Mittwoch, März 28, 2018

Billig


 
Nennen wir ihn Kari Koch. Ersten gibt es ihn nicht. Zweitens aber gibt es ihn sehr wohl. Er ist eine Art virtueller Feind geistiger Festplatten, ein bösartiger und virulenter Virus der Gattung „Rentabilitosa gastronomis“. Übertragen wird er durch Tröpfcheninfektion an Vereins- und Verbandsanlässen, Urheber ist eine Gruppe betriebswirtschaftlicher Endzeit-Strategen.

Kari Koch ist stolz darauf, dass seine getrüffelte Gänseleberpastete noch nie – auch nicht von weitem – eine Gans gesehen hat. Zu den Trüffeln schweigen wir lieber. Sein Coq ist ein dänisches Käfighuhn und der Dézaley dazu stammt von den zusammengeschütteten Resten des letzten Banketts. Der Parmaschinken kommt aus dem Tessin, das Bündnerfleisch ist ein billiges Imitat. Der Champagner im Sorbet ist keiner und das Cüpli ist ein Frizzantino. Die Bodenseefelchen stammen aus holländischen Aquakulturen, die Mozzarella di Bufala von ordinären Kühen. Karis hausgeräucherter Speck kommt vom Cash & Carry und sein Schinken ist ein aus irgendwelchen Teilen zusammengepresster jämmerlicher Fleischhaufen. Seine Pouletschnitzel sind, wie auch die unvermeidlichen Fischstäbli, zerkleinerte und wieder zusammengesetzte Bestandteile animalischer Herkunft. Karis Kaviar ist eingefärbter Rogen unbekannter Abstammung, der Weisse Trüffel ist ein aromatisiertes Ersatzprodukt aus der Türkei. Wenn man bei Kari Mineralwasser bestellt, bekommt man selbstverständlich karbonisiertes Leitungswasser und den zwanzigjährigen Whisky macht er aus vier Fünfjährigen. Statt Martini gibt’s ein Generikum.

Nun – Kari Koch gibt’s nicht wirklich. Oder – Kari Koch ist immer der andere. Aber – Kari Koch sieht man nicht. Aber auch – Kari Koch kann in allen sein. Im Küchenchef, wenn er stolz erzählt, dass er noch günstigere Poulets gefunden hat. Im Einkäufer, wenn er eine noch günstigere Quelle für „Weissnichtwas“ gefunden hat. Im Sommelier, wenn er einen wirklich günstigen Schaumwein gefunden hat. Und im Chef de Bar, wenn er den absolut günstigsten Cognac eingekauft hat.

Billig bleibt billig, auch wenn man günstig dazu sagt. Vergessen Sie deshalb diese Worte sofort. Überlassen Sie diese Unwörter den Discountern, Telefongesellschaften und dem Nachbarn. Denn die Steigerungsreihe von billig lautet: billig, billiger, am billigsten, nichts. Denn nur „nichts“ ist billiger und erst noch gratis. Kari Koch hilft gerne dabei. Günstig und billig.



Wenn Markt im Dorf war, zog es mich als kleinen Jungen unwiderstehlich zum „Billigen Jakob“. Bei ihm gab es alles zu kaufen, was man auf dem Land zum täglichen Leben so brauchte: Hagenbuchige Hosen, Nagelschuhe und Melkschemel. Allerhand Lederzeug, grosskarierte Hemden und handgestrickte Socken. War ein Verkauf abgeschlossen, liess er gekonnt ein paar Hosenträger in die Streben des grossen Sonnenschirms schletzen, warf das Geld in eine grosse Holzkiste und knallte den Deckel so laut zu, dass man es noch bei Bartholdi hinter der Kirche hörte. Der Billige Jakob war alles, aber sicher nie „billig“.
 

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