Freitag, Mai 04, 2018

Käferfest


Vom Autor des Reiseverführers
IMMER WIEDER FERNWEH - Logbuch eines Inselsammler:

Käferfest

Die Lust am Ekel ist salonfähig geworden. Ob marinierte Ameisen oder gegrillte Made: Kein Vieh ist unappetitlich genug, sein ohnehin schon kurzes Leben in menschlichen Mägen auszuhauchen. Grillen aus Bodenhaltung, Marienkäfer aus artgerechtem Anbau und Bio-Blattläuse vom Bauernhof finden reissenden Absatz. Der Tierliebe sind keine Grenzen gesetzt und genüsslich lässt man die Chitin-Panzer knacken, verlustiert sich an behaarten Beinchen und schwärmt von fetten Fühlern.


Was auf den ersten Blick absonderlich wirkt, bringt leidgeplagte Gastronomen, sensible Ökologen und umweltbewusste Biologen geradezu ins Schwärmen. Denn noch nie konnten lästige Insekten derart umweltschonend bekämpft werden. Die Maikäfer des Basler Flugjahres müssen endlich nicht mehr chemisch gekeult werden, sondern landen direkt und lärmschonend in den Fritteusen.

Auf den Kammerjäger können wir zukünftig verzichten, denn knackige Schwabenkäfer beleben jede Stehparty, zarte Silberfische beflügeln jedes Konfirmationsessen. Legionen von Ameisen, die ihre Strassen durch die Gar-tenwirtschaft gebaut haben, werden unter Einsatz arglistig gefälschter Signalisationen direkt in den Steamer umgeleitet.


Der Lehrling kann am Abend die lästigen Schnaken mit dem Schmetterlingsnetz einfangen und sie flugs in einem zarten Bierteiglein ausbacken. Panierte Borkenkäfer statt Pommes Chips,  gesalzene Wasserwanzen statt Nüssli. Nach strangulierten Bernhardinern und langsam zu Tode geprügelten Siamkatzen ein weiterer Sieg der menschlichen Grösse.

Habe heute wieder zwei kleinen Fruchtfliegen das Leben gerettet. Nachdem sie sich aus Verzweiflung in mein Weinglas gestürzt hatten, holte ich sie mit Hilfe eines Löffels zurück ins Leben. Ich setzte sie auf den Tisch und föhnte ihnen mit meinem Odem die nassen Flügelein. Alsbald stiegen sie wieder dem Lichte entgegen. Um sich sofort wieder in meinem Veltliner zu ertränken.
 
Aus dem Buch Hühnerbrust und Federkiel von Hanspeter Gsell,
erschienen bei BoD, erhältlich überall dort wo es gute Bücher gibt. Aber auch im Antiquariat, in der Brockenstube und im Internet.
 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.