdem auch noch der zweite Bohrer abgebrochen war, griff er zum Satellitentelefon und versuchte, die Herstellerfirma zu erreichen. Leider war diese in der Zwischenzeit nach China verkauft worden. Da der zuständige Chinese nur chinesisch konnte, unser Ingenieur aber nur französisch mit polynesischem Akzent sprach, verliefen auch diese Bemühungen im Sande.

Nun wollte er von uns wissen, was sich denn so alles im Safe befinde. Denn er habe sich entschlossen, den Tresor aufzuschweissen und es bestünde die Gefahr, dass der Inhalt in Brand geraten könne. Ich dachte an meinen Pass und die Tickets für die Weiterreise. Wäre es nicht wunderschön, gleich für immer hier zu bleiben? An weissen Stränden sitzen, die Füsse von den sanften Wellen des Stillen Ozeans streicheln zu lassen, sich an der Milch der Kokosnüsse und nicht an Kuhmilch zu laben, ab und zu unter Palmen eine Kolumne zu schreiben, nichts anderes als pure Lebenslust zu geniessen. Sollen die doch schweissen so viel sie wollen!

Die Unfähigkeit, mir all die schönen Namen der Inseln, Dörfer und Berge zu merken, haben mich gestern ganz schön in die Nesseln (solche gibt es hier allerdings nicht) setzen lassen. Denn noch sind wir nicht auf Hiva Oa sondern noch in Ua Huka.

Auf keiner anderen Insel habe ich die tropischen Düfte des Pazifiks so intensiv erlebt wie hier. Die vermeintlich zivilisierte Welt hat ja die natürlichen Düfte praktisch ausgerottet. Wiesen und Äcker riechen bestenfalls nach Dünger, Gülle oder Pestiziden. Unsere Brauereien müssen ihre wohlriechende Abluft aufgrund gesetzlicher Vorschriften reinigen. Wie gut roch es immer, wenn wir auf dem Weg in die Ostschweiz kurz vor Winterthur die Maggi-Fabrik passierten. Heute gibt es Einsprachen von Nachbarn gegen Bäckereien und Kaffeeröstereien, weil sie sich durch Geruchsimmissionen gestört fühlen. Und Richter, die solche Einsprachen mit unsinnigen Urteilen unterstützen. Solchen Richtern und all den netten Nachbarn sollte es untersagt werden, die Südsee und den Pazifik zu bereisen.

Wohlgerüche werden nicht mehr toleriert, sind nicht mehr populär, sind verboten. Die einzigen Gerüche, die noch diskutiert werden, heissen Gucci, Armani und Dior. Im Pazifik ist alles anders. Alles riecht. Einige der Gerüche sind tiefgründig, verführerisch und entzückend. Andere schockieren, sind abgründig, scheinen ausserhalb jeder Ordnung zu sein. Auch der Pazifik – das Meer, die See – riecht.: ein Geruch nach Iod, Algen, getrocknetem Salz; an den Ufern: nach fauliger Vegetation, tropischen Pflanzen, nach Muscheln, Krabben, Seegras, Schlamm.

Viele Inseln haben ihre ureigenen Duftmarken hinterlassen. Und so gab es früher Seeleute, die einzelne Insel mit Hilfe ihrer Nasen riechen und so bestimmen konnten. Dazu gehörte auch Tahiti, genauer gesagt die Meerenge zwischen Moorea und Tahiti. Zu gewissen Tageszeiten, wenn die Fallwinde durch die Täler Mooreas zum Meer drängten, vermischten sie sich mit dem reichen und überwältigenden Geruch von Vanille. Sandelholz war früher ein Signal für die Matrosen, dass sie demnächst in Waikiki an Land gehen konnten. Der ganze Bestand an diesen wohlriechenden Bäumen auf Hawaii wurde längst abgeholzt. Nun riecht Waikiki nach Ananas. Grund dafür ist die nahe Konservenfabrik welche Ananas in Dosen abfüllt.

Zurück nach Ua Huku. Trotz einiger Erfahrung als Sensoriker kann ich die Insel geruchlich nicht zuordnen. Ich gebe ihr trotzdem 100 von 100 möglichen Punkten, ich kenne keine andere Insel auf der Welt – als Inselsammler kenne ich davon eine ganze Menge – die derart wohl riecht.

Ich betupfe meinen Hals mit ein paar Tropfen Eau de Parfum, bestelle mir an der Schiffsbar Bier aus Tahiti und warte auf den Sonnenuntergang.

Gute Nacht, bis morgen. Wir werden uns morgen um 08.30 Uhr auf dem Friedhof von Hiva Oa wieder sehen. Bitte seien Sie pünktlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

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