Hühnerbrust und Federkiel
von Hanspeter Gsell, erschienen bei Bod
Ich sitze inmitten von Olivenbäumen in den Hügeln von
Castellina und denke an Angelo und seine hübsche Pizzeria in der Schweiz. Auf
seinen kleinen Tischen mit den karierten Tischtüchern standen früher immer die
Flaschen mit dem wunderbaren Olivenöl.
Eines Tages aber fand der Buchhalter von Angelo, dass
dieser unbedingt seine Margen verbessern müsse. Und er sagte ihm auch
gleich wie. Es gäbe doch viel günstigere Olivenöle: Wieso er denn für den Liter
Olivenöl 28 Franken bezahle, wo er doch eben ein Angebot für 8 Franken gesehen
habe. Bei einem Verbrauch von 20 Litern pro Monat mache dies immerhin
bla-bla-bla. Da Angelo zwar viel von der Küche aber nur wenig von Zahlen
verstand, befolgte er den Rat und kauft sich seither eine olivenölartige
Flüssigkeit, die er nachts heimlich in die alten Extravergine-Flaschen umfüllt.
Er selber mag das Öl zwar nicht, aber der Buchhalter hat ihm gesagt, dass die
Schweizer garantiert nichts merken würden.
Und tatsächlich, weder Frau Doktor
Selbig noch Herr Hugentobler von vis-à-vis sagten bei ihrem letzten Besuch ein Sterbenswörtchen. Der
Buchhalter gratulierte Angelo zur deutlich gestiegenen Küchenrendite.
Allerdings ist sich Angelo nicht sicher ob er sich darüber freuen soll. Ihn
interessiert vielmehr wo eigentlich die Selbig und der Hugentobler geblieben
sind.
Eben erst wieder wurde ein grosser Konzern wegen
Produktefälschung angeklagt. Und der Meierhans von nebenan fährt immer noch
regelmässig über die Grenze, um sich mit billigem Olivenöl einzudecken. Es
kostet immerhin dreimal weniger als das Motorenöl für seinen Mercedes.
Noch mehr Geschichten finden Sie im Reiseverführer IMMER WIEDER FERNWEH.
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