Tagträumend sehe ich Weisshüte vor mir, wie sie ― Messer wetzend und grimmig
blickend ― durchs Unterholz schleichen und manch’ armem Schwarzkittel nach dem
Leben trachten.
Tatsächlich aber führt des Koches Jagd vornehmlich durch die tristen
Regalgänge des nächsten Grossmarktes, wo er sich ― Bleistift wetzend und
grimmig blickend ― von Aktionsangebot zu Aktionsangebot schleicht. Der
einheimische Aktions-Hirsch röhrte letztmals in Ungarn, die Tiefpreis-Hasen
gaben ihre Löffel in China ab. Die Sonderangebots-Rehlein stammen aus der
eigenen Jagd in Hinterindien und der Wildsaupfeffer ― natürlich kalibriert,
sterilisiert, pasteurisiert und in handlichen 10-kg-Kesseln geliefert ― wurde
östlich des Urals eingebeizt.
In einer Zeit, in der Ethik im besten Fall als Kurzform von Etikette
verstanden wird, ist der Etikettenschwindel alltäglich. Und ― auch wenn der
Import von afrikanischen Kudus, Schwarzschwanzgazellen und andern Springböcken
zurückgegangen ist: Immer wieder tauchen einige von ihnen als Rehrücken «Hubertus»
oder Rehpfeffer «Diana» einheimisch wieder auf. Etikettenschwindel nennen es
die einen und zucken die Achseln. Ich nenne es Betrug, Betrug am Gast.
Sollten Sie demnächst vor einem Rehrücken «Diana» («Die wie das Licht
Glänzende») sitzen, greifen sie ungeniert und lustvoll zu. Entgegen der Meinung
von A. aus B. wurde diese Zubereitungsart weder von Diana Ross («The Supremes»),
noch von Lady Diana («The Royals») erfunden. Bei der Namensgeberin handelt es sich
vielmehr um eine römische Göttin gleichen Namens, die je nach Wunsch für den
Mond, für die Fruchtbarkeit oder für die Jagd – auch auf Synchronfassungsrehe -
zuständig war.
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