Samstag, April 28, 2018

Buffalo Bill und der Mozzarella

Der Sommer ist voll im Gang und die Gartenwirtschaften von Hugelshofen bis Wigoltingen haben trendgerecht ihre Angebote mediterranisiert. Statt Bündnerfleisch gibt’s Bresaola, statt Buurehamme Parmaschinken und der Tilsiter weicht der Mozzarella. Oder dem, was Schweizer eben für Mozzarella halten. Denn was auf den Tellern landet sind leider meistens drittklassige Plagiate und haben mit der echten Mozzarella so viel zu tun wie ein Emmentaler mit einem Gerberkäsli.

Echte Mozzarella wird aus Büffelmilch hergestellt und heisst deshalb auch Mozzarella di Bufala. Und nicht „Buffalo“ wie ich eben auf einer verblichenen Hier-kocht-der-Chef-Werbetafel gelesen habe. Ein Buffalo ist ein amerikanischer Büffelmann und gibt deshalb keine Milch. Eine Bufala hingegen ist eine süditalienische Wasserbüffelfrau, gibt Milch und hat mit Buffalo Bill nichts an den Hörnern. Soweit zur Grammatik. Was ebenfalls klar sein sollte: Echte Mozzarella ist nie viereckig, wird nicht in der Schweiz hergestellt und hat nie die Konsistenz von Radiergummi.

 

 Echte Mozzarella ist rund und es gibt sie in Grössen bis zu 400 Gramm. Sie stammt aus Süditalien, ist wunderbar sämig und zerfliesst gleichsam auf der Zunge. Sie ist nicht geschmacklos wie ihre degenerierten Schwestern sondern schmeckt erfrischend säuerlich.

Zur Mozzarella serviert man Olivenöl, vielleicht etwas schwarzen Pfeffer und auf Wunsch Salz, aber sicher keinen Essig und schon gar keinen Balsamico! Und wenn wir schon beim Olivenöl sind: Verwenden Sie ein italienisches Extravergine-Olivenöl und kein Placebo. Halten Sie sich an folgende Faustregel: Italienisches Extravergine-Olivenöl, das weniger als 25 Franken der Liter kostet, ist möglicherweise aus Oliven hergestellt – aber nie und nimmer jungfräulich.

Lassen Sie mich gleich noch mit einem Trugschluss aufräumen. Trübe Olivenöle – sie sind ganz besonders in Mode – sind weder besonders wertvoll noch kostbar. Sie sind ganz einfach unfiltriert, enthalten unerwünschte Schlacken und werden deshalb schneller ranzig. E basta! 

Auf Grund dieser Glosse wurde ich von ‚Emmi’, dem grössten schweizerischen Mozzarella-Produzenten zum Duell aufgefordert. Auf Grund meiner Abneigung gegen Mantel und Degen wurde es jedoch nur in schriftlicher Form ausgetragen. In Worten habe ich möglicherweise gewonnen. Den Markt aber hat ‚Emmi’ gewonnen. Es gibt kaum mehr Restaurants in der Schweiz, die echte ‚Mozzarella di Bufala’ anbieten.
 

Freitag, April 27, 2018

Lustfrei

Endlich habe ich mein Traumhotel gefunden – das erste garantiert kinderfreie Hotel der Schweiz! Endlich hat ein Schweizer Hotelier den Mut aufgebracht, sich rigoros gegen quengelnde, quietschende und wenn möglich noch Windeln tragende Kinder zu wehren. Da werden doch nur teure Sitzplätze mit Nuggi werfenden und Müsli schlabbernden kleinen Monstern belegt! Service-Mit-arbeiter sind stundenlang mit gratis Schoppen wärmen beschäftigt und die Malfarben sind ja auch nicht mehr ganz billig!






Erfreulicherweise ist der Betrieb auch frei von Stumpenrauchern und nassen Pudeln. Hunde, welche diese Weisung missachten, werden vom Casserolier standrechtlich erschossen. Falten tragende Senioren werden ebenfalls nicht bedient. Der Anblick von pfeifenden Hörgeräten, rutschenden Toupets und klappernden Prothesen ist ja wirklich eine Zumutung für normale Gäste. Wegen unangepasstem Lautsprechen haben auch Zürcher, Schwaben und Italiener keinen Zutritt.

Angehörigen ethnischer Minderheiten wie Kleinbaslern und Obergomsern, aber auch kiffenden Politikern der Lega Ticinesi, bleibt der Zutritt verwehrt. Handys und Laptops werden konfisziert und erst nach Bezahlung der Rechnung eventuell wieder ausgehändigt. Auf Grund akustischer und optischer Irritationen ist der Zugang für Stotterer, Brillenträger und Rollstuhlfahrer untersagt. Zum Glück werden auch übergewichtige Shortsträger und bärtige Birkenstockfetischisten aus dem Betrieb ge-wiesen, verschwitzte Velo- sowie lederne Töfffahrer wer-den auf Grund möglicher Ausdünstungen nicht bedient. Im Weiteren wird auch auf die Bewirtung von Jeans-, Turnschuh- und Weisssockenträgern verzichtet.

Das Ristorante ist alkoholfrei und somit eine Oase der Ruhe. Keine klingenden Gläser und keine lauten Prositrufe stören die himmlische Ruhe. Seit auch die Bar vom schottischen Whisky auf einheimischen Rüeblisaft umgestellt hat, gibt es keine grölenden Gäste mehr. Eigentlich gibt es gar keine Gäste mehr.

Schon lange nichts mehr gehört aus dem Tessin. Aber eben, da gibt es ja auch nichts zu hören.

Fengshui, Sabu-mai und Mai-tong

Als innovativer und weltoffener Hotelier halten auch Sie sich sicher bereits ihren persönlichen Fengshui-Berater. Und gegen ein überaus weltliches Honorar lassen Sie sich über die misslichen Ecken und Kanten ihres Betriebes aufklären. Allenthalben haben Sie ein Brünnlein montiert, störende Ecken mit Bergkristallen energiemässig entschärft und scharfsinnige Kanten zumindest geistig abgehobelt. Ihren direktoralen Schreibtisch haben Sie – zur Verbesserung des transzendenten Jetstreams – um 185 Grad gedreht, über dem Aktenvernichter sicherheitshalber einen doppelten Spiegel montiert und den halbleeren Kassenschrank hellblau bemalt.


Mitarbeiter mit abstehenden Ohren haben Sie entlassen, den weissrussischen Chasseur neu bewaffnet und in der Lingerie einen sprechenden Pommes-Frites-Automaten installiert. Alle 120 Fenster ihres Hotels wurden zuge-mauert und an Stelle des Lifts haben Sie einen 18 Meter hohen Wasserfall installiert. Seither wird ihr persönlicher Seelenfrieden nicht mehr von wütenden Drachen gestört, Herr Ying und Herr Yang haben ihr geistiges Gleichgewicht wieder gefunden und ihr Fengshui-Guru hat sich mit verzücktem Gesichtsausdruck ins leere Foyer zurückgezogen.


Nun, das ist ja bereits kalter Kaffee – Drachen sind mega-out – denn das nächste Psycho-Placebo für exekutive Mystiker steht vor offenen Türen. Kento-mai heisst die neuste Heilslehre und sie stammt aus dem Hochland der mikronesischen Insel Peleliu. Dort wird der Sabu-mai – der Windschmecker – immer dann gerufen, wenn die Energie bereits draussen und der Wurm schon drin ist.
Auf Grund seines seit Generationen überlieferten Wissens ist ein Sabu-mai in der Lage, nicht nur die Wellen des unendlichen Pazifiks zu erkennen, sondern auch deren Einwirkungen auf die Winde, den Mond, die Menschen und den Broccoli zu deuten. Neben dem zerstörerischen „Mai-tan“ erkennt er also folgerichtig auch jeden noch so kleinen „Mai-tong“ und transponiert ihn mittels energetischer Schubumkehr in die positiven „Mai-lun“.

Der Sabu-mai hat auch im Hotel meiner Tante auf Anhieb alle Biegungen auf Brechungen erkannt und geeignete Massnahmen eingeleitet. Nachdem sämtliche Zwischenböden, Stützmauern und das Dach entfernt worden waren, brach leider das ganze Hotel zusammen. Aber, kaum zu glauben, keine Spur mehr vom lästigen „Mai-tan“, ganz zu schweigen vom negativen „Mai-tong“! Meine Tante verkaufte gleichentags ihre Hotelruine an eine Kebab-Kette, heiratete den Sabu-mai und führt seither auf Peleliu eine vegetarische Saftbar und ein glückliches Leben.

Der Fengshui-Berater meiner Tante hat mir persönlich zu dieser Kolumne gratuliert. Er ist heute Farbberater für die Gastronomie und hat schon manche Fengshui-Ruine wieder zu neuem Leben erweckt.

 

Donnerstag, April 26, 2018

Singing in the rain ..

Ist ihnen auch schon aufgefallen, wie viele Varianten von Toiletten- und Lavabospülungen es gibt? Es müssen Tausende sein! Und als ich dachte alle zu kennen, war diese Feststellung nicht nur falsch, sondern geradezu lächerlich.

Eines Tage also stand ich wieder einmal vor der Tatsache und einem Spiegel mit dem Vorsatz, mir die Hände zu waschen. Wie in einem lustigen Piktogramm dargestellt, näherte ich meine Hände dem hochmodern gestylten Rohr. Nichts. Unauffällig schielte ich nach rechts und links und siehe da, überall sprudelte munter das Wasser. Ich studierte noch einmal die Zeichnung, kontrollierte die Stellung meiner Handrücken und näherte mich, diesmal in einem 20-Grad-Winkel und mit durchhängenden Schultern der Apparatur. Nichts. Hatte ich etwa vergessen, irgendeinen imaginären Knopf zu drücken? Einen Schalter zu kippen oder eine Taste zu betätigen?

In der Zwischenzeit war es schon spät geworden und ich hatte den ganzen Raum für mich alleine zur Verfügung. Ruhelos eilte ich von Lavabo zu Lavabo. Mich beschlich das entsetzliche Gefühl von unzähligen Apparaturen beobachtet zu werden. Ich besann mich deshalb einer alten Indianertaktik und versteckte mich hinter einer kleinen Brüstung. Vorsichtig und in geduckter Haltung schlich ich zum ersten Lavabo. In diesem Moment entleerte sich grundlos ein Handtuchrollendispenser und der Seifendosierer gab eine Portion von sich. Gleichzeitig schaltete sich das Licht aus, die beiden Heissluft-Händetrockner stimmten zu einem infernalischen Duett an und die Was-serspülungen der Toiletten spülten unisono mit.

Ich warf mich sofort in Deckung, sammelte mich und tat was ich am besten kann. Ich überlegte. Die Lüftung brummte eintönig vor sich hin und aus den Lautsprechern plätscherte eine kleine Wassermusik.
 
Mit Hilfe meines Überlebensmessers gelang es mir schliesslich, den Steuerungsmechanismus des Lavabos aufzubrechen. Ich entfernte sorgfältig alle mir sinnlos erscheinenden Schrauben und Drähte, demontierte das Wasserbecken nicht allzu fachgerecht und riss den Hahnen unter Einsatz aller Kräfte aus der Wand. Endlich! Wasser! Herrlich frisches Wasser! Als mich der Nachtportier verhaften wollte, sang ich leise I’m singing in the rain und steppte fröhlich an der Rezeption vorbei ins Freie.

 
 

 


Freitag, April 20, 2018

Lustvoll essen

 
Sie ist klein, rund und grausam. Sie ist das Sinnbild einer fantasielosen Gastronomie-Branche. Sie ist meistens rot, sie wurde jedoch auch schon in grün oder gelb gesehen. Sie hat nur ein einziges dafür aber haarloses Bein. Es gibt sie mit und ohne Seele. Dies erkennt man jedoch erst, wenn man sie im Mund hat ...

... und dann ist es vielfach zu spät. Denn ihr Herz ist manchmal aus Stein und daran erfreuen sich höchstens Zahnärzte. Der Geschmack liegt irgendwo zwischen grauenvoll, grauenhaft und grausam. Sie wird deshalb in vielen Fällen in Alkohol ertränkt. Sie – das ist die so genannte Cocktail-Kirsche. Sie ist der eigentliche Sündenfall der Gastronomiegeschichte. Einer Geschichte, die nicht mit Adam, Eva, Schlange und Apfel sondern mit Cock, Tail, Dose und Kirsche begann.

Noch vor Hamburger, Ketchup und Cola hat sie die Bars dieser Welt erobert und ist völlig resistent gegen alle Versuche sie auszurotten. Ob im Bahnhöfli in Hugelshofen, in der weltmeisterlichen Kronenhallen-Bar in Zürich oder im Raffles in Singapur: Sie ist überall. Sie dekoriert mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit die einöden Drinks mittelmässiger Lokale, wie auch die abenteuerlichen Kreationen erstklassiger Bars. Mal untergetaucht, mal schwimmend. Ob zusammen mit einem Stück Ananas oder alleine an einem billigen Plastikspiess hängend. Sie verfolgt mich. Ihre künstliche Farbe beleidigt jedes Auge und ihr Aroma ist eines Gaumens nicht würdig. Ganz un-geniert tummelt sie sich in Schwarzwäldertorten, Fruchtsalaten und Saucen.
„Lustvoll essen – gentechfrei“, heisst eine vor einiger Zeit in Basel verabschiedete Petition. Ein grosses und unterstützungswürdiges Ziel. Hoffen wir, dass verabschiedet nicht allzu wörtlich genommen wird. Ein erstes Teilziel wäre jedoch eigentlich einfach zu erreichen. Ich verabschiede deshalb noch heute Abend eine Petition unter dem Namen „lustvoll trinken – Kirschen-frei“. Wenn Sie mitmachen wollen, nichts einfacher als das. Steigen Sie in ihren Keller und schmeissen Sie ihren Jahresvorrat an Cocktailkirschen sofort auf den Müll. Klären Sie aber bitte zuerst mit ihrem Kantonschemiker ab, ob es sich nicht eventuell um Sondermüll handelt!
 

Aus dem Buch Hühnerbrust und Federkiel von Hasnpeter Gsell, erschienen bei BoD. Noch mehr Geschichten finden Sie im neuen Buch von Hanspeter Gsell "Immer wieder Fernweh - Logbuch eines Inselsammlers".

 

 

 

 

Sonntag, April 08, 2018

Der Duft des Erfolges



Allenthalben werden nicht mehr nur in Büros von Birkenstockträgern kleine Öllämpchen zur leistungssteigernden Bewusstseinserweiterung entzündet. Auch in Hotels und Restaurants haben diese aladinesken Lustspender Einzug gehalten. Ob „gefallenes Buchenlaub“ oder „überreife Vanille“, ob „rosa Grapefruit“ oder „zartbraune Haselnuss“: fast unbemerkt werden unsere Nasen und Sinne beduftet. Stiere Kunden werden zu spendablen Konsumenten, grummeliges Personal zu freundlichen Mitarbeitern und Teller werfende Küchenchefs zu liebenswürdigen Patrons.

Ich entschloss mich deshalb, zukünftig ebenfalls Duftwaffen einzusetzen und beschaffte mir über meinen Duftberater ein grösseres Arsenal geheimnisvoller und Erfolg versprechender Essenzen. Meine Steuererklärung wurde mit Korianderöl parfümiert, der Antrag auf Verschiebung des Zivilschutzdienstes mit einem Hauch Moschus versehen. Das Kreditgesuch für die Bank wurde mit Zitronenmelissenblüten bestäubt und meine Checks duften seit kurzem unterbewusst nach Teebaumöl.

Nun, die Steuererklärung kam mit dem Vermerk „unleserlich“ zurück, vom Zivilschutz erhielt ich sofort ein Aufgebot für eine mehrtägige Überlebensübung; das Kreditgesuch wurde abgelehnt und meine Checks waren immer noch nicht gedeckt. Ein befreundeter Öllampenfetischist unterstellte mir natürlich sofort, dass ich ja eh nicht daran glauben würde und deshalb nütze es eben auch nichts. Ich konvertierte deshalb aus eigenem Interesse sofort und übte mich in der Folge im Glauben.

Ich habe diesen Text mit einer Mischung aus Bananenstaudenessenz, Brennnesselsamen und mit dem Zirbeldrüsenextrakt eines tibetanischen Murmeltieres beträufelt. Führen Sie jetzt Ihren Bildschirm ganz nahe an Ihre Nase. Nein – näher. Atmen Sie tief ein, entspannen Sie ihren Körper, und ein unbändiges Verlangen, mir einen Dankesbrief zu schreiben, wird Sie befallen. Und mein Verleger wird aus tiefster Seele überzeugt sein, sofort mein Zeilenhonorar erhöhen zu wollen. Denn: wer’s riecht, der glaubt’s.

 Letzthin habe ich eine Einladung zu einem Barbecue-Abend erhalten. Ich hätte schwören können, dass die Karte leicht nach „Farmer Fries“ gerochen hat.

 

Dienstag, April 03, 2018

Werbefallen

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Ich liebe Werbung: eine schön fotografierte Anzeige, einen amüsanten Werbefilm oder eine witzige Kampagne. Aber ich hasse Werbung, wenn sie mir in oder unter den Teller gelegt wird.
Da sitze ich nichts ahnend am Tisch, bestelle meinen Wurstsalat und schon springt er mir in das Gesicht: der klassische Reizartikel gutbürgerlicher Küchen: das Werbe-Tischset. In der Mitte das unausweichliche Foto vom Dorfbrunnen samt Geranien und darum herum die einöden Inserate des lokalen Gewerbes.

Der Metzger empfiehlt, der Bäcker verspricht und die Brauerei tut es auch. Die Raiffeisenkasse buhlt, in der Landi gab’s letzten Monat zu jedem Rasenmäher eine Heckenschere gratis und Almdudler erfrischt weiterhin.


Selbstverständlich drehe ich das Tischset sofort um. Und kann mich jetzt den unzähligen Plakaten, Rotairs und Tischstellern zuwenden, die mir das Blaue vom Himmel für Kehle und Gaumen versprechen. Über dem Buffet grüssen freundlich Obi und Rivella, das Clausthaler kommt im Heinekenglas und mein Stumpen liegt im Aschenbecher von Spenglermeister Hämmerli, derweil der Kellner im T-Shirt von Pepsi Cola meine Bestellung mit dem Sinalco-Kugelschreiber auf dem Henniez-Block notiert. In der Toilette lasse ich mich von der Wirksamkeit der neuen Prostata-Pillen überzeugen und im Radio läuft gerade der Spot von der Migros.

Auf dem Rückweg an meinen Tisch nehme ich noch schnell am Wettbewerb von Virgin Cola teil, errubble mir erfolgreich eine Fahrt mit dem Postauto und treffe, zusammen mit dem Wurstsalat, wieder an meinem Platz ein. Ich esse nur langsam, denn irgendwie befürchte ich, gleich auf einen Button vom Cash & Carry oder einen Flyer von Unilever zu stossen. Doch meine Vorahnungen bestätigen sich nicht: Der Teller ist und bleibt werbefrei. Zum Kaffee gibt’s Kaffeerahm von DJ Bobo und der Zuckerbeutel verspricht mir viel Vergnügen im Telefonmuseum Islikon. Der Guestcheck ist von Visa und das Bonbon zur Rechnung von Mastercard. Zum Abschied gelingt mir gerade noch ein geflüstertes „Servus“ – auf ein Wiedersehen lasse ich mich nicht ein – und verlasse fluchtartig diese monströse Werbefalle. Bei einem letzen Blick zurück grüssen einsam Feldschlösschen und Amstel, die verregneten Sonnenschirme von Marlboro scheinen hämisch zu grinsen und auf der Plastik-Schiefertafel von Eptinger steht kreideverschmiert: „Hier kochte der Chef, bevor er zur Plakatgesellschaft ging.“

 

Montag, April 02, 2018

Arrivederci Roma

Gestern Mittag war ich wieder einmal zu Pizza und Pasta bei meinen Lieblings-Italienern Toni und Dino. Pünktlich um 14.10 Uhr intonierte Peppino di Capri ein herzergreifend geschluchztes Arrivederci Roma, und ich kam wieder zu spät ins Büro. Na gut. Aber Peppino singt jetzt seit über 20 Jahren Arrivederci Roma, und zwar täglich um 14.10 Uhr.

Bei Giuseppe werden abends nicht nur die Drei, sondern Legionen von Heldentenören akustisch aktiviert. Um sie erst gegen Mitternacht und nach der dritten Reprise des Gefangenenchors wieder abtreten zu lassen. Im Bären war gestern der CD-Player defekt, so dass Elton John immer die gleichen drei Lieder singen musste. Und im Sternen gab’s zur Suppe Paola, zum Kotelett den gleichnamigen Walzer, und der angegraute Kellner summte leise Siebzehn Jahr’, blondes Haar. Dabei ist doch die menschliche Stimme das schönste aller Instrumente, das Gespräch die einzig wahre Musik!
Es geht allerdings auch das Gerücht um, dass in manchen Gaststuben das Radio nur deshalb läuft, damit man den Pleitegeier nicht krächzen hört. Aber nicht nur landauf und landab sondern weltweit werde ich heute als Gast mit Musik berieselt – ob ich es will oder nicht. In manchen internationalen Hotels wird die Musik gar zum Dauerbegleiter. In der Lobby spielt ein leibhaftiges Streichquartett, im Lift streicht sich das Rondo Veneziano die Geigenbögen krumm und im Zimmer be-grüsst mich der Fernseher mit alten Klassikern und einem hinterhältigen „Herzlich willkommen Mr. Xeller – drücken Sie ENTER“. Worauf das Inhouse-Entertainment-Center sofort auch die Lautsprecher im Bad und im begehbaren Kleiderschrank aktiviert.

Die eigentlichen Spezialisten in Sachen Musikauswahl und Qualität sind jedoch die Fluggesellschaften. Was in den meisten Flugzeugen – als Ouvertüre vor dem Start oder als Finale nach der Landung – aus den Bordlautsprechern quillt, kann nur die Auswahl eines musikalisch Minderbemittelten sein. Wobei natürlich schon das Wort Lautsprecher an sich eine irreführende Bezeichnung ist. Da verliere ich doch bereits während des ersten Taktes jegliches Vertrauen in die viel beworbene technische Kompetenz. Ist es nicht unglaublich, dass sich offenbar sämtliche Airlines dieser Welt mit solchen erbärmlichen Standards zufrieden geben?
 
Aus dem Buch Hühnerbrust und Federkiel von Hanspeter Gsell, erschienen im Verlag BoD. Oder das neue Buch kaufen: