Sonntag, April 28, 2019

Mikronesien: Kein Schwein interessiert es


Der grosse, römische Feldherr Lukullus, den guten Dingen des Lebens nicht abgeneigt, hätte sich wohl kaum im Ulithi-Atoll oder auf einer anderen Insel inmitten des Pazifik niedergelassen. Ausser Fisch und Meeresfrüchten, die es in Hülle und Fülle gibt, ist die Auswahl an Hauptgängen eher eingeschränkt. Als Beilagen isst man Brotfrucht, Süsskartoffeln und Reis, manchmal angereichert mit Taro und Wasserspinat aus dem Gemüsegarten. Hat nicht mal wieder ein Taifun die Bäume umgelegt, wird die Diät mit Kokosnüssen, Papayas und Bananen abgerundet.
Stehen grössere Festivitäten an, dazu gehören Hochzeiten und Beerdigungen, aber auch ein längerer Aufenthalt im Ausland, muss ein Schwein her. Inselschweine geniessen, gegenüber ihren eingepferchten Artgenossen auf dem Festland, ein beinahe glückliches Leben. Aber eben nur beinahe. Da sie die Wurzeln der Taro-Pflanzen genauso schätzen wie die Menschen, kommt man sich in die Quere. Wer schon einmal gesehen hat, wie ein Maisfeld nach dem Besuch einer Herde Wildschweine ausgesehen hat, der kann sich vorstellen, wie ein Tarofeld nach dem Besuch einer Familie Hausschweine aussieht: Alles umgegraben! Deshalb werden die Schweine auf den Inseln an Stricken zwischen Bäumen angebunden, ihr Auslauf ist begrenzt.
Nur die Jüngsten unter ihnen haben, solange sie noch säugen, freien Auslauf. Und genau so eine kleine Sau ist es, die sich an meiner Hängematte zu schaffen macht. In ihrem Gefolge sind noch acht weitere kleine Schweinchen; ein überaus herziger Anblick! Auch für Apollonia, unsere einheimische Freundin. Apollonia heisst übrigens nicht Apollonia, auch die Namen der meisten Inseln sind geändert. Die Menschen wollen ihre Namen nicht im Internet lesen.

Nun, Apollonia ist genauso entzückt vom Anblick des Säuleins wie wir und seufzt: „Wie gerne würde ich doch wieder einmal Schweinebraten essen!“ Meine Frau blickt mich an, ich blicke zurück und schon sind wir stolze Besitzer eines Schweins. Wir übergeben es feierlich Apollonia! Wie aber sollte sie das Schwein von der Insel Ik nach Falalop und von dort nach Yap transportieren?
«Kein Problem. Ich habe eine alte Bananenschachtel, da mach ich ein paar grosse Löcher rein. Somit hat das Schwein genug Luft. Nach Falalop fährt es in meinem Kanu mit, anschliessend reist es im Flugzeug nach Yap.»
Ob es nicht günstiger sei, das Tier mit der Fähre zu transportieren, frage ich sie.
«Nein, ich packe den kleinen Quicker in meine Handtasche. Auf diese Weise reist er als Handgepäck. Auf der Fähre hätte es mich zehn Dollar gekostet.»

Nein, diesen Schweinebraten würden Sie und ich nicht mögen. Die Tiere erhalten keine Resten aus den Küchen, diese isst man lieber selbst. Die Schweine werden mit Kopra, dem getrockneten und äusserst fetthaltigen Fleisch der Kokosnuss gefüttert. Das Fleisch bekommt dadurch einen unangenehm süsslichen Geschmack.

Wird ein Schein geschlachtet, interessiert das übrigens kein Schwein. Geschlachtet wird hinter der Hütte, ganz ohne Kantonstierarzt, Zuschauer, Kameras und veganen Gutmenschen.




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