Donnerstag, August 31, 2017

An Bord der Thorfinn - Aus dem Logbuch eines Inselsammlers 8

Satawal, Yap Outer Islands

Der vierte Teil der Reportage aus Mikronesien beschreibt eine Dampferfahrt an Bord der S.S.Thorfinn. Ziel ist Satawal, die Insel der Navigatoren.

Warmes Bier und Lendenschurz

Wir erreichen die Insel Satawal kurz vor Tagesanbruch. Mit grösster Vorsicht hat die S.S.Thorfinn die Passage durch das Riff gemeistert und vielleicht zweihundert Meter vom Ufer entfernt den grossen Anker gesetzt. Die Dämmerung bricht an, erste Sonnenstrahlen beleuchten das Ufer und geben die Sicht frei auf eine beinahe biblische Szene. Hunderte von Menschen, jung und alt, säumen den Strand. In bunten Kleidern, manchmal auch nur von Lendenschurz oder Bast-Rock bedeckt, sitzen, stehen oder liegen sie zwischen Palmen und windgeduckten Sträuchern.
Bevor wir an Land dürfen, läuft die übliche Zeremonie ab. Manno, der Chief der Insel, kommt an Bord. Die Frau des Kapitäns serviert ihm als Willkommenstrunk ein eiskaltes Bier. Welch’ herrliche Wohltat für unsern Besuch! Denn, auch wenn es Bier gäbe auf Satawal, es wäre mangels Kühlschränken vierzig Grad warm.
Es entwickelt sich das übliche Palaver über Gott, die Welt und Geld. Beim zweiten Bier erfährt der Kapitän, dass die Hafengebühren gestern eben verdoppelt wurden. Dass es in Satawal keinen Hafen gibt, spielt diesbezüglich keine Rolle. Zusätzlich wird eine neue Ankergebühr, eine Besuchsgebühr und ein Obolus für die Tanzvorführungen verlangt.
Das dritte Bierglas ist leer und der Kapitän drängt zum Aufbruch. Jetzt setzt der Kapitän mit einem Matrosen und dem etwas angeschlagenen Besucher in einem kleinen Boot zur Insel über. Dort wird er vom insularen Gemeinderat begrüsst, die Gastgeschenke (Bier, Tabak, Kaffee, Zucker) werden übergeben. Nach einem kurzen Blick in die Schachteln nickt der Chief, und auch wir dürfen die Insel betreten.

Die Begrüssung ist überaus fröhlich, die Stimmung beinahe ausgelassen. Die Einheimischen schliessen sich uns an, begleiten uns über Trampelpfade zu ihren Hütten, zeigen uns stolz ihr kleines Paradies. Man serviert uns Palmwein und Kokosnüsse, ich rauche eine selbstgedrehte Zigarette. Das Papier stamm von einer alten Zeitung, ich erkenne japanische Schriftzeichen. Zutrauliche Vögel hüpfen uns auf die Schulter, wir klettern über Flugzeugwracks aus dem Zweiten Weltkrieg. Am Strand liegen glückliche Schweine. Allerdings sind sie angebunden, sie würden sonst innert kürzester Zeit die Taro-Gärten umgraben und zerstören. Das Schulhaus ist geschlossen, der Lehrer schon längst abgehauen. Auch die kleine Sanitätsstation scheint unbesetzt zu sein. Die Solaranlagen sind defekt, genauso wie der grosse Stromgenerator. Das letzte Versorgungsschiff besuchte die Insel vor sechs Monaten. Es hatte Reis und Kunststoffsandalen im Angebot. Und somit ist die Frage geklärt, warum alle Inselbewohner die gleichen, blauen Schlappen tragen.
Angesichts der, für unsere Augen doch ziemlich desolaten Situation, müssten wir eigentlich auf lauter unglückliche, verzweifelte und depressive Menschen stossen. Tun wir jedoch nicht. Nicht ein einziger Anwärter auf ein Burnout weit und breit!

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