Montag, Dezember 16, 2019

Yap 5



Fort Worth wie es swingt und lebt

Eine schummrige Kneipe hat es uns angetan. An der langen Bar sitzen einsame Cowboys, Durchreisende auf einem Weg, den sie noch nicht zu kennen scheinen. Vor der Bühne sehen wir ein in Würde gealtertes Paar. Sie sitzt im Rollstuhl, er hat seine Gehstöcke unter den kleinen Tisch gelegt. Wir finden problemlos eine Sitzgelegenheit.

Auf der Bühne werden Gitarren ausgepackt und gestimmt. Ein erster Sänger macht sich für seinen Auftritt bereit. Er singt ein Lied voller Traurigkeit. Von Cowboys, Bisons und dem langen Weg nach Nirgendwo. Applaus.

Es folgt ein jüngerer Sänger, er trägt wie alle andern auch die Uniform des Westens: Jeans, kariertes Hemd und Stetson. Seine Stimme ist beinahe perfekt, der Musikstil trifft jedenfalls den Nerv des Publikums. Applaus.

Nach einer kurzen Pause folgt der Höhepunkt des Abends: Mary-Rose and the Pistoleros sind angesagt. Noch steht erst einer der Pistoleros auf der Bühne. Er schiebt sich die Zähne ins runzlige Gesicht und setzt zu einem Texas-Jodel an.

«Ladies and Gentlemen: Here she comes: The best ever Singer and Songwriter from Abilene, Texas: Applaus für Mary-Rose!»

Doch Mary-Rose ist noch nicht bereit für den grossen Aufritt, zuerst muss ihr Rollstuhl und anschliessend sie selbst auf die Bühne gehievt werden. Ein Helfer bringt ihr eine Tasche mit dem Beatmungsgerät und dem Sauerstoffvorrat. Sie greift hinein, zieht zwei Plastikschläuche hervor und steckt sich deren Enden in die Nase. Ob hier eine Freakshow geplant war? Kam gleich ein amerikanischer Dieter Bohlen um die Ecke?

Nein. Was wir zu hören bekommen ist Musik vom Feinsten! Ein Trio voller Spielfreude bringt mit gut geölten und kräftigen Stimmen das Publikum zum Staunen! Was für ein Spektakel! Da sitzen gut und gern 250 Jahre zu dritt auf einer kleinen Bühne und bieten eine Live-Show, die es ins sich hat. Keine computerisierten Klänge stören den Auftritt, keine elektronischen Schlagzeuge machen das Zuhören zur Qual.

Mary-Rose, die alte Dame, und ihre Kumpels mögen vom Ruhm alter Zeiten leben. Aber ihr Auftritt spricht auch von reinster Lebensfreude: Wir lassen uns doch nicht behindern! Schon gar nicht von Rollstühlen, Beatmungsgeräten und falschen Zähnen!

Danke für Eure Show!

 

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