Ulithi-Atoll, Yap Outer Islands
Es gibt Ziele, die einfacher zu erreichen
sind. Zum Beispiel Mallorca. Aber dorthin können wir hoffentlich auch später noch
reisen. Und dies ganz ohne umständliche Anreisen und komplizierte
Einreisebestimmungen. Von Europa bis nach Yap reist man noch einigermassen entspannt.
Nur gerade die amerikanische Insel Guam muss überwunden werden.
Ein Aufenthalt auf den «Outer Islands», den
äusseren Inseln, muss frühzeitig organsiert werden. Nicht nur, weil man für
deren Besuch ein lokales Visum benötigt, sondern auch, weil die Insel nur von
kleinen Propellermaschinen einer Missionsgesellschaft angeflogen werden.
Wir hatten die Reise sorgfältig geplant. Da
man die Flüge von Yap nach Ulithi nicht beim nächsten Reisebüro buchen konnte,
schrieb ich direkt den Missionaren in Yap. Und bekam überraschend schnell eine
Antwort. Der Chefmissionar der «Pacific Mission Aviation ― Serving Jesus Christ
in the Islands of Micronesia ― meldete sich persönlich mit dem kurzen Satz:
«Kein Problem, ich komme am 28. Dezember um 18.00 Uhr in ihr Hotel und bringe
den Flugschein, Halleluja!»
Auf den äusseren Inseln kann es durchaus sein,
dass während Monaten kein Schiff vorbeikommt. Nur auf wenigen Inseln können
kleine Propellermaschinen landen. Man hat deshalb alle Zeit dieser Welt, um
über die Zeit an sich nachzudenken. Denn Zeit ist ein Begriff, denn es so in
diesen Breitengraden nicht gibt. Zeit ist, wenn die Sonne aufgeht oder wenn
eine Kokosnuss herunterfällt. Zeit ist, wenn die Sau zum Eber und der Fisch zur
Angel geht.
Die Menschen sind die Herren der
Zeitlosigkeit. Und manchmal schenken sie dir ein Stück davon. Und wenn du die
Zeit dann endlich vergessen hast, weisst du, dass du im Paradies angekommen
bist.
Viele Inseln sind für Besucher schlicht tabu.
Weise Chiefs – Häuptlinge – haben erkannt, welchen Schaden Prediger und ihre
Kohorten anrichten können. Sie haben zusehen müssen, wie ganze Inseln ihre
Kultur, das alte Wissen und die Zeitlosigkeit verloren haben.
Sollte zwecks Familienplanung oder während des
Wahlkampfs jemand die Insel besuchen wollen, benötigt er ein Visum. Ausgestellt
wird dieses vom «Outerisland Council». Dieser Seniorenrat tagt jedoch nur
viermal im Jahr, nimmt sich dabei ausführlich Zeit und, wer würde es ihnen
vergönnen, ab und zu ein Gläschen Palmwein. Gelangen die Senatoren zum Schluss, dass der
Antragssteller genehm ist, erhält er ein Visum und eine Einkaufsliste. Tatsächlich
waren die Chiefs unserm Ansinnen ihr Eiland zu besuchen, überaus gnädig
gestimmt und vergassen auch nicht, uns ihren Einkaufszettel zu übermitteln:
Bier, Kaffee, Zucker, Tabak und Nähmaschinenöl.
Und so warteten wir am Vorabend des
Weiterfluges an der menschenleeren Bar unseres Hotels auf den Piloten. Es war
genau 18.00 Uhr, als sich eine bleiche, etwas unsicher wirkende Gestalt neben uns
setzte.
«Grüezi, mein Name ist Gabriel. Wie der
Erzengel, Halleluja! Ich wäre ihr Pilot gewesen. Wenn nicht gestern ein Taifun
das Atoll ins Meer geblasen hätte. Alle Flüge sind abgesagt. Amen.»
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