Ich gebe es gerne zu, so etwas wie Kunstverständnis habe ich
nicht. Deshalb werde ich auch kein Wort über Gauguins Werk verlieren. Nur
vielleicht dies: Die Frauen in Polynesien sind in Wirklichkeit deutlich schöner,
als er sie gemalt hat. Vielleicht war sein Blick durch die Syphilis doch schon
ziemlich getrübt. Zu Gauguins Palmenhainen meinte meine Tante Martha schon vor
Jahren, dass so eine wackere Blautanne mindestens so schön sei. Und
Jahreszeiten habe es „dort unten“ ja auch keine.
„Aber diese Farben!“ entgegnete ich. „Nur Gauguin konnte die
Farben der Südsee so gekonnt interpretieren!“„Quatsch, mein Neffe Kevin, kann das auch. Und zwar ganz ohne Pinsel. Mit seinen Fingerfarben hat er ein prächtiges Bild mit Geranien gemalt.“
Aber eben, auch Tante Martha hatte kein Kunstverständnis.
Gleich hinter dem Gauguin-Museum befindet sich eine weitere
Memorabilien-Ausstellung. Denn auch ein anderer berühmter Künstler hatte sich
in Atuona ein Häuschen gebaut. Jacques Brel, belgischer Chansonnier hatte sich
1976 auf der Insel angesiedelt. Im Gegensatz zu seinem Malerkollegen war er
jedoch äusserst beliebt. Mit seinem Flugzeug, einer zweimotorigen Twin Bonanza flog
er Kranke nach Tahiti und machte sich auf den Inseln nützlich, etwa indem er
die Post transportierte.
In der Abgeschiedenheit der Marquesas fand Brel noch einmal
die Inspiration für neue Chansons, die um seinen Rückzugsort kreisten, aber
auch immer wieder um den nahenden Tod. Und hier soll er auch das Lied „Une Île“
geschrieben haben:
„Voici
qu’une île est en partance
Et qui sommeillait en nos yeuxDepuis les portes de l’enfance“
In unseren Augen schlummerte“
1978 kehrte er zu einer Tumorbehandlung nach Frankreich
zurück wo er am 9. Oktober starb. Seine Leiche wurde nach Hiva Oa überführt und
unweit vom Grab Gauguins beigesetzt. Im Gegensatz zu Gauguin liegt er aber
wirklich dort. Ganz real und nicht nur virtuell.
Während ich das Museum verlasse, ertönt ein letztes Lied von
Jacques Brel.
„Ne me
quitte pas
Il faut oublierTout peut s’oublier
Qui s’enfuit déjà“
„Geh nicht fort von mir
und was war vergisswenn du kannst vergiss
die Vergangenheit“
Leider muss ich trotzdem gehen, mein lieber Jacques. Bis zum
nächsten Mal……..
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