Dienstag, Februar 13, 2018

Chicken and Beef

Es ist Januar, und ich bin unterwegs in den Fernen Osten. Aus dem Bordlautsprecher scherbelt Stille Nacht und ich freue mich auf das per Video angekündigte Nachtessen welches von „internationalen Spitzenköchen“ sorgfältig zusammengestellt wurde. Die leichte Bio-Kost – laut Werbung von Heidi und Geissenpeter direkt angeliefert – soll mir helfen, den anstrengenden Flug besser zu überstehen. Aber offenbar haben die Spitzenköche heute frei und der Geissenpeter ist im Stau stecken geblieben. Denn was den Passagieren vorgesetzt wird, dient bestenfalls dazu, den ärgsten Hunger zu stillen oder ängstliche Passagiere von der Flugangst abzulenken. Dabei ist hier Flugangst absolut unbegründet: vor dem Essen sollten Sie sich fürchten.

Der niedliche Salat aus rotem und weissem Chabis ist durchtränkt von der völlig übersüssten, benachbarten Rüeblisalatsauce. Auch das ebenfalls vom Spitzenkoch gedesignte Sultaninchen kann das Grauen nicht mindern. Diese Vorspeise wird begleitet von einer zu Brot gewordenen Ausgeburt eines Lebensmitteltechnologen mit Beziehungen zur Altpapierverwertung. Der erste Biss: So muss es sein, in eine alte Schaumgummimatratze zu beissen. Das dezente Papier-Aroma erinnert an eine nass gewordene Zeitung. Im Gaumen überwiegen Sandaromen, sie hinterlassen einen schalen Geschmack. Nur mit heftigen Kaubewegungen und der Mithilfe eines Glas Wassers kann die Masse dazu bewegt werden, den Mund via Hals zu verlassen.

Die Menüauswahl entspricht dem Standard der Branche: „Beeforchicken“ oder „Chickenorbeef“. Ein Hühnerleben ist ja an und für sich schon nichts Erstrebenswertes. Gott sei Dank weiss das bedauernswerte Vieh nicht auch noch, zu welchen absonderlichen Speisen es verarbeitet wird!
 


Welchem Hirni aber kam es wohl in den Sinn, in einem Flugzeug Spaghetti zu servieren! Bei den heute gängigen Sitzabständen wird ein solches Essen zu einer höchst unfallträchtigen Angelegenheit. Sollten die Sitznachbarn nicht durch Gabelstiche oder spitze Ellbögen ernstlich verletzt worden sein, so werden sie jedoch sicher Erinnerungen in Form von Saucenspritzern mitnehmen.

Liebe Airlines: entweder schafft ihr es, etwas Anständiges zu servieren. Oder ihr hört auf damit. Dann braucht es auch keine Werbung mehr, die der kranken Fantasie Businessklasse-reisender Marketingstrategen entsprungen ist und schlichtweg eine Vorspiegelung falscher Tatsachen ist. Vielleicht hilft jedoch auch folgende Massnahme: Verdonnern Sie ihre Marketingmitarbeiter dazu, während drei Wochen täglich eine Langstrecke in der Economyklasse zu fliegen. Ich wette mit Ihnen, dass die Qualität an Bord sprunghaft ansteigen wird.

Leider hat es nicht mehr sein sollen. Die Fluggesellschaft existiert nicht mehr. Wobei in diesem Falle die Köche nichts, aber wirklich nichts damit zu tun hatten, und somit diesen Brei auch nicht verderben konnten.

Aus: Hühnerbrust und Federkiel, Hanspeter Gsell, Verlag BoD


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