Die Aufträge aus der Redaktion waren
jeweils kurz und bündig und trafen wenige Minuten vor Mittag ein: «Krone,
Hugelshofen, 1’300 bis 18.00, Inserat». In Klarschrift hiess dies, dass ich bis
18.00 Uhr des gleichen Tages einen Bericht im Umfang von 1'300 Zeichen
abzuliefern hatte. Das Codewort «Inserat» meinte, dass der Bericht wohlwollend
zu sein habe, da die Krone ein Inserat in Auftrag geben würde.
Die Krone in Hugelshofen aber war kein
gastlicher Hof, sondern ein äusserst gastfeindlicher Ort. Ich rief sofort
meinen Redaktor an. «Schäff, die Krone ist ein mordsmässiger Sauladen, da
kannst du selber hin!» Seine Antwort war deutlich. «Wenn du nicht willst, dann
schicke ich eben Kaderli!» Angesichts meiner schwindenden Bargeldbestände
änderte ich meine Meinung, packte meine kleine, grüne Olivetti ein, und machte
mich auf den Weg nach Hugelshofen.
Ich schrieb den mordsmässigen Sauladen wie
gewünscht in ungeahnte Höhen kulinarischer Landschaften, die Köche beförderte
ich ins gastronomische Firmament und die Wirtin erhob ich in den angegarten
Adelsstand.
Ich fantasierte über die angeblich delikate
Madagaskarpfefferblütenmousse, die gemäss Oberkellner mit selbst gepflückten Bocksbartwedeln
abgeschmeckt wurde. Und fabulierte über das Hämpfeli frittierter Sauerampferwurzeln,
die auf ihrem Bettlein aus japanischem Kukurukukuu friedvoll vor sich hin dufteten.
Und von Tubaggsöömli, serviert in ihrem Schränggli voller
Trichteranemonen-Sprossen, die meine Geschmackspapillen implodieren liessen.
Nein, ich war nie stolz auf diese schwülstigen
Texte; dem Wahnsinn zugeneigte Köche und hirnverbrannte Gastwirte würden nie zu
meinem Freundeskreis gehören! Kurzerhand packte ich meine Olivetti zusammen und
schwor beim Barte von Lord Sandwich, nie mehr über Restaurants zu schreiben. Für jüngere Leser: Eine Olivetti ist eine
Schreibmaschine. Mit ihr konnte man ohne Strom und Internet ganze Bücher
schreiben. Besonders die seltene, grüne Variante verlieh ihrem Besitzer eine
Aura von mobiler Professionalität.
Heute
aber breche ich meinen Schwur. Angesichts des köstlichen Knochens der vor mir
auf dem Teller liegt, fällt mir dies nicht schwer. Dessen Inhalt: butterzartes
Mark vom Rind. Der Autor und Produzent der Sendung «Bourdain – eine Frage des
Geschmacks», beförderte dieses kurzerhand zur «Butter der Götter». Für
Liebhaber grosser Röhrenknochen sind diese jedoch nicht göttlich, sondern
schlichtweg der Himmel auf Erden. Sie werden der Länge nach halbiert und im
Ofen gegart. Man würzt mit Salz und Pfeffer und serviert sie wahlweise mit
frischem oder geröstetem Weissbrot. Damit Sie nicht selber mit der Knochensäge
hantieren müssen, reservieren Sie sich jetzt einen Tisch im Alpbad in Sissach.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.