Samstag, September 16, 2017

Dein Name sei Otto (1)



ISBN 978-3-7448-5647-8 Verlag BoD
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Aus dem Logbuch eines Inselsammlers
U, Pohnpei

Dieser Teil der Reportage über die Inselwelt Mikronesiens führt die Leser auf die Insel Pohnpei. Dort lernen wir Häuptling Otto und eine Gemeinde mit nur einem Buchstaben kennen.
Wir sind zu Gast bei Otto. Dieser ist Häuptling der einbuchstabigen Gemeinde ‘U’, Inhaber eines Wasserfalls und Besitzer mehrerer alter japanischer Panzer. Bevor ich seine Geschichte weitererzähle, gestatte ich mir einen Griff in die Abteilung «Unnützes Wissen»:
«Einbuchstabige Ortsnamen sind sehr selten. In Dänemark, Norwegen und Schweden findet man Gemeinden mit dem Namen ‘Å’, in Frankreich könnten wir auch in ‘Y’ leben, in Dänemark auch noch in ‘Ø’.» Und heute nun befinden wir uns also in ‘U’ und bei Otto.
Pohnpei ist eine sogenannte High Island, eine hohe Insel. Im Gegensatz zu den Flat Islands, den flachen Inseln, verfügt sie über einen Berg von mindestens neunzig Metern Höhe. Wenngleich solche «Gebirge» wohl nur gerade Holländer und Dänen in Begeisterungsstürme ausbrechen lassen: In Zeiten der Klimaerwärmung und steigender Meeresspiegel ist es von unschätzbarem Wert, auf einer hohen Insel zu sitzen. Und nicht auf einer Sandbank, die gelegentlich im Meer verschwinden wird.
Pohnpei ist quasi ein Hügel im Wasser, von undurchdringlichen Mangrovenwäldern umgeben, mit Palmen bewachsen und mit einem Berg von eigenartiger Gestalt. So haben sich die Amerikaner einst erdreistet, das Symbol von Pohnpei Chickenshit-Mountain zu nennen. Ich denke nicht, dass ich diesen Ausdruck übersetzen muss.

Farbige Panzer und ein Wasserfall

Auf unserm Haufen im Wasser plätschert auch ein Wasserfall. Und Inhaber dieses Wasserfalls ist, wie bereits erwähnt, Chief Otto.
Auf pazifischen Inseln gehört jeder Stein und jeder Stock einer Familie. Es gibt praktisch kein Land, das einer Gemeinde oder einem Staat gehört. So kann es durchaus sein, dass der Inselflughafen im Besitz von 35 Familien ist. Muss nun über eine Pistenverlängerung, über eine neue Anflugregelung oder ein neues Lärmschutzgesetz abgestimmt werden, ist dies immer sehr lustig. Die Auseinandersetzungen können locker auch mehrere Generationen beschäftigen! Landbesitz und Zeit – sehr viel Zeit – sind die einzig wahren Besitztümer dieser Menschen.
Zurück zum Wasserfall: Da sämtliche Touristen, es werden hier wohl um die 5’000 pro Jahr eingeflogen, den schönsten und grössten Wasserfall des ganzen Pazifiks besuchen wollen, kommt ein schöner Batzen zusammen. Denn – wer den Wasserfall bestaunen möchte, bezahlt zwei US-Dollar, Kinder die Hälfte, Einheimische haben freien Zutritt.
Weitere Einnahmequellen sind drei alte japanische Panzer. Da sowohl die Japaner als auch die Amerikaner ihr altes Gerümpel nach Kriegsende einfach stehen und liegen liessen, mussten die militärischen Hinterlassenschaften irgendwie versilbert werden. Otto hat sie neu gestrichen und vor die Kirche stellen lassen. Einmal fotografieren kostet einen Dollar. Keine Antwort erhält man auf die Frage, weshalb der eine Panzer rosa und der andere hellblau bemalt wurde. Was aber weiter auch nicht stört. Denn immerhin sehen sie in diesen Farben eindeutig weniger bedrohlich aus.

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