Mittwoch, Mai 09, 2018

Alles Wurst




Als Ostschweizer liegen mir Würste nicht nur am Herzen sondern manchmal auch auf dem Magen. Ich esse sie leidenschaftlich gerne. Aber immer öfter verschafft mir diese Leidenschaft jedoch tatsächlich Leiden. Was in der sommerlichen Schweiz wieder in Tausenden von Gartenrestaurants, an Schützenfesten und an privaten Grillpartys als Bratwurst aufgetischt wird, lässt St.Galler erbleichen und Thurgauer weinen.

Fetttriefende, manchmal auch Wasser lösende wurstförmige Erzeugnisse riechen auf schlecht gereinigten Grillstäben, und mitunter Feuer schlagend, vor sich hin. Mal sind sie aussen verkohlt und innen schlabberig, mal graubraun und gummig. Mal sehen sie aus wie nach einem Bombenangriff, mal sind sie nach „Art der Kopfjäger“ geschrumpft. Nicht einmal mit Senf – nur von Wurstdilettanten zur geschmacklichen Aufbesserung aus verschmutzten Tuben gepresst – können solche „Würstlinge“ noch gerettet werden. Es sind nicht nur fahrlässige Grilleure die solche Massaker veranstalten. Die Vorarbeit wurde vielfach bereits von geizigen Einkäufern geleistet. Ehrgeizig wäre in diesem Fall besser gewesen: ehrgeizig, die besten Würste des Landes einzukaufen. Und nicht die Billigsten. Denn nur Würstchen kaufen billig.

Aber auch was Metzgermeister zwischen die besungenen zwei Enden stopfen, ist wahrlich nicht immer meisterlich. Geradezu wurstverachtend ist die Methode, bereits die Würste mit Ketchup oder Käse (!) zu füllen. Es ist wirklich zum „aus der Haut fahren!“. Aber das ist eigentlich die Aufgabe der Wurst.
 
Aus der Kolumnensammlung Hühnerbrust und Federkiel von Hanspeter Gsell, erschienen bei BoD. Noch mehr Geschichten finden Sie im neusten Buch IMMER WIEDER FERNWEH - Logbuch eines Inselsammlers. Ebenfalls erschienen bei BoD. Auch als E-Book erhältlich.
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.