Dienstag, Oktober 18, 2016

Bommel regiert

Bildergebnis für beamter witzig

Es war ein gewöhnlicher Donnerstagmorgen im Juni 2016. Es regnete, so wie es bereits die ganze Woche geschüttet hatte. Genau besehen regnete es seit 27 Tagen, acht Stunden und 3 Minuten. Aber wer möchte das im Nachhinein schon so genau wissen. Der Verlauf des Wetters war höchstens geeignet, Melancholikern und Satirikern einen Lustgewinn zu verschaffen. Normale Menschen, zu denen gehört zweifellos auch Frau Bommel, hatten sich in den letzten Wochen im besten Fall ein Magengeschwür angejammert.

Frau Bommel, nur Freunde dürfen sie «Bommeli» nennen, ist beruflich so etwas wie Hilfsgemeindeverwalterin einer kleinen Baselbieter Gemeinde. Dort ist sie unter anderem für Freinachtbewilligungen, Gelegenheitswirtschaften und Wohnsitzbescheinigungen zuständig. Es ist unschwer zu erkennen, dass es sich hierbei um äusserst kräfteraubende und anspruchsvolle Tätigkeiten handelt. Und so wundert es niemand, dass sie schwer seufzte, als eine elegante Dame mittleren Alters ihr Büro betrat. Nur langsam hob Bommel ihren Kopf, strafte die Erscheinung kurz ab und zischte «Was-wait-ihr?»
Nun, die elegante Dame mittleren Alters hatte beschlossen, ihren Wohnsitz in die kleine Baselbieter Gemeinde zu verlegen. Nach einem Leben in der Stadt wollte sie zurück zu ihren Wurzeln, dorthin wo schon ihre Vorfahren gelebt hatten und angesehene Geschäftsleute gewesen waren. Sie hatte genug von der Stadt, vom Lärm und von der Hektik. Deshalb hatte sie sofort «Ja» gesagt, als ihr eine gute Freundin angeboten hatte bei ihr einzuziehen. Sie hätte, so meinte diese, genügend Platz in ihrem Haus; es lebe sich gut hier, in dieser kleinen Baselbieter Gemeinde inmitten von netten Menschen und Kühen.
Die Dame – sie war nicht nur elegant und mittleren Alters, sondern auch durchaus vermögend – beabsichtigte, sich an diesem regnerischen Donnerstagmorgen auf der Gemeindeverwaltung anzumelden.
«Ich wohne neu in der Vogelwaid 3, bei Tschümperli.»
«Nein, bei Tschümperli wohnen sie nicht», beschied ihr Bommel.
«Ich bin aber letzte Woche bei Tschümperlis eingezogen, also wohne ich jetzt auch bei Tschümperlis. Oder wollen sie mir unterstellen, dass ich lüge?», gab sie leicht genervt zurück.
«Nein. Aber an der Vogelwaid 3 gibt es laut meinem, von mir persönlich verwalteten Wohnungsregister nur eine Wohnung und dort wohnen Tschümperlis. Und genau deshalb können sie dort nicht wohnen! Adieu», zischte Bommel und ging nach Hause.
Und deshalb zahlt die geheimnisvolle Dame auch heute noch ihre Steuern in der grossen Stadt. Hätte Bommel gewusst, wieviel Einnahmen der Gemeinde entgangen waren, so wäre ihr wohl der Kragen geplatzt. Hätte sie zudem geahnt, dass die elegante Dame mittleren Alters immer noch bei Tschümperlis wohnt, dann wäre ihr möglicherweise auch noch die Hutschnur weggeflogen.

 

Mein Fussabdruck gehört mir!

Es muss wohl ein frühkindliches Trauma gewesen sein, das meine Abneigung gegenüber Essensvorschriften geprägt hat.
«Es wird aufgegessen!», sagte die nette Tante, nicht ohne mich auf ein mögliches Fernsehverbot hinzuweisen. Ich dachte an Lassie und Fury und wies die Drohung zurück.
Grossmutter versuchte es auf die sanfte Art: «Wenn du deinen Teller brav leer isst, wird das Wetter schön!» Natürlich unterstand ich mich, sie zu fragen, ob sie denn auch noch an den Storch glauben würde.
«Denk’ an die armen Kinderlein in Biafra!», griff nun der Onkel in den Monolog ein. Als ich mir vorstellte, dass diese Hungerleider vielleicht bereits vor meiner Türe stehen könnten, lenkte ich sofort ein.

Natürlich gab es noch weitere Essensbefehle. «Rüebli! Hast du schon dein tägliches Rüebli gegessen? Du weisst doch, Hasen müssen nicht zu Fielmann!» Kaum war das Gemüse weg, kamen die Früchte an die Reihe.
Bildergebnis für a guinness a day keeps the doctor away«An apple a day keeps the doctor away! – Ein Apfel pro Tag hält den Doktor fern.» Kann sein, aber gegen den Zahnarzt hat es leider nicht geholfen. Und den Apfel kann man auch durch ein Guinness ersetzen …

Neben den Essbefehlen gab es noch eine ganze Suppenschüssel voller Essverbote. So durfte nach den Kirschen kein Wasser getrunken werden. Verschluckte man aus Versehen – oder absichtlich – einen Kirschenstein, wurde man, infolge der unmittelbar bevorstehenden Blinddarment-zündung, direkt ins nächste Spital gefahren.
Ein absolutes Verbot galt ebenfalls dem noch warmen, frischen Brot. Und auch der noch rohe Teig beim Backen war tabu.
Am Abend durfte nichts mehr gegessen werden, weil es angeblich dick mache. Während ich meinen Bauch betrachte denke ich, dass auch dieses Verbot rein gar nichts genützt hat.
Auf Salz musste wegen des Blutdrucks verzichtet werden.

«Wenn du mal 80 bist, wirst du noch an mich denken!»
Stimmt nicht. Ich hatte bereits mit 40 zu hohen Blutdruck. Das strikte Salzverbot verdanken wir der Fehlinterpretation eines Experimentes mit Ratten. Wir müssten uns täglich (!) ein ganzes Pfund Salz einwerfen ...

Heute stehen andere vor der Türe. Weder haben sie Hungerbäuche noch sind sie schwarz. Nein, sie sind gut genährt und grün. Und sie wollen mir ihre Volksinitiative «Grüne Wirtschaft» schmackhaft machen. Man will mir vorschreiben, wie ich mich zu ernähren habe. Fleisch, Fisch und Milchprodukte sollen von meinem Teller verschwinden. «Der «ökologische Fussabdruck» der Schweiz soll – auf die Weltbevölkerung hochgerechnet – eine Erde nicht überschreiten.» Welcher, mit Dyskalkulie gesegnete, Werbetexter hat wohl diesen Wurmfortsatz zusammengebastelt?
Natürlich wird meine Wurst nicht einfach so huschhusch von meinem Teller verschwinden. Dazu braucht es zuerst neue Gesetze, Verordnungen und Vorschriften. Wieder einmal will man mir Essensvorschriften machen! Und wieder einmal werde ich wütend. Mein Fussabdruck gehört einzig und allein mir!

Widewidewitt, bumm, bumm



Ohne wirklich überrascht zu sein, nehmen wir zur Kenntnis, dass die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung ein weiteres Mal steigen. Je nach Branchenverband sitzen die Schuldigen in Spitälern, in Arztpraxen oder in Apotheken. Doch nicht überall wird abkassiert, es gibt auch Ausnahmen!
Die heutige Geschichte handelt von zwei uneigennützigen, edlen und grossmütigen Ärzten, die in zwei Spitälern mindestens eine Patientin und einen Patienten aus dem Baselbiet kostengünstig behandelt haben.

Die bevorstehende Operation, so der Professore, werde er natürlich persönlich ausführen. Immerhin handle es sich um einen etwas diffizilen Eingriff. Da wolle er nicht, dass etwas schiefgehe. Nach dem nachmittäglichen Golfspiel bereitete er sich bei einem Glas Laurent-Perrier Brut und einem Lachsbrötchen auf die nächsten Operationen vor. Und wie immer dachte er dabei auch ans Sparen. Deshalb telefonierte er kurz seinem Assistenten und wies ihn an, den für Morgen geplanten Eingriff selber durchzuführen. Weil doch sein Honorar deutlich tiefer sei als das professorale Entgelt. Und schon hatte er dem schweizerischen Gesundheitswesen Kosten in der Höhe eines Kleinwagens erspart! *.
Aus den wohl gleichen Gründen verzichtete man bei der postoperativen Wundbehandlung auf schmerzstillende Mittel und liess die Patientin in ihrem Blute liegen. Tönt zu pathetisch? Mitnichten! Da kennen sie den Dottore noch nicht! Die Bitte nach einem Luftbefeuchter – die Luftfeuchtigkeit im Zimmer betrug unwirtliche 20 % – lehnte er aus Kostengründen glattweg ab.

«Ich möchte nicht schon wieder das schimmlige Gemäuer renovieren lassen. Ganz zu schweigen von der Bettwäsche, die feucht und grau wird.» Sagte es, und entschwand in die Ferien.
Da er dies nicht alleine tat, fehlte auch die Oberschwester. Und somit wusste auch niemand, welche Medikamente die Patientin bekommen sollte. Und deshalb musste auch auf die übliche Austrittsuntersuchung verzichtet werden. Das nenne ich Sparen!

«Elvis lebt!», so der Titel einer spätsommerlichen Gruselgeschichte in der Regenbogenpresse. Ja. Ist ja gut. So wie man Michael Jackson in einem Pfadilager gefunden hat, General Suter in Rünenberg aufgetaucht sei und die SVP Schattdorf Tell auf dem Brunnistock gesehen haben will.

Wahr hingegen ist, dass Nachfahren des berühmten Chirurgen und Quacksalbers Dr. Eisenbarth im Baselbiet wirken.
In mondleeren Nächten sitzen sie unter bemoosten Eichen und singen das alte Trinklied über ihren Vorfahren:
 
Abbildung Notgeldschein Ich bin der Doktor EisenbartIch bin der Doktor Eisenbarth,              
widewidewitt, bum, bum,
kurier die Leut’ auf meine Art,
widewidewitt, bum, bum.
Kann machen, dass die Blinden geh’n,
widewidewitt, juchheirassa,
und dass die Lahmen wieder seh’n,
widewidewitt, bum, bum.

* Verrechnet wurde dann doch das professorale Honorar.
Die Antwort der Krankenkasse nach einem entsprechenden Hinweis: «Widewidewitt, bum, bum.»
 

Freitag, Juli 08, 2016

Vor den Ferien

Es war ein eiskalter Montagmorgen im Frühling 2016. Und als ob dies nicht genügt hätte mir den Tag zu versauen, begegnete ich auf meinem Weg ins Dorf dem alten Kaderli. Ich bin zwar nicht wirklich jünger, aber er sieht einfach viel älter aus. Da nützte ihm auch die ungesunde Studiobräune nichts, die viel zu grosse Sonnenbrille sah schlicht lächerlich aus, sein roter Anorak aus der Boutique verlieh ihm den Charme einer alternden Diva. Kaderli stand vor dem Schaufenster des einzigen Reisebüros und betrachtete die bunten Plakate.

Eigentlich wollte ich ihn nicht ansprechen, die bissige Kälte liess meinen Atem gefrieren. Trotzdem konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und tippte dem Wichtigtuer auf die Schultern.
«Hallo Kaderli. Na, schon Ferien gebucht, wohin geht’s denn? »

Nachdem er sich vom Schrecken erholt hatte, plusterte er sich auf und antwortete etwas überheblich.
«Bambi und ich fahren dieses Jahr nach Fushi…– äh – Bambi, weisst du wie das heisst und wohin wir fliegen? »
Wieso Kaderli seine Frau Bambi nannte, war mir ein Rätsel. Weder war sie ein junges Reh noch herzallerliebst.
Tatsächlich hatten aber Kaderli und Bambi keine Ahnung, in welchem Land denn das ominöse «Fushi-äh» liegt und wussten deshalb auch nicht welche Sprache man dort spricht. Ich empfahl ihnen deshalb, sich danach zu erkundigen und sich gleichzeitig die Hunderter-Regel hinter die Ohren zu schreiben.
Man kaufe sich hundert Tage vor der Abreise ein Wörterbuch, lerne jeden Tag ein Wort und bereits nach wenigen Wochen wird man lustige Unterhaltungen führen können. Man vergesse Konjugation, Deklination und andere grammatikalischen Hürden. Man lerne nur die wichtigsten 10 Verben in ihrer Grundform, «ja und nein», «kalt und warm» sowie 86 Substantive. Diese können je nach Befindlichkeit selbst ausgesucht werden. Damit können nun lustige Sätze wie «Wollen Bier», «Haben Durst», «Suchen Trinkhalle» ausgesprochen werden.
Natürlich werden sie mit diesen Worten keine Diskussion über den Genitiv führen können. Und es wird ihnen auch nicht gelingen, einem Beduinen die Richtlinien des «Eidgenössischen Amts für die Gleichstellung von Mann und Frau» zu erklären. Aber vielleicht werden sie sich im italienischen Hotel nicht mehr die Hände verbrühen, weil sie «caldo» wieder einmal mit «kalt» verwechselt haben. Am besten reden sie eh so wenig wie möglich und -- so leise wie möglich. In gewissen asiatischen Ländern ist ein allzu lautes Auftreten nämlich absolut tabu: Sie könnten glattweg das Gesicht verlieren. Und wie wollen sie dieses je wiederfinden, so ganz ohne Fremdsprachen!

Seien sie auch vorsichtig mit der Deutung von Kopfbewegungen. Schüttelt ein alter Grieche den Kopf und sagt dazu anhaltend «Ne!» dann meint er damit «Ja». Würde er «Nein» meinen, täte er nicken und ein gutturales «ochi, ochi» rufen. Daran sollten sie denken, wenn ihnen demnächst ein Einheimischer vor der Akropolis beim Einparken hilft.
 

 

Donnerstag, Juni 09, 2016

Madame Pompadour und der Tauchlehrer

Madame Pompadour und der Tauchlehrer
 
Die Îles des Saintes – die Inseln der Heiligen – sind eine Inselgruppe in der Nähe von Guadeloupe. Hier haben wir getaucht, uns ausgeruht, manchmal geträumt und ab und zu etwas getrunken.

 
Wir wurden von unserer Gastgeberin mit einem Citroen Méhari, dem vielleicht hässlichsten Fahrzeug der Welt, am Flugplatz der Insel Terre-de-Haut erwartet. Wir setzten uns auf eine schattige Holzbank vor dem kleinen Hotel und sahen uns um. Ein Einheimischer kam auf uns zu, murmelte uns an und schlurfte weiter.

„Ich wusste gar nicht, dass es weisse Neger mit roten Haaren gibt!“
„Man sagt nicht Neger!“ antwortete mir meine Frau.
„Ja, ich weiss, schwarze Neger sind politisch nicht korrekt. Aber der ist doch weiss! Es ist ein weisser Neger. Und weisser Neger darf man sagen“, versuchte ich, sie zu korrigieren.
„Nein. Darf man nicht!“
„Nein?“
„Nein!“

Tatsächlich lebt auf der Insel Les Saintes ein äusserst eigentümlicher Menschenschlag der weder schwarz noch weiss, weder rot noch gelb ist. Vor vielen Hundert Jahren haben sich hier Normannen und Bretonen (rothaarig, bleichgesichtig) angesiedelt. Kaum waren sie angekommen, fraternisierten sie mit den einheimischen Karibern (dunkelhaarig, braungesichtig). Dazu kamen im Laufe der Zeit Sklaven aus Afrika (das Wort das man nicht sagt, kraushaarig, schwarzgesichtig), etwelche Holländer (blond, käsegesichtig), Pariser (überheblich, grauhaarig und graugesichtig).

Und so kommt es, dass hier manche Menschen holländische Plattfüsse, rotes Kraushaar, afrikanische Lippen und französische Stupsnasen haben.

 

Madame Pompadour und der Monitöör

Nicht so unsere Gastgeberin, Madame Pompadour. Natürlich hiess sie in Wahrheit nicht so. Doch ihr hoheitsvolles Auftreten, der königlich-laszive Schritt und die edlen Tropenroben liessen vermuten, dass sie sich im Hinterzimmer noch irgendeinen Nachfahren von Louis Quatorze hielt.

Wir fragten die Pompadour nach Gérard, dem Besitzer der Tauchbasis.

„Tauchbasis? Auf der Insel gibt es keine Tauchbasis“, meinte sie trocken und wischte sich mit ihrer beringten Hand ein imaginäres Salzkorn von der Nasenspitze.
„Es muss aber eine Tauchbasis geben. Ich habe bereits gebucht und für die Ausflüge mit Gérard bezahlt.“
Non. Keine Tauchbasis“, sagte sie und verschwand.
Ich überlegte mir, ob ich mich ein wenig echauffieren sollte, liess es angesichts der Hitze jedoch wohlweislich sein.

Da an diesem Tag die Küche bei Madame Pompadour kalt blieb, machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Die Entscheidung war einfach: Nur das Papillon, der Schmetterling, hatte geöffnet.
Dort trafen wir die Inselprominenz bei Bouillabaisse und Entrecôte. Wir machten Bekanntschaft mit Louis (nicht mit Quatorze sondern mit dem Apotheker), seiner nicht so heimlichen Geliebten Giselle (der Zahnärztin) und Gérard, dem Tauchlehrer.

Also doch! Madame hatte uns schamlos angelogen, es gab eine Tauchbasis auf der Insel. Der alten Vettel würde ich mal was erzählen! Doch Gérard beruhigte mich.
„Weisst du, als die alte Tauchbasis zum Verkauf stand, hat sich auch Madame Pompadour dafür interessiert. Aber Pierre wolle nur mir verkaufen, er stammt aus Poitier, wie ich. Und nie und nimmer hätte er an eine Pariserin verkauft!“

Tauchen mit Gérard

Wir erlebten wunderbare Tage auf der kleinen Tauchbasis von Gérard. Sie liegt in einer einsamen Bucht mit Sicht auf die umliegenden Inseln. Nur vor den Palmen musste man sich in Acht nehmen.

„Der Ton ist scheusslich“, meint Gérard.
„Welchen Ton meinst du denn?“ fragte ich ihn.
„Sssschhttq!“
„Sssschhttq?“
„Genau, Sssschhttq! So tönt es, wenn eine Kokosnuss auf einen Schädel trifft. Ich war mal dabei, als ein Kalb von einer Nuss erschlagen wurde. Grauenhaft!“

Wir setzten uns trotzdem unter eine Palme (Gérard meinte mit Kennerblick, dass die Nüsse noch nicht reif seien) und tranken einen Petit Punch. Weisser Rum (viel), Rohrzucker (auch viel) und Limonen. Alles in einem kleinen Schnapsglas durchgequirlt und ex und weg. Nach dem dritten Glas holte sich Gérard seine Gitarre aus der Bretterbude und machte mal den George Brassens. Der anschliessende Tauchgang war, sagen wir es einmal so: Unkonventiell und wider jeden gesunden Menschenverstand! Er verstiess gegen alle Regeln, war trotzdem wunderbar, jedoch in keinem Fall nachahmenswert!

Auf der Insel Les Saintes heissen Tauchlehrer übrigens Moniteur (Monitöör). In Mallorca nennt man sie Führer (nein nicht Der), manchmal auch Divemaster, Instruktor oder Guide. Dieser Guide nun spricht sich französisch Giid, amerikanisch Gaid, in Italienisch Guiida aus.

Die Freizeitbeschäftiger

Da nicht jeder Leser des Tauchens kundig ist, hier ein kleiner Seitenhieb auf die Gattung der Tauchlehrer. Zusammen mit Ski-, Tanz- und Surflehrern gehören sie zur Familie der Freizeitbeschäftiger. Sonnengebräunt, mit blondierten Haarsträhnen, einem Hunderternagel an der Brustwarze, bringen sie edelbleichen Jungmädchen das lebensgefährliche Hobby bei. Sollten seine abendlichen Verführungsversuche keinen Erfolg zeigen, kann er der Trotzliese beim nächsten Tauchgang ein wenig die Luft abstellen oder ihr die Tarierweste aufblasen. Das führt immediat zu lustigen Situationen die nur mittels Mund-zu-Mund-Beatmung wieder ins Lot gerückt werden können.

Diese Spezies findet man mit grösster Wahrscheinlichkeit in einem Etablissement mit der Aufschrift „Tauchbasis.“ Dieser Name aber weckt ja gewisse Vorstellungen. Ein Hauch Pfadfinder, vielleicht sogar eine Prise Militär. Auf einer Basis gibt es Instruktoren, Lehrer und Führer. Jawohl! Nun, das mag in wenigen Einzelfällen sicher stimmen. Ich habe jedoch in der Karibik und in Afrika Basen gesehen, die verdienten nicht einmal den Namen „wackelnde Jammerbuden“.

Auf französisch sprechenden Inseln nennt man diese Rosthaufen dann sinnigerweise Club de Plongée. Tönt eh viel familiärer als „Basis“. Ausnahmsweise sind es die Amerikaner, die hier am ehrlichsten sind. Da nennt man das Ding sinngemäss Dive-Shop. Und obwohl das Wort „Shop“ verschiedene Bedeutungen haben kann: hier meint man mit Shop eindeutig den Laden. Denn bevor man ins Wasser kann, wird man zuerst durch einen Supermarkt für Tauchartikel geführt. Hier kann man sich mit den neusten Gadgets, Artikeln, die man auch nicht braucht, eindecken. Letzte Saison war neongelb die Modefarbe, dieses Jahr lindengrün. Oh Gott, wie fühle ich mich alt mit meinem grauen Taucheranzug! Auch Brille und Schnorchel sind nicht assortiert, meine Flossen von Muränen und Haien zerbissen.

Wenn man den Versuchungen erfolgreich widerstanden hat, kommt der nächste Schritt. Minutiös werden Tauchbrevets, medizinische Atteste und Logbücher überprüft. Anschliessend geht’s zur Kasse. 2 Tauchgänge, Picknick, Miete einer Unterwasserlampe, ritsch-ratsch und 150 Dollar sind abgebucht.

 
Menschen sind auch nur Haie

Nach dem Geschäftlichen wird’s dann ernst. Das amerikanische Anwaltsunwesen muss ich niemandem erklären. Tatsächlich lauern hinter gebleichten Korallenstöcken, manchmal getarnt als Gitarrenhaie, amerikanische Anwälte auf ihre Opfer. Sie warten nur darauf, dass einem etwas Böses widerfährt.

Ob ein übergewichtiger Texaner frontal in ein nicht gekennzeichnetes Wrack hinein schwimmt oder ein frömmelnder Jüngling aus New York von einem Nemo unsittlich gestupst wird: Dr. Dive übernimmt den Fall, verklagt den Diveshop auf locker 10 Millionen.
Deshalb müssen sich Tauchunternehmer entsprechend absichern. Bevor jemand ins Wasser springt, müssen deshalb seitenlange Formulare ausgefüllt werden. Per Unterschrift verzichtet der Taucher auf jedes Recht, den Inhaber, Betreiber, Lizenzinhaber, Tauchdirektor, Leasing- und Franchisenehmer des Diveshops für oder gegen irgendetwas haftbar zu machen.
Auch wenn Kunden von einem Tauchbegleiter heimtückisch hinterrücks erschlagen werden. Aufgrund der Unterschrift wird sich der Kunde nämlich dafür verantworten müssen, den Tauchbegleiter nicht daran gehindert zu haben, ihn – den Kunden - zu erschlagen.
Solche Taten werden nach texanischem Recht mit dem Tod durch Ertrinken bestraft.

 

Sonntag, Mai 22, 2016

Bürger Gsell

1978 erschien der Film «Die Schweizermacher». Regisseur Rolf Lyssy nimmt darin die schweizerische Einbürgerungspraxis aufs Korn: Emil Steinberger und Walo Lüönd brillieren als gnadenlose Einbürgerungsbeamte.

1979 zügelte ich mit meiner Familie nach Sissach. An eine Einbürgerung dachte ich nicht: Das Altersheim im bernischen Rüeggisberg schien mir durchaus passabel, die vielen Miststöcke im Dorf störten mich nicht. Auch die Tatsache, dass mein Bürgerort an einem der Hauptwege des Jakobswegs nach Santiago de Compostela liegt, interessierte mich als Nichtwanderer nicht besonders.

36 Jahre und ein paar Monate später aber änderte ich meine Meinung. Obwohl ich mich längst als Sissacher fühlte: Jetzt wollte ich auch einer werden! Ich studierte die Gesetze und Verordnungen, stellte fest, dass ich die wesentlichen Anforderungen erfüllte und schickte den Einbürgerungsantrag ab. Noch aber war ich mir nicht sicher, ob das alles wirklich so problemlos ablaufen würde. Immerhin war ich in jüngeren Jahren in die DDR gereist. Ob ich damals geheimdienstlich erfasst wurde? Stand in meiner Fiche obendrein, dass ich einige Zeit in Beirut gelebt hatte und von dort aus Aleppo und Damaskus besucht hatte? Ich trank damals, in der Nähe eines Minaretts und inmitten von Muselmanen, mit einem Mullah ein Tässchen Pfefferminztee. Sicher würde man dies alles überprüfen!

Während ich mir im Dorf einen Aperitif genehmigte, beobachtete ich heimlich die Umgebung. Heimlich deshalb, weil ich mir die Volksstimme vor den Kopf hielt und durch ein Loch schielte. Eben ging Tännli vorbei, begrüsste Chnorzi und Battli, hielt einen kurzen Schwatz mit Klick. Auffällig lange starrten sie auf meine Volksstimme. Und als sich dann auch noch Bibi, Bubu und Bippli an den Nebentisch setzten wusste ich es: Ich wurde überwacht! Gottseidank hatte ich Eptinger bestellt und nicht einen ausserkantonalen Sprudel! Zwei unauffällige Schlapphüte wandten allzu auffällig ihre Köpfe ab. Der Mann auf der Strassenwischmaschine hielt an und kehrte die Überreste einer Drohne zusammen. Sollten sie doch prüfen so viel sie wollten! Ich hatte ein ruhiges Gewissen. Obwohl, man hat mich als Vierzehnjähriger auf einem frisierten Puch erwischt und manchmal habe ich hinter dem Gemeindeschopf einen Rösslistumpen geraucht…Tempi passati!

Heute nun bin ich endlich Sissecher Bürger, war schon im Schloss Ebenrain, im Kino und auf der Fluh, kenne den Cheesmaier, das Henker- sowie das Heimatmuseum. Ich weiss wer JR ist und auch, dass der Abt gar kein Abt ist. Ich kaufe das Brot auf dem Bure Märt, den Aperitif gibt’s im Stöpli, das Kalbssteak in der Sonne und die Aussicht im Alpbad. Und ich weiss auch, dass in Sissach mehr Menschen namens Buser als Sutter oder Schaub wohnen. Nur Gysin’s – vereint mit den Gisin’s, Gisi’s und Gysi’s – gibt’s noch mehr.
Zwischen all den i’s und y’s hatte es für einen Gsell problemlos noch Platz.

 

 

 

 

 

Samstag, Mai 21, 2016

Der Tag danach

Immer nach Ostern bin ich tief beeindruckt von der Preisschlacht unter den Schoggihasen. Kostete solch ein Ding VOR den Feiertagen 20 Franken, ist es nachher noch ganze 10 Franken wert. Wartet man noch etwas zu, gibt’s das Vieh glattwegs für einen Fünfliber. Stellen sie sich vor, SIE wären ein Osterhase! Da ist doch ihr ganzes Selbstbewusstsein weggeblasen! Was folgt, sind Selbstzweifel und Depressionen! Habe ich meine Steuererklärung etwa zu früh eingereicht? Wäre es günstiger gewesen, sie erst nach Pfingsten abzuliefern?

Der Osterhase von Pulau Pef / Raja Ampat ..Danke Maya!

Und wie steht’s eigentlich mit Tante Marthas Drohung «Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen! »? War das auch wieder nur Erpressung? Habe ich ihretwegen ein Leben lang zu viel bezahlt für das Schokoladenvieh? Rein rechnerisch komme ich auf einen Verlust von über 500 Franken! Dabei hat mich Tantchen noch nicht einmal beerbt! Obwohl sie reich war. Sehr reich sogar. Und das kam so:

 Ihr Vater hatte als Müller ein Vermögen verdient. Er besass nämlich eine gutgehende Getreidemühle und belieferte unzählige Bäckereien mit Mehl. In Zeiten grosser Not gab er bedürftigen Bäckern auch mal ein Darlehen für einen neuen Backofen. Konnte der arme Bäcker die fälligen Raten nicht mehr bezahlen, machte er kurzen Prozess und übernahm den Betrieb für weniger als nichts.

Tante Martha mahlt schon lange kein Getreide mehr, sondern lebt ganz gut von den vielen Immobilien. So weit, so gut. Doch Tante Martha ist nicht nur sehr reich, sondern auch geizig. Schuld daran sind, wie könnte es auch anders sein, die bösen Eltern, eine schwierige Jugend sowie ein paar Blumen.
Martha war vielleicht 8 Jahre alt, als sie ihre Mamma zum Muttertag beschenken wollte. Sie erschlug hinterrücks ihr Sparschein, ging in die nobelste Blumenboutique der Stadt und kaufte das teuerste Bouquet.
„Für Sie, Frau Mutter!“ stammelte sie und wollte ihr die Blumen überreichen. Sie kam nicht dazu. „Martha“, sagte sie. „Martha, so wird nie etwas aus dir!“ Da Frau Mutter sie nur selten beim Namen nannte, befürchtete sie das Schlimmste. Sie hatte recht.
Frau Mutter – nie hätte sie diese Frau „Mamma“ genannt – versetzte ihre Arme in Pendelbewegungen, gab ihr eine gewaltige Ohrfeige und drohte, ihr auch noch die Ohren stehen zu lassen.
„Nimm dir ein Vorbild an deinem Vater. Der kaufte den Strauss immer erst NACH dem Muttertag. Dann kosten Blumen nur noch die Hälfte! Und vergiss die Boutique, Blumen kauft man beim Discounter. Und überhaupt, der Muttertag ist eine Erfindung der internationalen Blumenhändlermafia, also vergiss gleich den ganzen Mist. Oder kauf dir wenigstens Plastikblumen, die kannst du mehrmals verwenden!“

 
Natürlich gibt es Tage, die man unter keinen Umständen vorbeigehen lassen sollte. Gestern war so ein Termin, gestern war Bürgergemeindeversammlung. Weshalb ich diese nicht verpasst habe, erfahren sie am 20. Mai an dieser Stelle.

 

 

 

 

Freitag, Mai 20, 2016

Erdbeben in Trinidad

Eigentlich wollten wir zum Karneval nach Rio de Janeiro. Als unser Freund Dottore Umberto dies hörte, erbleichte er und hielt uns eine Gardinenpredigt.
      „In Rio ist es viel zu gefährlich für allein reisende Schweizer. An der Copacabana lauern Taschendiebe, die Girls von Ipanema sind auch nicht mehr was sie einmal waren und in den Favelas lauern Mörder und Totschläger. Ich begleite euch, mein Cousin der in Brasilien lebt, wird unser Führer sein.“
Leider kam es nicht dazu.
     „Der Cousin ist im Krankenhaus, ihr müsst den Karneval verschieben“, beschied uns der Dottore. „Taschendiebe haben ihm den Geldbeutel geklaut (Copacabana), das Girl (aus Ipanema) kam ihm am Strand deutlich zu nahe, verschleppte ihn in die Favelas, wo sie ihn mit ihrer Handtasche bewusstlos schlug und ausraubte.“
Da auch Umberto den Karneval nicht verschieben konnte, flogen wir stattdessen nach Port of Spain auf der Insel Trinidad. Denn dort sollte es mindestens so wild her und zu gehen wie an der Basler Fasnacht und am Karneval in Köln. Einfach ein bisschen heisser.

Das Erdbeben weckte uns um drei Uhr nachts. Im Badezimmer klapperten die Zahngläser, eine Tube Zahnpasta fiel auf den Boden. Die Fensterscheiben zitterten und in der Ferne war ein dumpfes Grollen zu hören. Augenblicklich entnahm ich meinem Reisegepäck das Merkblatt des schweizerischen Erdbebendienstes.
      "Sofort den nächstgelegenen, sicheren Platz aufsuchen.“ Wir warfen uns unter das Bett.
„Auf starke Beben können in zeitlich unregelmässigen Abständen Nachbeben folgen“. Wir blieben unter dem Bett.
      „Einrichtungsgegenstände können umkippen.“ Wir blieben unter dem Bett. „Deckenverkleidungen können sich ablösen.“ Wir blieben unter dem Bett.

Nachdem die Erde seit Stunden nicht mehr gebebt hatte, krochen wir unter den Betten hervor und gingen frühstücken. Auf einem Bildschirm lief eine Nachrichtensendung: Kein Erdbeben, nicht einmal ein kleines Seebeben, hatte die Insel heimgesucht. Es war kein geologisches Ereignis gewesen das uns aus unsern Betten gebebt hatte. Nein, es herrschte Karneval! Ein menschliches Beben hatte die Stadt erfasst, Menschen stapften durchschwitzt zu den Beats von Soca und Samba durch die Strassen, prachtvolle Wagen und Kostüme beherrschten die Gassen. Ein unvorstellbares Klangerlebnis erwartete uns. Dumpfe Trommeln und Unmengen von Steeldrums verursachten eine orgiastisch instrumentalisierte Kakophonie. Wir taumelten durch den Tag und dachten weder an Rosenmontag noch Aschermittwoch. Solche Gedanken hätten nur irritiert.

Sammler

Nach drei Tagen Karneval flogen wir weiter zur Nachbarsinsel Tobago, der Insel aller Sammler. Deren bekannteste Abteilung sind wohl die Schmetterlingssammler. Mit Netzen und bunten Botanisierbüchsen bewaffnet hüpfen sie durch hüfthohes Gras. Haben sie dann endlich ein Exemplar im Köcher, wird es umgebracht um später zuhause an die Wand genagelt zu werden.

Zur gleichen Gattung gehören die Fischsammler. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Sammeltrieb meistens nur einem einzigen Fischlein gehört. Meistens sind es irgendwelche Liliput-Fische wie Pygmäen-Seepferdchen, die sich hinter Steinen, grossen Muscheln oder Korallenblöcken verstecken. Der Sammler muss diese unentwegt aufheben und umdrehen. Um an Land dann mit Sätzen wie „Du glaubst nicht, was ich gesehen habe“ zu frohlocken. Er wird allen die es auch nicht hören wollen, den Unterschied in der Färbung der Afterflosse bei den juvenilen Graubarschen im Westpazifik gegenüber ihren Artgenossen im Südpazifik erklären. Zurück an Land wird er sein Bestimmungsbuch („Alle Fische dieser Welt“) aufschlagen. Um beim Abendessen zu erklären, dass er eben eine neue Fischart entdeckt habe. Er hat sie bereits mit Farbstiften in sein Heft gezeichnet. Der Fisch soll nach seinem österreichischen Entdecker „Geheimrat-Doktor-von-Platschensky-Barsch“ heissen.
Aber auch für ökologisch interessierte Taucher ist Tobago ein Paradies. Sie lassen gerne ein ganzes Hotel an ihren umweltpolitischen Erkenntnissen teilnehmen.
      „Ich denke, dass mindestens 60 % der Korallen ausgebleicht und tot sind.“ Liebevoll reinigt er alles, was ihm unter Wasser verschmutzt vorkommt. Mit Hilfe von Druckluft aus seinem Atemregler entfernt er schleimige Braunalgen von lieblichen Matrosenhirnen. Man erkennt ihn an Merksätzen wie: „Freizeittaucher sind eine Umweltkatastrophe. Ich habe gesehen wie diese amerikanische Tussi mit ihren Flossen auf eine seltene Rotkopfalge der Gattung der Braunen Schwellalgen aus der Familie der braunblättrigen Küstensumpfalgen auf die Extremitäten gestanden ist.“ Obwohl ich ihm entgegnen wollte, dass Küstensumpfalgen meines Wissens nicht über Extremitäten verfügen, verzichtete ich auf eine Wortmeldung.

 

Doppelschwanzwiderling

Kaum waren wir in Tobago gelandet, wurden wir einmal mehr von einem Taxi abgeholt. Und einmal mehr hiess der Fahrer John, trug Sonnenbrille und war ansonsten nett. Er brachte uns ins Hotel. Und wieder einmal wollten wir träumen, tauchen und manchmal etwas trinken.

Auf Tobago tummeln sich jede Menge Unterwasserfotografen. Diese verpacken ihre umfangreiche Ausrüstung (deren Anschaffungskosten locker den Preis eines Kleinwagens übersteigen) in bruchsichere Überseekoffer. Die Kosten für das Übergepäck entsprechen in etwa zwei Sätzen Winterreifen. Der Bedarf an Unterwasserscheinwerfern, Speziallampen und den entsprechenden Stativen ist enorm. Fotografen sind deshalb auf Träger angewiesen. Sie überlassen diese Aufgabe meistens ihren nicht tauchenden Ehefrauen. Da es ungleich schwieriger ist, einen Hai oder einen Manta als eine Nacktschnecke zu verewigen, haben sich viele Fotografen auf die sogenannte Makrofotografie verlegt. Solang die Luft reicht, liegen sie regungslos und getarnt hinter einer Muschel und warten darauf, dass der kleine gelbe Doppelschwanzwiderling seine Höhle verlässt und sich ablichten lässt. Sie hassen es, wenn man ihnen nach dem Tauchgang von den Grauhaien erzählt, die hinter ihrem Rücken einen Hochzeitstanz aufgeführt haben.



Man sollte zu Unterwasser-Fotografen immer Distanz wahren. Durch einen unbedachten Flossenschlag würde man nämlich den endlich aufgetauchten Fisch in die Flucht treiben. Solche Taten können zu wüsten Ausschreitungen an Bord ausarten.

No problem!

Selbstverständlich unternahmen wir auch Exkursionen über die Insel. Unser ständiger Begleiter: John, der Taxifahrer. Und auch am Tag unserer Rückreise stand er vor unserem Hotel: John, der Taxifahrer.

Er hielt unmittelbar vor den ersten Schaltern in der Abflughalle, riss unser Gepäck aus dem Wagen und stellte es auf die Waage. Er wog es und füllte den Gepäckzettel aus. Anschliessend verschwand er in einem Nebenraum und kleidete sich um. Die schicke Uniform, die ihn jetzt als Angestellten des Flughafens auswies, stand ihm gut. Er setzte sich an den Computer, druckte unsere Bordkarten aus und übergab sie uns lächelnd. Wir wollten ihm danken, doch er war bereits wieder verschwunden.

Als wir uns dem Flugzeug näherten, ertönte eine Hupe. Ich drehte mich um und wollte eben ein paar gotteslästerliche Flüche ausstossen, da erkannte ich John. Auf seinem Wägelchen ruhte unser Gepäck. Während wir das Flugzeug bestiegen, sahen wir, wie er unser Gepäck mit Schwung ins Gepäckabteil beförderte und anschliessend die Klappe schloss. Einen Augenblick später sahen wir ihn im Cockpit und ich machte mir langsam Sorgen. Diese hätte ich mir jedoch für einen späteren Zeitpunkt sparen können. Denn nach wenigen Minuten verliess John das Flugzeug wieder über die Bordtreppe und machte dem Piloten ein Zeichen. Er winkte uns ein letztes Mal zu und die Piloten gaben Gas.

Kaum in der Luft, gab es ein Problem. Ganz offensichtlich war die Türe nicht richtig geschlossen worden. Sie wackelte heftig und verursachte eigenartige Geräusche. Der Copilot schien davon jedoch nicht beunruhigt. Mit einem Kalberstrick band er die lotternde Türe am nächstgelegenen Sitz fest und bedeutete mir, ihn doch zu rufen, wenn’s ein Problem geben sollte.

Es gab keine.
No problem!

 

 

 

Dienstag, März 15, 2016

Nameele

Es ist genial, was die Menschen im Pazifik alles aus einer Kokospalme herstellen können. Aus den Blättern fertigen sie Baströckchen, flechten sich ein schickes Handtäschchen oder überdachen ihre Hütten neu. Aus den Fasern webt man einen Teppich und mit dem Holz kann man ein gemütliches Feuerchen entfachen. Die Milch aus den Nüssen trinkt man oder benutzt sie zum Kochen, das Fleisch trocknet man und verkauft es als Kopra. Vor kurzem habe ich noch eine weitere Anwendung kennen gelernt. Man kann damit einen Flugplatz lahmlegen.
Als ich von der kleinen Insel im Bismarck-Archipel zurück nach Port Moresby fliegen wollte, war das hölzerne Tor zum Flughafengebäude geschlossen. Daran hingen zwei gekreuzte Blätter einer Palme namens „Chiefs Palm“. Diese Blätter, man nennt sie „Nameele“, waren von Chief Tautu, dem für diese Gegend zuständigen Häuptling, an die Türe genagelt worden. Sie bewirkten, dass das Gebäude per sofort tabu war und somit nicht mehr betreten werden durfte. Sollte man das Verbot missachten, würde man sofort vom Blitz getroffen und elendiglich grilliert werden.
Erst als der Chief des benachbarten Dorfes mit zwei Wagenladungen grimmig blickender Krieger angebraust kam, konnte Tautu dazu bewegt werden, die Nameele wieder zu entfernen und das Tabu somit wieder aufzuheben. Leider werden wir nie wissen, weshalb er den Flughafen mit einem Bann belegt hatte.
Ich jedoch habe mir einige dieser geheimnisvollen Blätter eingepackt um sie bei mir zu Hause an die Wohnungstüre zu nageln. Laut den Worten von Chief Tautu wirken sie nicht nur gegen aufdringliche Missionare, Bouillonverkäufer und Staubsaugervertreter, sondern auch gegen unerwünschte Anrufe von Telefonverkäufern.
Ich wünschte mir solche Tabus auch im Kampf gegen die elektronischen Umweltverschmutzer die mich tagtäglich mit Werbung zumüllen. Wer einmal bei Amazon, Zalando oder andern Online-Shops eingekauft hat, wird im Wochentakt mit Sonderangeboten überschwemmt. Jedes Hotel in dem ich einmal genächtigt habe, gratuliert mir zum Geburtstag, schickt Weihnachts- und Neujahrsgrüsse und freut sich angeblich auf meinen nächsten Besuch. Auf solchen unpersönlichen, computergenerierten Spam verzichte ich. Da ich weder debil noch senil bin, werde ich mich auch in zwei Jahren noch daran erinnern, wie das entsprechende Hotel hiess. Allerdings nur wenn ich zufrieden war. Zur Zufriedenheit gehört aber auch, dass ich in der Zwischenzeit nicht mit verblödeten Mails eingedeckt wurde.
 P.S. Gestern habe ich eine Mail aus Papua-Neuguinea erhalten. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Heute im Sonderangebot: Bei einer Bestellung von 12 Nameele erhalten sie gratis ein Kanumodell aus Vollplastik sowie eine Kaurimuschel. Angebot gültig bis 24.00 Uhr.
Heute habe ich die restlichen Nameele eingepackt und einen Flug nach Papua-Neuguinea gebucht. Ich werde denen mal was vor die Türe nageln!
 
 
 

Sonntag, Januar 31, 2016

Der Gast auf Platz 31 F - Die Nachspeise


 
Da ich bis heute von Lufthansa keine Antwort auf meine Mails, geschweige denn eine Entschädigung erhalten habe, kann die Nachspeise leider noch nicht serviert werden. Verfolgen Sie deshalb den einseitigen Briefwechsel, buchen Sie nicht bei Lufthansa, bei Swiss nur wenn sie Katzen mögen.....

Lieber Gast,

vielen Dank für Ihre Nachricht, welche wir mit der Referenz 0116-06498 erfasst haben.
Wir werden Ihnen so schnell wie möglich antworten. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Bearbeitungszeit aufgrund von Recherchen variieren kann.
Falls Sie uns in der Zwischenzeit nochmals in dieser Angelegenheit kontaktieren möchten, so antworten Sie bitte auf diese E-Mail.

Freundliche Grüsse

Customer Service

Swiss International Air Lines AG
Postfach 2013
8032 Zürich
Schweiz
SWISS.COM/CUSTOMERSERVICE



Bildergebnis für kotzende katze


Liebe Referenz,
 
Natürlich weiss ich, dass sie wahnsinnig viel zu tun haben. So wie auch
Mutter Kranich wahnsinnig viel zu tun hat.
 
Ich allerdings auch. Bitte lesen Sie auch meine Glosse in der
Zeitschrift AQUANAUT - weitere werden folgen. Zum Beispiel zum
Thema "Weshalb ist LH nicht fähig, mir zu bestätigen, dass man an
dem betreffenden Tag gestreikt hat, deshalb nicht geflogen sein kann etcpp.
Ob man das in Frankfurt etwa gar noch nicht weiss?
Natürlich wurde ich auch bis heute nicht entschädigt. Weder für den nicht
durchgeführten Flug, geschweige denn für den Ersatzflug...etc.pp
Selbstverständlich haben Sie gar nichts, oder noch viel weniger mit alldem
zu tun, Sie sind ja nur das Kind vom Kranich.
 
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag - bis Morgen*
 
Hanspeter Gsell
 Von : thorfinn@bluewin.ch
Datum : 25/01/2016 - 15:27 (UTC)
An : customerservice@swiss.com
Betreff : Re: Re: Referenz: 0116-06498

Liebe Referenz,
Es sind zwar erst 6 Tage her seit meinem letzten Mail. Und sicher hatten
sie wahnsinnig viel zu tun. Sie müssen ja all diese Reklamationen bearbeiten...
es müssen tausende sein pro Tag..... Ich nehme deshalb an, dass....
..sie meinen Bericht zur kotzenden Katze noch nicht gelesen haben...
..sie ihn gar nicht lesen wollen.....
..sie in keinem Fall bereit sind, mir zu antworten..
..und schon gar nicht bereit sind, mich für meine Strapazen zu entschädigen...
..und sich schon gar nicht den Bericht über das Verhalten von SWISS und LUFTHANSA
  im Kassensturz und anderen Medien ansehen werden..
..und auch den Brief meines Anwaltes in keinem Fall öffnen werden..
 
bis bald
Hanspeter Gsell
 
Liebe Referenz,
 
Es könnte ja sein, dass meine E-Mail in den Tiefen des
Weltraums verschwunden ist. Vielleicht aber haben Sie
auch die kotzende Katze noch nicht gefunden oder finden meine
Kontonummer nicht mehr....
 
Sigswiswell...und bis bald
Hanspeter Gsell
 
      




Samstag, Januar 30, 2016

Der Gast auf 31 F - Die Hauptspeise

Miami, 8.11.2015. Die Swiss-Maschine, Kurs LX065 startete mit leichter Verspätung. Weder hatte mich der Stromausfall auf dem Flughafen, noch ein medizinischer Notfall einige Reihen hinter mir beunruhigt („Hilfe, Hilfe, er stirbt!“). Der herbeigeeilte Purser verwies auf Komplikationen bei Todesfällen auf amerikanischen Flughäfen. Der zur Begutachtung der Sachlage zugezogene Hilfselektriker stimmte ihm zu und verstaute Defibrillator und Sauerstoff wieder an dem dafür vorgesehenen Ort. Ob der Mann wohl überlebt hat?
Ich sass auf Sitz 31E in der mittleren Reihe. Links hatte ein stark schwitzender Mann mittleren Alters und erheblicher Körpergrösse Platz genommen. Gottseidank war der Sitz rechts neben mir frei geblieben. Auf der Gangseite rechts hatte sich eine spanisch sprechende Dame mit russischem Reisepass niedergelassen. Mit ihr könnte ich auf den nächsten acht Stunden sicher den leeren Sitz teilen.

Während des Starts fiel ich in einen leichten Schlaf und erwachte erst wieder, als das Flugzeug seine Reiseflughöhe erreicht hatte. Eben wollte ich meine Beine in die Richtung des freigebliebenen Platzes strecken, als ich gewaltig erschrak: Der Platz war nicht frei! Allerdings konnte ich im schummrigen Kabinenlicht nicht erkennen, was sich dort niedergelassen hatte, es schien sich nicht um ein menschliches Wesen zu handeln.

ES antwortete nicht, als ich ES ansprach. War es etwa E.T. auf der Rückreise in seine interstellare Heimat oder hatte sich in Miami heimlich ein Vieh an Bord geschlichen? Ob es Alligatoren mit Fell gab? Handelte es sich etwa um einen tasmanischen Teufel? Fliegt Swiss auch nach Tasmanien? Hatte ich ein Bier zu viel getrunken? Ich schloss die Augen und ging in mich. Als ich genug weit gegangen war, nahm ich den restlichen Mut zusammen, öffnete wieder die Augen und starrte ES an: Ich schaute dem Teufel direkt in die Augen! Diese schienen blutunterlaufen zu sein, das Vieh erwiderte meinen Blick gänzlich regungslos. Nur die Pupillen irrlichterten zitternd und glänzten im matten Licht. Genauso hatte mich Kaderli angeschaut, als ich ihn letztens völlig besoffen und bekifft angetroffen hatte. Kaderli aber, so erinnerte ich mich, hatte kein Fell und war deutlich grösser als dieses Etwas auf Sitz 31F. Ich sprach ES an:

„Hallo, auch auf dem Weg nach Zürich? Warum hast du den Pelzmantel nicht ausgezogen? Kalt, hä?“

31F antwortete nicht und ich wurde etwas mutiger.

„Was hast du geraucht und wo bekommt man das Zeugs? Muss ja arg stark sein!“

Das Ding hatte nicht die Absicht mir zu antworten, erhob sich, machte einen Buckel, verdrehte die Augen und kotzte mich an. ES war ein schwarzer, vollgedröhnter Kater gewaltigen Ausmasses. Nur der Sitzabstand von 72 cm rettete mich davor, die volle Ladung abzukommen. Der Gestank jedoch, Reinhard Mai hatte es so ähnlich bereits früher besungen, war tatsächlich grenzenlos. Auch über den Wolken.

Die Dame mit russischem Pass auf Sitz 31G sagte nichts und packte das Vieh in den vorgeschriebenen Transportbehälter. Die Flugbegleiterinnen welche das Spektakel beobachtet hatten, sagten auch nichts.

Und so beschloss auch ich, nichts zu sagen.

Bis heute.

Denn diese Geschichte ist einfach zu schön, um nicht geschrieben zu werden.

 

Freitag, Januar 29, 2016

Der Gast auf 31 F - Vorspeise

Für viele Jahre war Lufthansa meine bevorzugte Fluggesellschaft, dank ihrer Mitgliedschaft bei der „Star Alliance“ stand mir ein weltweites Streckennetz zur Verfügung. Weder verfügt Lufthansa über breitere Sitze noch wird besseres Essen serviert, die Höflichkeit verbietet es mir, über den Charme deutscher Flugbegleiterinnen zu sprechen. Nein, der ausschlaggebende Punkt war – neben dem Streckennetz – die Pünktlichkeit und die Verlässlichkeit. Nach schlechten Erfahrungen im mittleren Osten („Weh mir, Emir“) und den jahrelangen Streiks bei Air France, buchte ich deshalb meinen Flug nach Orlando/Florida wiederum bei Lufthansa. Und dies, obwohl kürzlich die Piloten gestreikt hatten. Da man sich jedoch mehr oder weniger gütlich geeinigt hatte, glaubte ich an eine problemlose Reise.
Aber ich hätte es besser wissen müssen, Denn, Glaube an sich macht im besten Fall selig und sonst gar nichts. Der Flug in die USA verlief unauffällig, der Messebesuch ebenfalls. Und so erhielt ich 24 Stunden vor dem Rückflug die beruhigende Nachricht, dass der Flug pünktlich abfliegen würde, das Check-in bereits geöffnet sei. Meine Hoffnung auf eine pünktliche Rückreise wurde jedoch einige Stunden später durch eine neue Message zerstört. Der Flug sei aufgrund eines Streiks des Kabinenpersonals gestrichen worden. Man solle sich – so weiter im Text – bei einer der folgenden Nummern melden. Die netten Mitarbeiter würden sich dann unverzüglich und kulant um unsere Rückreise kümmern. Leider hatte ich keine Gelegenheit, irgendeinen netten Mitarbeiter kennenzulernen. Dank der Geiselnahme von zehntausenden Reisenden durch grössenwahnsinnige und weltfremde, Gewerkschafter waren die Hotlines nicht erreichbar. Ich habe als Unternehmer jahrelang und problemlos mit Gewerkschaften zusammen gearbeitet. Ich habe deren Anliegen auch gegenüber andern Kollegen vertreten, ich glaubte an deren Notwendigkeit. Damit ist es nun allerdings vorbei. Was sich die beamteten Gewerkschafter und ihre tumben Gefolgsleute geleistet haben unterstützt mich im Glauben an die Aussagen von Michael O’Leary, dem umtriebigen Chef von Ryanair. Fluggesellschaften die sich derart von Gewerkschaften abhängig machen, haben keine Chancen auf eine Zukunft. Genauso schuldig am Untergang wird jedoch auch die Führungsriege sein. Ihr kollektives Versagen war derart beschämend, dass man es fast nicht für möglich hält.

Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass man die Krise nach Kohl’schem Vorbild aussitzen wollte und auf ein Eingreifen der Politik wartete. Frau Merkel jedoch hatte zu dieser Zeit ganz andere Probleme, machte die Raute und schwieg.

Die Textmitteilungen folgten nun im Stundentakt. Einmal versprach man mir, dass der Flug am folgenden Tag durchgeführt würde um auch dies zu widerrufen. Man bot mir (es war Sonntagmittag) für Mittwoch einen Flug von Chicago nach London an, ohne mir allerdings mitzuteilen, wie ich denn von Orlando nach Chicago kommen würde. Ob man eine Wandergruppe plante? In drei Tagen würden wir es zu Fuss kaum bis nach Chicago schaffen!

Robi, ein Bekannter aus Zürich hatte die rettende Idee. Er buchte für uns einen Rückflug mit der Lufthansa-Tochter Swiss ab Miami. Da ein einfaches Ticket Miami – Zürich teurer war als ein Retourflug, buchten wir denn nicht benötigten Flug Zürich – Miami gleich mit. Wir bestellten einen Mietwagen, erreichten zeitig den Flughafen, konnten zügig einchecken. Am benachbarten Lufthansa-Schalter harrten derweil hunderte von Reisenden, darunter auch Familien mit Kindern, auf eine Rückflugmöglichkeit. Ich gehe davon aus, dass einige davon in der Zwischenzeit verhungert sind.

Im nächsten Post: Der Gast auf 31 F - Die Hauptspeise

Sonntag, Januar 24, 2016

Kaderli und das grosse Brausen II


Schon seit einigen Stunden fuhren sie ungemütlich vor sich hin.

„Meinst du, wir sind richtig?“ fragte die Signora.

„Was heisst hier richtig? Natürlich sind wir richtig! Laut Bordcomputer geht es noch 287 Kilometer!“ schnauzte Freddy zurück und konzentrierte sich wieder auf die Fahrbahn.

„Aber Kaderli hat doch gesagt, von Basel seien es gute 4 Stunden bis an den Lago. Und jetzt sind wir schon seit 9 Stunden unterwegs!“

Insgeheim kam auch ihm die Reise etwas langfädig vor. Und als er in der Ferne einen schiefen Turm erblickte, trat er ohne Vorwarnung auf die Bremse. Der Wagen kam rauchend und schlingernd auf dem Pannenstreifen zu stehen.

Heilandsagg! Das war doch DER schiefe Turm! Und der stand doch gopferdammi in Italien und nicht im Tessin!

„Scheiss Navi!“ brüllte er los, riss das Ding aus seiner Halterung und warf es im hohen Bogen über die Leitplanken. Da er, als er sich das Navigationsgerät gekauft hatte, gleichzeitig auch die Strassenkarten weggeworfen hatte, stand er nun irgendwo in der italienischen Pampas, hatte keine Ahnung wo er war und noch weniger, wo er eigentlich hinmusste.

„Ruf mal Kaderli an“ sagte er zu seiner Frau, „der Herr Präsident wird ja wohl wissen, wo wir hin müssen.“

„Hast du seine Handynummer?“

„Ich? Wieso ich? Du bist die Sekretärin hier!“

Nachdem sie alle Koffer ausgeladen und fein säuberlich auf dem Pannenstreifen aufgereiht hatten, fanden sie endlich die Reiseunterlagen und Kaderlis Telefonnummer.

„Gibst du mir mal dein Handy?“ fragte sie ihren Göttergatten.

„Warum? Du hast doch selbst eins!“

„Ja schon, aber es ist zu Hause geblieben.“

„Es ist zu Hause geblieben? Was ist denn das für eine saublöde Antwort: Es ist zu Hause geblieben!? Handys können nicht zu Hause bleiben. Handys haben keinen eigenen Willen und können nicht denken. Du wohl aber auch nicht! Vergessen hast du dieses blöde Ding! Gottseidank hast du mich dabei – hier, nimm meins!“

„Es geht nicht, der Akku ist leer“ entgegnete sie nach einer Weile und gab ihm sein Handy zurück. Wortlos steckte er es ein, startete den Motor und fuhr davon.

„Und jetzt, wohin?“ wandte er sich an seine Frau.

Die jedoch sass nicht neben ihm, sondern auf fünf Koffern auf dem Pannenstreifen der Autostrada nach Roma und hörte gar nichts.

 

Da Freddy nicht nur in Italien steckte, sondern auch Herr über Taucherflagge und Notfallkoffer war, blieben die Flossen trocken, der Pfingstausflug wurde abgebrochen.

Das angekündigte Brausen aber kam nicht vom Himmel, sondern aus Kaderlis enttäuschter Seele: Er trat noch gleichentags von all seinen Ämtern zurück.

In mondlosen Nächten sieht man ihn, mit Tischen und Stühlen schwer beladen, in den nahen Wäldern umherstreifen.

Die Tischreihe soll bereits mehrere Kilometer betragen.