Mittwoch, April 17, 2019

Tahiti

Ia Orana!

«Ia Orana», sagte das Mädchen, als es mir den tropischen Drink servierte – «Ich wünsche Dir einen schönen Tag».
Eine kleine Eidechse floh und verschwand blitzschnell in einer Spalte der Steinmauer. Vor mir nicht viel mehr als Meer, aber was für eines! Das unendliche Blau des Pazifiks, gespickt mit kleinen weissen Schaumkronen, verschmilzt am Horizont mit dem Himmel.
Ich sitze im Schatten einer Palme, links im Hintergrund sind die Umrisse der Insel Moorea zu sehen.
Rechts breitet sich der tiefschwarze Sandstrand aus, er endet in einer kleinen Bucht, geht über in das Grün der tropischen Vegetation, wird eingerahmt von den Luftwurzeln der Mangroven.
Wellen rollen heimtückisch und langgezogen gegen die Küste um dort ihre lange Reise zu beenden. Manche rollen sanft an den Strand, andere brechen sich unter Kanonendonner, wieder andere hauchen fauchend und grimmig grollend ihr Leben aus. Woher sie wohl kommen? Sie verraten ihre Geheimnisse nur selten.
Nur wenn sich im Treibgut der Teil eines Kanus aus Kamtschatka finden lässt, eine Planke mit japanischen Schriftzeichen anlandet, wenn sich eine kleine Gummiente mit dem Aufdruck Made in Italy im Tang verfängt, nur dann lässt sich erahnen, welche lange Reise hinter den Wellen liegen.
Der amerikanische Politologe und Autor Eugene Burdick (The ninth Wave, The ugly American) hat 1961 sein Buch The Blue of Capricorn veröffentlich (Verlag Houghton & Mifflin Co.).
Ich habe dieses Buch vor einigen Jahren in einer Bar auf der Insel Yap in Mikronesien gefunden. Möglicherweise hat es auch mich gefunden.
Denn noch nie zuvor hatte ich solche wunderbaren Beschreibungen des Pazifiks gelesen. Es sind praktisch meine ureigenen Eindrücke die ich hier wieder finde. Da hat doch tatsächlich ein Theoretiker, zudem einer aus der Zunft der Politiker, eine perfekte Anthologie des grössten Ozeans der Erde geschrieben!
Wenn ich nun morgen zur letzten Etappe meiner Reise zu Gauguin aufbreche werde ich weder Bougainvilles romantisch angehauchten Reisebericht noch die Schiffstagebücher von James Cook dabeihaben. Auch die Romane von Jack London und Herman Melville blieben zu Hause im Büchergestell. Neben Blue of Capricorn haben es nur noch Georg Forsters 1777 erschienene Reisebeschreibung A Voyage Round The World ins Schiffsgepäck geschafft sowie die Geschichtensammlung Verrücktes Paradies von Alex W. duPrel.
«Darf ich Dir noch einen Cocktail bringen?», hörte ich die charmante Polynesierin fragen.
«Ja, sehr gerne», antwortete ich und schloss den Deckel meines Laptops.
«Ia Orana!»



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