Sonntag, Februar 04, 2018

Könige

„Unsere Gäste sind Könige!“ Dieser royalistische Merksatz aus alten Zeiten sprang mich heute Morgen vehement an. Er stammt nicht aus einem alten Lehrbuch für das Gesinde, sondern ziert als Überschrift einen aktuellen Bericht zur Lage der Gastronomie. Mit den genannten Königen meint man natürlich nicht die echten Blaublüter und andere Drosselbärte. Nein, damit meint man die real existierenden werktätigen Gäste. Also zum Beispiel auch mich.
 

Ich aber will kein König sein! Denn vor Königen katzbuckelt man und verrichtet für sie Sklavenarbeit. Ich will weder von Untertanen noch von Leibeigenen bedient werden! Könige sind nicht Gäste sondern republikanische Pflichtübungen; Könige sind skandalös, manchmal despotisch und meistens vollkommen überflüssig. Könige lassen ihr Volk auspeitschen und in Ketten legen. Nur Königinnen und Prinzessinnen sollen noch schlimmer sein. Sie stehen den ganzen Tag märchenhaft vor dem Spiegel, hassen die Sieben Zwerge und verteilen gratis vergiftete Äpfel. Es muss wirklich wahnsinnig viel Freude bereiten, für Könige zu arbeiten! Nie im Leben möchte ich von königlichen Küchenmeistern bekocht werden, hasse untertänige Frackträger und möchte in keinem Fall als Sklaventreiber angesehen werden. Und ich will nicht von Haushofmeistern, Lakaien und Kammerdienern hofiert werden. Ich möchte ganz einfach Gast sein in einem gastlichen Haus.Es wird Zeit, die Monarchie abzuschaffen: schicken Sie die Könige ins Exil! Vielleicht sind dann Gäste wieder das, was sie eigentlich wirklich sein möchten: willkommene Gäste.

Aus dem Buch "Hühnerbrust und Federkiel" 
Seitenhiebe auf die Gastfreundschaft 
Hanspeter Gsell
Erschienen 2006 bei BoD

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