Vom Autor des Buches
IMMER WIEDER FERNWEH - Logbuch eines Inselsammlers:
Brotmissbrauch
„Gib uns heute unser täglich’ Brot“. Ich gehe davon aus, dass der Texter dieses Bittspruchs damit nicht meinte, ich müsse mir mein tägliches Brot in einem Restaurant geben lassen. In diesem Falle würde ich nämlich entweder den sofortigen Hungertod oder den Übertritt in eine Naturreligion wählen. Was nämlich als „Brot“ in helvetischen Gaststuben auftaucht, hat diesen Namen nicht verdient, ist politisch unkorrekt und somit „missbrotbräuchlich“.
Früher schaute ich mir die Toiletten an, um mir einen
Überblick über den Zustand eines Restaurants zu verschaffen. Heute belasse ich
es bei einem tiefen Blick in die Brotkörbe. Deren Zustand und Inhalt zeigt mir
nicht nur den Hygienestandard des Betriebs, sondern vermittelt mir auch einen Blick in die Seele des Wirtes. Ob getarnt
unter Selbstgehäkeltem, aufgewertet in Alessi
oder abgeschlossen unter Plexiglas: Nichts entgeht meinem Brotauge.
Wenn ich die Qualität Schweizer Hotels und Restaurants
allein an deren Angebot an Backwaren bewerte: Das Resultat ist bedenklich.
Brotähnliche Pampigkeiten mit orbitalem Dehnfaktor werden als Hausbrot
aufgetischt, Brotartiges von gestern wird quasi via Gast entsorgt. Fade
Baguettes, bereits vor dem Morgengrauen in Scheiben geschnitten, welken auf
Porzellan ebenso dahin wie im Bastkorb. Auch das Vorhandensein einiger
Mohnsamen, Weizenkörnli oder Buchennüssli macht aus geschmackslosen Teiglingen
noch kein gutes Brot. Auch nicht, wenn dieses dann mit Silberbesteck und
weissen Handschuhen serviert wird.
Ein Hotelier erklärte mir seine Brot-Politik: „Ich
serviere kein gutes Brot, weil sonst die Gäste nur noch eine billige Suppe
bestellen und sich den Bauch mit teurem Brot voll schlagen“. Er arbeitet jetzt
in der Chemie.
Ich kenne eine Beiz, da gehen viele Leute auch wegen des Brotes
hin. Sie schlagen sich, zu selbst gemachter Suppe, frischem Salat und
wunderbaren Steaks, die Bäuche mit selbst gebackenem Brot voll. Und weil sie so
viel essen, müssen sie auch viel teuren Wein und viel teures Mineralwasser
trinken. Und manche bestellen sich nachher noch eine Meringue oder eine Gebrannte
Crème und vielleicht sogar noch einen Selbstgebrannten zum Kaffee.
Aus dem Buch Hühnerbrust und Federkiel, erschienen bei BoD, erhältlich dort wo's g'scheite Bücher gibt, im Brockenhaus oder im Internet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.