Freitag, August 25, 2017

O'Keefe macht Geld - Aus dem Logbuch eines Inselsammlers 4

O’Keefe und das Steingeld

Wir befinden uns auf der Insel des Steingeldes. Bei diesem «Geld» handelt es sich nicht um Kleingeld, sondern um Riesenmünzen in der Grösse einer Pizza Napoli (5 Franken), eines Wagenrades (126 Franken) oder eines Mühlsteines (399 Franken).
Man ging mit diesen Münzen weder in die nächste Bar noch zur Sparkasse. Sie symbolisierten andere Werte. Sie waren zwar durchaus handelbar, allerdings wurden sie nur im Immobilien- und Ablasshandel verwendet. Tatsächlich brauchte man die Klopse vorwiegend, um allerhand Streit zu schlichten.
Sollte zum Beispiel Jüngling A der Jungfer B in einer Vollmondnacht etwas zu nahe getreten sein, wird Vater B von Vater A Genugtuung in Form eines Geldsteins verlangen. Man nannte dies hier auch «einen Stein vom Zaune brechen».
Die Chiefs verhandelten solche Fälle in einer öffentlichen Freiluftarena. Unter schattigen Palmen hatte man ihnen, da sie weise und somit auch schon ein bisschen älter waren, steinerne Rückenlehnen eingegraben. Dort sassen sie dann bis sie noch weiser geworden waren und gaben bereits nach wenigen Tagen ihren Richtspruch bekannt: Vater B erhielt von Vater A zwei Mühlsteine.

 O’Keefe wird König

Natürlich handelt es sich bei diesen Steinen nicht um irgendwelche ordinäre Felsbrocken. Da könnte ja jeder sein Geld selber machen! Den wunderbar glitzernden Aragonit/Kalzit findet man auch nicht in Yap, sondern auf der Insel Palau. Die Stein- und Geldbrüche waren ganz schön weit weg!
Musste die Staatsbank ihre Reserven aufstocken, konnte sie nicht einfach der nächsten Druckerei telefonieren. Da mussten schon die Auslegerboote losgeschickt werden! Nur die jüngsten und kräftigsten Männer wurden mit diesen aussergewöhnlichen Kanus auf die Reise übers Meer geschickt. Je nach Wind und Wetter dauerten solche Fahrten zwischen einigen Wochen und mehreren Monaten.
In Palau angekommen, musste zuerst mit den dortigen Chiefs verhandelt werden. War man sich handelseinig geworden, ging’s ab in die Steinbrüche. Man haute die Münzen Stück für Stück aus dem Berg. In die Mitte der steinernen Dublonen bohrte man anschliessend ein Loch. Zum Transport schob man ein Rundholz hindurch und konnte sie so mühelos auf zwei Schultern wegtragen.
Da das Geld zu gross und zu schwer war, um es im Boot zu transportieren, band man es kurzerhand darunter.
Wieder war man wochenlang unterwegs. Die Überfahrten waren vielfach stürmisch; eigentlich waren sie immer stürmisch. So kam es, dass nur wenige Boote die Fahrt bis nach Hause schafften. Umso weniger Steingeld jedoch die Heimat erreichte, desto wertvoller waren nachher die einzelnen Steine.
O’Keefe merkte bald einmal, wie das mit dem Steingeld funktionierte. Er heuerte eine Hundertschaft Palauer an und liess sie «Geld hauen». Mit einem voll beladenen Schiff fuhr er zurück nach Yap und warf das Geld auf den Markt. Bezahlbar in Seegurken.
Die Yaper staunten nicht schlecht, stürzten sich ins Wasser und pflückten Seegurken en gros. Wir kennen den Wechselkurs von Seegurken und Steingeld leider nicht. Tatsache ist, dass O’Keefe in kürzester Zeit zum Meister aller Seegurkenhändler aufstieg.
Er beschloss, sich zur Ruhe zu setzen und baute sich in der Lagune von Yap ein Häuschen. Die Yaper waren des Lobes voll, schwammen im Geld und lebten glücklich und zufrieden. Der Chief von Yap schenkte ihm seine minderjährige Tochter, schon bald heirateten sie, hatten viele Kinder, und als der Chief starb, wählte der Ältestenrat O’Keefe zum König von Yap.

Noch sind die Ruinen von O’Keefes Haus zu sehen. Und in «O’Keefes Kanteen», einer trendigen, verrauchten Bar, findet man allerhand Andenken und Bücher. Die Riesenmünzen aus Steine aber findet man immer noch zu Hunderten auf der Insel. Einzeln hinter kleinen Häuschen stehend, oder versammelt in «Steinbanken». Und die Floskel «Häsch mir hundert Stei?», macht plötzlich Sinn.

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