Sonntag, Mai 20, 2018

Heute schon empört?



Lügen haben Hühnerbeine

 
Als Jakob B. verhaftet wurde, ging ein Aufschrei durch die Schweiz. „Spritzen-Jakob“, wie man ihn nannte, war ein gern gesehener Gast in schweizerischen Kälberställen. Ob Schweineschnuppen oder Kalbshusten, Jakob B. hatte gegen jede Krankheit ein Mittelchen. Hormone und Antibiotika gab’s im Doppelpack. Und wenn man bei ihm gleich auch noch die Futtermittel bestellte, kam er auch bei Nacht und Nebel ins Haus. Wir empörten uns national. Das war vor 25 Jahren.

Und wieder einmal empören wir uns national. Und wieder sind es Antibiotikahühner und Hormonkälber die uns den Appetit ganz schön verderben. Wir sind aber auch empört über thailändische Krevetten, die jeder Bronchitis Einhalt gebieten, und über norwegischen Lachs, der eigentlich rezeptpflichtig wäre und nur in Apotheken abgegeben werden dürfte. Wir empören uns über Tierfabriken in Rumänien und
über Tiertransporte von Russland nach Tunesien. Wir empören uns über leer gefischte Meere vor Kanada, sterbende Delfine in koreanischen Treibnetzen, über zersäbelte Haie auf chinesischen Schiffen und über japanische Walfänger. Und wir empören uns über Importeure und selbstgerechte Grossverteiler die uns betrügen, belügen und falsch deklarieren.

Vielleicht sollten wir uns aber auch über das Menü 1 zu Fr. 12.50 empören. Und über unsern aberwitzigen Glauben, dass zu diesem Preis unverfälschte und echte Lebensmittel auf dem Teller landen können. Ich empöre mich darüber, dass wir uns tagtäglich schamlos belügen.

Heute schon empört?

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