Samstag, Dezember 27, 2014

Pfeffer aus Ambon

Nach einer kurzen Überfahrt sind wir im Hafen von Ambon, gelandet. Diese Insel war über Jahrhunderte hinweg das weltweite Zentrum des Anbaus von exotischen Gewürzen wie Gewürznelken, Muskatnüssen und – Pfeffer! Wir befanden uns ganz offensichtlich in dem Land, wohin mich mein Geschichtslehrer des öfteren wünschte: im Pfefferland. Allerdings stritten sich noch andere Weltgegenden um diese Auszeichnung. So zum Beispiel die indische Malabarküste. Aber indische Kaufleute hatten den dort heimischen Pfeffer bereits vor langer Zeit auch nach Indonesien, auf die Molukken gebracht und diese auch erstmals „Gewürzinseln“ genannt.


Wo ein Gewürz ist, ist auch ein Krieg“, mögen sich die Holländer 1623 gedacht haben und luden wieder einmal ihre Flinten. Man überfiel die auf Ambon bereits heimisch gewordenen Portugiesen und legte sich der Einfachheit halber auch gleich noch mit den Engländern auf der Nachbarinsel an. Man folterte diese ein wenig und haute ihnen anschliessend die Köpfe ab.(Warum nur kommt mir diese Geschichte so bekannt vor?)

Wieder einmal wurden einige Holländer sehr reich: Pfeffer wurde zeitweise mit Gold aufgewogen. Als sich dann auch noch die Apotheker einmischten und Pfeffer als Aphrodisiakum anpriesen, da kam man in Holland kaum mehr nach mit dem Geldzählen.

Die durch den Gewürzhandel reich gewordenen Kaufleute nannte man übrigens verächtlich „Pfeffersäcke“, ein auch heute noch gebräuchlicher Begriff für reiche, rücksichtslose und machtgierige Menschen.

Pfeffer kann fast ausnahmslos überall in der Küche verwendet werde. Ob grün (aus unreifen Früchten gewonnen) schwarz (aus reifen Früchten) oder weiss (geschälter, schwarzer Pfeffer): die berühmte Prise Pfeffer macht manchmal den Unterschied.



Noch bis Ende Januar berichtet Hanspeter Gsell von den indonesischen Gewürzinseln.



Samstag, Dezember 20, 2014

Zimt aus Makassar

Seit 3 Wochen sind wir unterwegs in der indonesischen Inselwelt. Heute machen wir Station in Makassar, Süd-Sulawesi, wir sind auf der Suche nach Zimt. Dieses Gewürz wird aus der getrockneten Rinde des Zimtbaums hergestellt. Man benutzt nur die dünne Innenschicht unter der Borke, die sich, getrennt vom Holz, zur bekannten Zimtstange zusammenrollt.

Zimt ist wohl eines der ältesten Gewürze der Welt, laut Aufzeichnungen wurde es bereits vor 5000 Jahren in China verwendet. Da wir die Chinesen kennen, ahnen wir, dass sie es nicht nur als Gewürz verwendet haben. Zimt kam bei allerhand magischen Ritualen zum Einsatz.








Beeindruckt hat mich vor allem die „Geld-komm-her“-Zeremonie. Man zündet eine Zimtstange an, zieht sich das Räuchlein durch das linke Nasenloch, und schwuppdiwupp, kommt Geld daher. Zumindest bei Vasco da Gama, dem portugiesischen Seefahrer, der das wertvolle Gewürz 1498 erstmals auf dem Seeweg nach Europa brachte, hat es wohl gewirkt. Er wurde nicht nur wahnsinnig reich, sondern gleichzeitig auch noch Vizekönig von Indien.

Wie Nelken, Muskatnuss und Pfeffer, spielte auch der Zimt im Mittelalter eine wichtige Rolle als Heilmittel. Ob gegen Beulenpest, Fusspilz oder Durchfall. Was man noch nicht wusste: Zimt, bzw. dessen Inhaltsstoff Cumarin, kann ganz schön giftig sein. Und so könnte es sein, dass manch ungeliebter Thronfolger dem Zimt zum Opfer gefallen ist. Heute besteht kaum mehr Gefahr, wenn Sie echten Ceylon-Zimt verwenden. Und einen solchen benötigen Sie während der kommenden Weihnachtszeit. Kein Glühwein, kein Lebkuchen und keine Basler Läckerli gelingen ohne Zimt!

Die Wettervorhersage für morgen in Makassar: Sonnenschein, Temperaturen bis 38 Grad, Wind aus westlicher Richtung, Wassertemperaturen 28 Grad.

Definitiv kein Glühwein-Wetter.

Noch bis Ende Januar berichtet Hanspeter Gsell von den indonesischen Gewürzinseln.















Samstag, Dezember 13, 2014

Muskat aus Seram

Bildergebnis für foto weisswurst

Auf unserer Expedition durch die Molukken, auch Gewürzinseln genannt, sind wir heute auf Seram eingetroffen. Diese Insel war im 16. Jahrhundert der einzige Ort auf der Welt, wo Muskatbäume wuchsen. Muskatnüsse aber waren in Europa heiß begehrt. Als auch noch das Gerücht die Runde machte, sie wären die einzige wirksame Medizin gegen die Pest, war der Goldrausch nicht mehr aufzuhalten. Und so standen eines Morgens nicht nur die Spanier, die Portugiesen und die Engländer, sondern auch die Holländer vor der Türe. Die aber brachten die Inselbevölkerung kurzerhand um und importierten ein Regiment Zwangsarbeiter. Um das Monopol auf den Muskathandel sicher zu stellen, rotteten sie die Muskatbäume auf fast allen andern Gewürzinseln aus. Mit diesem brutalen Vorgehen sicherten sie sich den Handel mit dem würzigen Nüsschen für die nächsten 150 Jahre. Und wurden dabei ganz schön reich.


Nur die kleine Molukkeninsel Run blieb in britischem Besitz und sollte es im 17. Jahrhundert für kurze Zeit zur Berühmtheit schaffen: Die Briten tauschten sie nämlich 1667 gegen die holländische Insel Manhattan ein!


Muskatnussbäume werden bis zu 18 Meter hoch. Ihr Samen, die Muskatnuss, wird sowohl als Gewürz wie auch als Droge verwendet. Den Samenmantel nennt man fälschlicherweise Muskatblüte. Was mich jedoch überhaupt nicht stört, handelt es sich doch dabei um das Macis. Ohne Macis aber keine Weisswurst!
In der Küche wird normalerweise frisch geriebene Muskatnuss verwendet, da ihr Aroma leicht flüchtig ist. Unerlässliche Krönung jedes Kartoffelgerichts, kein Kartoffelstock ohne „Mutschgetnuss“!

Und kein Läckerliteig kommt ohne diese Königin der Gewürze aus!

Und da Muskatnuss zu guter letzt auch noch als Aphrodisiakum gilt, kommt doch dem Basler Läckerli eine ganz andere Bedeutung zu!



Noch bis Ende Januar berichtet Hanspeter Gsell von den indonesischen Gewürzinseln.










Samstag, Dezember 06, 2014

Nelken aus Ternate

Aus Westpapua kommend, sind wir auf der Insel Ternate in den nördlichen Molukken gelandet. Die Portugiesen hatten die Insel anfangs des 16. Jahrhunderts in Besitz genommen. Man interessierte sich vor allem für den Nelkenbaum, der ausschliesslich hier wuchs. Kurz darauf kamen auch die Spanier angesegelt. Bedauerlicherweise mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass die Portugiesen die Gewürzinseln samt Nelkenbäumen als ihren Besitz betrachteten. Diese einseitige Sichtweise und die althergebrachten Befindlichkeiten provozierten umgehend unerfreuliche Seeschlachten. Dabei hatte doch bereits 1494 der Papst die koloniale Welt per Federstrich an Portugal (Osten) und Spanien (Westen) verteilt.

Der Vertrag war allerdings ein stümperhaftes Machwerk. Da der Kilometer noch nicht erfunden worden war, mass man die Distanzen in Leguas. Praktischerweise unterschied sich jedoch eine spanische deutlich von einer portugiesischen Legua. Und noch etwas hatte man übersehen: Irgendwann trifft der Osten wieder auf den Westen. Zum Beispiel auf den Gewürzinseln. Für die Spanier lagen diese klar und deutlich im Westen, für die Portugiesen einwandfrei im Osten. Und beide hatten recht! Die Rechthaberei nützte beiden nichts. Beide wurden 1663 von den Holländern rausgeschmissen. Unter den Niederländern entwickelte sich Ternate zum Zentrum des Anbaus der Gewürznelke.

Die Gewürznelken sind die getrockneten Blütenknospen des Nelkenbaums. In der Küche verwendet man sie zum würzen von Fleisch- und Fischgerichten. Sie gehören auch in ein Curry und …..in Basler Läckerli!

Während sich mein Blick im tropischen Nachthimmel verliert, drehe ich mir eine indonesische Nelkenzigarette. Dazu summe ich das Wiegenlied von Brahms.

Guten Abend, gut' Nacht

mit Rosen bedacht,

mit Näglein besteckt....“



Noch bis Ende Januar berichtet Hanspeter Gsell von den indonesischen Gewürzinseln.




Samstag, November 29, 2014

Vanille aus Papua

Wir warten in Sorong, im Westen Neu-Guineas, auf unsere Weiterreise zu den Gewürzinseln. Sorong, die Hauptstadt der indonesischen Provinz West-Papua liegt quasi auf dem Äquator; Sie wollen gar nicht wissen wie heiss und feucht es hier ist. Eine ihrer Schwesterstädte ist Nuuk, die Hauptstadt von Grönland; Sie wollen auch nicht wissen wie kalt und feucht es dort sein kann.

Lange bevor sich leichtgläubige Europäer von durchtriebenen Immobilienhändlern in Florida nutzloses Sumpfland andrehen liessen, hatten bereits andere die gleiche Idee. Die Mutter aller Immobilienhaie war der Franzose Charles Bonaventure du Breil.

Mit nutzlosen Versprechen gelang es ihm rund tausend Europäer zu überzeugen, ihm ihr Gut und Geld anzuvertrauen. In Neu-Guinea, fernab vom krisengeschüttelten Europa, wollte er das Königreich „Neu-Frankreich“ errichten.Zu spät erkannten die Kolonialisten den Betrug: Das vermeintliche Tropenparadies entpuppte sich als malariaverseuchtes Sumpfgebiet.

Neu-Guinea ist ein wichtiges Anbaugebiet einer ganz besonderen Orchideen-Gattung namens Vanilla. Aus deren Kapselfrüchten entstehen in einem äusserst aufwändigen Verfahren die vertrauten Vanilleschoten. Was wäre eine Bayrische Crème ohne den exotischen Hauch der Vanille! In der modernen Küche kommt sie auch bei Fisch- und Fleischgerichten zum Einsatz. Hauptaromaträger ist die Schote selbst. Man schneidet sie der Länge nach auf und kratzt die Samen und das sie umgebende Öl – das Mark – heraus. Diese Aromastoffe löst man durch Auskochen. Vanillezucker stellt man her, indem man eine Schote für einige Wochen in einem Glas mit Zucker luftdicht aufbewahrt.

Nichts mit Vanille zu tun hat übrigens der Vanille-Rostbraten. Diese österreichische Spezialität wird aus Kostengründen mit Knoblauch gewürzt.

Noch bis Ende Januar berichtet Hanspeter Gsell von den indonesischen Gewürzinseln.




Samstag, November 22, 2014

Die Gewürzinseln

Das Eldorado aller Gewürzfetischisten liegt in Indonesien, zwischen den Inseln Sulawesi und Neuguinea. Waghalsige Seefahrer hatten die Molukken im 16. Jahrhundert entdeckt. Bereits am nächsten Morgen führten Portugiesen, Spanier, Holländer und Engländer blutige Kriege um die Vorherrschaft über das grüne Gold.

Was hatte die Seefahrer dazu gebracht, die halbe Welt zu umsegeln, dabei unvorstellbare Qualen und Strapazen zu erleiden, nur um „Gewürze zu entdecken“? War es der gleiche Trieb, der heute Menschen dazu bringt, den Amazonas von der Quelle bis zur Mündung zu durchschwimmen oder freihändig den Mount Everest zu besteigen?

Tauchen wir kurz ein in das Europa des 16. Jahrhunderts. Die meisten von uns waren arme Bauern und litten nicht nur unter der Schwarzen Pest , sondern waren vor allem immer eines: hungrig. Denn noch hatte Herr Linde den Kühlschrank nicht erfunden. Sie werden es ahnen: Kaum hatten wir den Wochenendvorrat bei Aldi eingekauft, war schon wieder alles vergammelt.

Wohl konnte man Salz kaufen und das Fleisch einpökeln. Und auch die Räucherkammer kannten wir bereits. Aber irgendwann hatte man einfach genug von versalzenem Fleisch und den ewigen Rauchwürsten. Als einfache Bauern nahmen wir dies zwar gottgegeben hin, nicht jedoch, wenn wir Könige waren. Da man weder Lardo di Collonato noch Rucola kannte, servierte man ein Soufflée au Muscat oder vielleicht eine Mousseline au Clous de Girofles. Diese beiden Zutaten hingegen, die Muskatnuss und die Gewürznelke, waren rar geworden in jenen Zeiten. Und so sprach König Carlos V von Spanien eines Morgens: „Man möge schnell mal ein paar Inseln entdecken und Gewürze mitbringen, die dem Wohle des Königreichs dienen sollen.“

Der gute Karl wird wohl eher an sein eigenes Wohl gedacht haben.







Sonntag, November 16, 2014

Montelupo

Wir erreichen Montelupo um die Mittagszeit. Der Schulbus hat eben eine Ladung Schüler ausgespuckt, auf lärmigen Motorrädern fahren die ältern Jugendlichen nach Hause, verbeulte Cinquecentos brummeln gemächlich durch die engen Gassen. Türen fallen krachend ins Schloss, aus offenen Fenstern rufen Mamas und Nonnas nach Kind und Kegel. Zwei Traktoren liefern sich ein Rennen. Dann wird es ruhig. Der Dorfpolizist zieht seinen Hut aus und lockert den Gurt, setzt sich zu Maria in die Bar „Roma“. Nicht nur Montelupo, ganz Italien verfällt in die tägliche Mittagsstarre. Die Welt könnte untergehen, in Italien würde man nichts davon merken. Nach zwei Gläsern Frizzante und einer Schale gesalzener Erdnüsse fragen wir Maria nach dem Weg zu Stefano
 
„Zu Stefano wollt ihr? Zu welchem Stefano?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Kein Problem! Bei der Kirche links, beim nächsten Rotlicht rechts, an der Schule vorbei und dann scharf links. 2 Kilometer geradeaus, bei Traktor zweimal rechts und schon seid ihr bei Stefano! Ciao!“

„Aber in Montelupo gibts gar keine Rotlichter!“ meinte der Polizist.

„Halt die Klappe!“ antwortete Maria. „Was weisst denn du schon! Früher gabs eins bei der Gemeindeverwaltung!“

Ich liebe Italien! Nie hätte irgendeine Maria gesagt, sie hätte keine Ahnung wo irgendein Stefano wohne. Und hätte ich sie nach der oberen Rheingasse, dem Spalenberg oder der Gundeldingerstrasse gefragt, sie hätte mir sofort eine Wegbeschreibung gegeben. Sie hätte mir auch noch anerboten, mein klapperndes Auto zu reparieren, mir dabei die Aufstellung der AS Roma anlässlich des letzten Testspiels gegen Verona aufgesagt und alle Politiker in Rom zum Teufel geschickt.

Natürlich wussten wir, wo Stefano wohnte. Aber das Strassenfindungsritual in Italien ist einfach zu schön, um es auszulassen.

Noch mehr Texte aus Montelupo, Wigoltingen und andern eigenartigen Orten finden Sie hier:

 


Sonntag, November 09, 2014

Gsell.schafft: Kolumnen: Depesche von Dante

Gsell.schafft: Kolumnen: Depesche von Dante: „Guten Wein suchst du? Dann musst du beim alten Parmiggiani in Castellina vorbeischauen“, meinte Umberto. „Ich werde ihm gleich eine Depesch...

Depesche von Dante

„Guten Wein suchst du? Dann musst du beim alten Parmiggiani in Castellina vorbeischauen“, meinte Umberto. „Ich werde ihm gleich eine Depesche übermitteln“ fuhr er fort und steckte sich eine Toscanelli an. Ohne die Gefahr zu ahnen – die „Depesche“ hätte mich warnen müssen – machten wir uns auf den Weg. Nachdem wir uns mehrfach verfahren hatten, bemerkten wir das von Umberto erwähnte Schild mit den Initialen P.P..



Wir folgten dem von Zypressen gesäumten Weg und erblickten ein schlossähnliche Anwesen. Der Haushofmeister hatte die Schweizer Fahne gehisst und erwartete uns bereits. Mit einer tiefen Verbeugung hiess er uns willkommen. Nachdem er meine Visitenkarte studiert hatte, gab er den Bläsern ein Zeichen. Als die Fanfare von den Zinnen ertönte, öffnete sich das Tor und heraus trat der alte Parmiggiani. Hinter ihm schwebte die Signora und klapperte heftig mit ihren Wimpern. „Benvenuto – Benvenuto!“ rief sie begeistert. „Darf ich ihnen mein klein‘ Gärtchen zeigen?“ Die Ansprache duldete keinen Widerspruch und wir folgten der Signora durch den Palastgarten. Tausende von Rosen in allen Farben verströmten betörende Düfte. Im Teich tummelten sich Karpfen, in der Orangerie blühten Orchideen und in den exotischen Bäumen krächzten Papageien. Auf einer Anhöhe blieb Signora stehen, streckte ihre Hände gen Himmel und begann in fremden Zungen zu sprechen. Der Redeschwall war beträchtlich und ich beriet mich derweil mit meiner Frau, wie wir uns aus den Fängen dieser Verrückten befreien könnten. Die Signora schien unser Missbehagen gespürt zu haben und beendete ihre Litanei mit den Worten: „Dante – die göttliche Komödie, in russischer Sprache. Wenn sie möchten, könnte ich dieses wunderbare Werk auch noch in französischer oder finnischer Sprache rezitieren.“

Wir zeigten kein Interesse, verliessen den Garten durch den Karpfenteich und beschlossen, fortan ein Leben ohne Wein zu führen.

Noch mehr Geschichten von schwebenden Gräfinnen, weitere Texte und Informationen
zu den Büchern von Hanspeter Gsell finden Sie hier:

www.gsellschafft.blogspot.com
 






Sonntag, November 02, 2014

Hurni trinkt


Hurni trinkt gern. Und viel. Eine Weinmesse bedeutet für ihn Schlaraffenland, Garten Eden und Säuferparadies. Er ist deshalb Stammgast an jeder Veranstaltung, welche ihm die Chance für einen günstigen Rausch bietet. Man sieht es Hurni nicht an, dass ihn nur der Alkohol nicht jedoch der Wein interessiert. Er ist gut angezogen, wirkt seriös und kann wunderbar Geschichten erzählen. Geschichten von der baldigen Hochzeit seines Sohnes mit einer landadeligen Schönheit. Geschichten von einem Fest mit mehr als 300 Gästen. Und er erzählt jedem Weinhändler, dass er ganz persönlich hier und heute den Wein für den Anlass zu kaufen gedenke. Er rechnet mit locker 300 Flaschen, zusätzlich Champagner, natürlich. Er würde dann morgen mit seinem Sohn vorbei kommen, heute jedoch die Weine schon mal vordegustieren. Was er dann auch ganz ordentlich tut, und sich Glas um Glas, Flasche um Flasche hinter die Binde schüttet.

Pünktlich am nächsten Tag erscheint er mit seinem Sohn. Und wieder erzählt er die Geschichte von der wundersamen Hochzeit, von seiner künftigen Schwiegertochter sowie 300 Flaschen, zusätzlich Champagner, natürlich. Der Sohn aber steht teilnahmslos daneben, sagt gar nichts und schüttet sich Glas um Glas, Flasche um Flasche hinter die Binde. Gegen Abend haben sie mehreren Walliser Weinbauern, drei spanischen Weinhändlern sowie diversen andern Anbietern versprochen, sie stünden in der Endauswahl und man würde dann morgen oder übermorgen die Bestellung abschliessen. Ob sie denn einige Flaschen mitnehmen könnten, fragten sie. Dann könne man zu Hause nochmals nachdegustieren. Man würde dann morgen vorbeikommen.....

Fröhlich wankten sie von dannen und wurden nie mehr gesehen. Nur wer genau hinsah auf dem Nachhauseweg, erblickte die beiden auf einer Bank am Claraplatz. Zusammen mit einigen Ureinwohnern feierten sie den gelungenen Abend.
 
Noch mehr "funny Pics" finden Sie hier:


Und noch mehr Texte:

www.gsellschafft.blogspot.com









Freitag, Oktober 24, 2014

Wer kork denn da?

Jedem Weinliebhaber ist es wohl schon so ergangen: Der Kellner hat eine Flasche geöffnet und bittet den Gast, den Wein zu degustieren. Schmeckt er wie er schmecken sollte, hat er Korkgeschmack oder stimmt sonst was nicht? Eine nicht immer einfache Angelegenheit!

Der Sommelier eines bekannten Restaurants hat mir folgende Geschichte erzählt: Sie handelt von einem durchaus erfolgreichen Unternehmer der eine Gruppe von Freunden regelmässig zum Essen einlädt. Er wollte sich nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Gourmet und Connaisseur profilieren – sich einen Namen machen. Wie bei jedem Besuch gab er die erste Flasche Weisswein mit der Begründung "Der Wein korkt!" zurück. Nach dem ersten Schluck aus der neuen Flasche meinte er "Wunderbar. Wie schön, dass man auch im Dézaley den Barrique-Ausbau entdeckt hat. Ober! Einschenken!" Der Kellner schenkte die übrigen Gläser voll, der erfolgreiche Unternehmer brachte einen Toast aus, man prostete sich zu und trank. Der Wein aber hatte einen mordsmässigen Korkgeschmack, war, so der Sommelier, eigentlich untrinkbar. Diesen Korkgeschmack aber hatte der erfolgreiche Unternehmer zum Barrique-Aroma verklärt.

Wie aber erkennt man Korkgeschmack? Es gibt Menschen, die am Korken riechen nachdem sie ihn herausgezogen haben. Nützt gar nichts! Ich habe an fauligen Zapfen gerochen, der Wein war wunderbar. Ich habe an perfekten Zapfen gerochen, der Wein war untrinkbar. Ich habe Weine degustiert, die einen deutlichen Korkgeschmack auswiesen, nach einer halben Stunde war er weg. Der Höhepunkt: Ich degustiere einen Wein und deklariere ihn als wunderbar, nach ein paar Minuten schmeckt er nach Kork. Tja.

Probieren geht über studieren. Zum Beispiel an der Basler Weinmesse. Das Verb „korken“ sollte man jedoch nicht verwenden. Auch wenn der Ausdruck „er hat Zapfen“ sprachlich nicht korrekt ist: Zapfen bleibt Zapfen.

Alle Kolumnen, Texte und Bücher von Hanspeter Gsell finden Sie auf www.gsellschafft.blogspot.com




















Donnerstag, Oktober 16, 2014

Degustieren in Mailand

Wir waren zu einer Weindegustation in Mailand eingeladen. Der bekannte Winzer, Önologe und Wichtigtuer Dottore Ettore Strozzi di Napoli wollte uns seine neusten Weine kredenzen. Um uns Journalisten auch richtig auf den Anlass einzustimmen, wurden wir im edelsten Hotel der Stadt einquartiert.

Bereits die Ankunft vor dem ehrwürdigen Palazzo war denkwürdig. Ich stoppte den Wagen genau neben dem roten Teppich. Noch bevor ich den Motor abgestellt hatte, wurden wir von zwei Pagen in nordkoreanischen Generalsuniformen umzingelt. Der grössere, ich tippte auf Schuhgrösse 64, riss die Fahrertüre auf und salutierte. Der kleinere öffnete meiner Frau galant die Beifahrertüre und hauchte einen angedeuteten Handkuss. Ein Feldwebel hatte in der Zwischenzeit den Kofferraum geöffnet, stellte unser Gepäck auf einen vergoldeten Pollerwagen und brachte uns auf unser Zimmer.

Die Degustation fand in der Fechthalle eines altehrwürdigen Klubs, dem „Circolo delle Rose“, statt. Da gemäss den Statuten aus dem Jahre 1498 nur Männer Zutritt zu den heiligen Hallen hatten, stand Dottore Ettore Strozzi di Napoli vor einem ernsthaften Problem. Denn ich weigerte mich standhaft, meine Frau in irgendeinem Salon zwischenzulagern.

Es kam zu einem unblutigen Staatsstreich und der gesamte Klubvorstand trat zurück. Eine Militärjunta, zusammengesetzt aus einem pensionierten Offizier der Carabinieri, einem subalternen Mitarbeiter der Guardia di Finanza sowie dem früheren Hausmeister der benachbarten Postamtes übernahm das Territorium.

Es war gegen Mitternacht, als ich zusammen mit meiner Frau den Fechtsaal betrat. Sowohl die andern Gäste als auch der Gastgeber hatten sich längst wieder verabschiedet, der adlige Oberkellner schnarchte leise vor sich hin. Da wir ihn nicht wecken wollten, schlichen wir aus dem Haus und machten uns von dannen.

mehr zum weinen...und zu Weinen





Alle Kolumnen, Texte und Bücher von Hanspeter Gsell finden Sie auf www.gsellschafft.blogspot.com










Donnerstag, Oktober 09, 2014

Suser

Ein leuchtend gelbes Plakat verunstaltet die Eingangstüre zur Gaststube. „Suser past. im Stadion“. Was will man uns damit sagen? Was soll hier in welches Stadion passen? Dass es sich beim Gestalter dieser Affiche um eine Person mit akzentuierter Schreibschwäche handelt, ist unschwer zu erkennen.

Was ist eigentlich Suser? Um das Rätsel zu lösen, tauchen wir ab ins 16. Jahrhundert, bzw. ins Idiotikon, ins Schweizer Wörterbuch. Hier finden wir folgenden, durchaus allgemein gültigen Satz: „Suser ist der Saft nit grad der ersten zyt wyn, sunder zum ersten most, darnach suser, zuletst erst wyn.“ Sauser (Suser) ist also noch kein Wein, sondern aus Trauben gepresster Most, dessen alkoholische Gärung gerade begonnen hat. Sauser nennt man ihn, weil er im Glas – und manchmal auch in den Gedärmen – so schön „saust“. Man nennt ihn auch „Neuer Wein“, manchmal Rauscher (Südtirol), Sturm (Österreich), Bitzler (Pfalz) oder Bremser (Franken).
In alten Zeiten hatte man keine grosse Ahnung, wie denn der Alkohol in den Wein gelang. Man presste die Trauben und füllte den frischen Saft in ein Fass. Anschliessend betete man zu Bacchus (bei den alten Römern) oder Dionysos (wenn man Grieche war). Wollten unsere Vorfahren „Met“, den altgermanischen Honigwein herstellen, zog man höchstwahrscheinlich die gute alte Freya, Göttin der Fruchtbarkeit und der Liebe, die Schirmherrin des Ackers und der Feldfrüchte zu Rate.
Erst vor rund 150 Jahren brachte der Franzose Louis Pasteur Licht ins Dunkel der sausenden Säfte. Dank der von ihm entwickelten „Pasteurisierung“, der kurzzeitigen Erhitzung auf 100 Grad Celsius, gelang es, eine Gärung zu verhindern oder jederzeit zu stoppen. Man konnte ab sofort Sauser in einem bestimmten Stadium pasteurisieren, ihm das Leben entziehen. Somit ist pasteurisierter Sauser ein önologischer Kastrat, ist weder Fisch noch Vogel, ist nichts, gar nichts.








Samstag, Oktober 04, 2014

Im Ausgang

Der altherrschaftliche Bau trieft geradezu von helvetischer Geschichte. In seinen legendären Räumen wurden Regierungen gestürzt, Vögte in die Wüste geschickt und neue Staaten gegründet. Und auf der alten Sandsteintreppe zum heutigen Restaurant verlor manch dubioser Despot seinen Kopf und manchmal auch sein Leben. Und hier also, so stehts zumindest im Gourmetführer geschrieben, soll heute ein Mensch „mit viel Liebe marktfrisch kochen“. Mit seiner kreativen Küche und seinem Charme will er mich als Stammgast gewinnen und „mich am Zauber des Individuellen teilhaben lassen“ (!?). Er stelle mein Bedürfnis in den Mittelpunkt und biete Qualität ohne Wenn und Aber. Ich muss sogar davon ausgehen, dass ich nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes sondern in wirklich jeder Beziehung „König“ sein werde. Sogar etabliertes Mitglied einer Gilde sei er, dieser Charmebolzen. Noch ahnte ich nicht was dies zu bedeuten hatte und suchte mir in der Weinkarte einen Schoppen Wein aus. Verzaubert erklärte mir der designierte Königsmacher, dass dieses hehre Tröpfchen leider gerade ausgegangen sei. Obwohl ich natürlich wahnsinnig gerne gewusst hätte, wohin es denn ausgegangen sei, verzichtete ich auf eine Wortmeldung und wählte eine Alternative. Leider war auch sie bereits ausgegangen. Etwas irritiert deutete ich auf die Nummer drei, die sich aber bereits mit Nummer vier, fünf und sechs im Ausgang befand. Schön, dass man hier meine Bedürfnisse sofort erkannt hat. Ich wählte ebenfalls den Ausgang.

Ich erwarte in keinem Restaurant der Welt eine Weinkarte mit Hunderten von Provenienzen. Ich habe auch kein Problem damit, wenn einmal ein Wein nicht vorrätig sein sollte. Wenn jedoch die Hälfte aller angebotenen Flaschen nicht verfügbar ist, dann ist dies unprofessionell und gastfeindlich. Solchen Wirten bleibt nur der Weg aller Flaschen: den Abgang durch den Ausgang.




Alle Kolumnen, Texte und Bücher von Hanspeter Gsell finden Sie auf www.gsellschafft.blogspot.com




Sonntag, September 28, 2014

Saucenpflücker

Eigentlich wollte Hurni nur kurz durch die Bahnhofshalle und über die Passerelle ins Gundeli. Da bemerkte er, wie farbig gekleidete, junge Menschen irgendwelche Muster verteilten und blieb stehen. Neugierig näherte er sich, nuschelte in seinen Bart und wurde umgehend Besitzer eines Glases Spaghettisauce der Marke „Berilla“. Hurni bedankte sich artig und betrat die Rolltreppe. Kaum oben angekommen, drückte ihm ein desinteressierter Jungmann ein weiteres Müsterchen in die Hand. Beim Ausgang Süd nötigte ihn ein fremdländisch wirkender Saucenverteiler erneut zu einem Gläschen.  Als Hurni wieder den Centralbahnplatz erreicht hatte, hielt er kurz inne und zählte seine Kostbarkeiten. 17 Gläser Spaghettisauce von „Berilla“, dazu eine Saure Zunge, ein Läckerli und eine Gratiszeitung! Er deponierte seine Habe im nächsten Schliessfach und beschloss, weiter zu sammeln. Damit man ihn nicht erkannte, borgte er sich beim Marronimann eine Mütze, zwecks Sprachverstellung steckte er sich eine Marroni hinter die linke Backe. So getarnt betrat er wieder die Eingangshalle, pflückte rechts ein Glas und links ein Glas und betrat wieder die Rolltreppe. Fröhlich pflückte er weiter und verliess die Passerelle Richtung Gundeli. Hier telefonierte er kurz mit dem Präsidenten des Turnvereins. Etwas später traf aus Richtung Muttenz ein Sonderzug mit sämtlichen Mitgliedern der Damen- und Herrenriege inklusive Senioren, Junioren, Muki-Müttern und Ehrenmitgliedern ein. Bereits nach wenigen Durchgängen war der Bahnhof leer gepflückt und die ganze Garde machte sich wieder auf den Heimweg. An der GV gabs Spaghetti mit Sauce, Frau Berilla wurde zum Ehrenmitglied ernannt und der Präsident schrieb ihr einen Dankesbrief.

Als Hurni den Brief am nächsten Morgen auf der Poststelle abgab, drückte man ihm ein Glas „Berilla“ in die Hand.



 
gefunden bei www.deecee.de



Alle Kolumnen, Texte und Bücher von Hanspeter Gsell finden Sie auf www.gsellschafft.blogspot.com


Sonntag, September 21, 2014

Gsell.schafft: Kolumnen: Kümmerlinge

Gsell.schafft: Kolumnen: Kümmerlinge: Der Anflug auf die Insel Pantelleria ist spektakulär. Zwanzig Minuten Flug von Palermo sind es. Die kleine Maschine zielt genau auf den höch...

Donnerstag, September 18, 2014

Kümmerlinge

Der Anflug auf die Insel Pantelleria ist spektakulär. Zwanzig Minuten Flug von Palermo sind es. Die kleine Maschine zielt genau auf den höchsten Berg der Insel, die „Montagna grande“. Unter uns glitzert der „Specchio di Venere“ - der Spiegel der Venus, ein Kratersee. Wie von Riesenhand hingeworfen, liegen verstreut die Dammusi, arabisch anmutende Steinhäuschen. Kleine Strassen winden sich durch die steinige Landschaft.

Noch ist es Nacht, wenn sich Ciccio auf den Weg zur Arbeit macht. Sein Ape, dieses uritalienische motorisiertes Dreirad mit Ladefläche, wackelt gutmütig über die schmalen Strassen, die Trockenmauern werfen den knatternden Motorenlärm weit über das Land. Er fährt ans andere Ende der Insel, wo sich seine Kapernsträuche befinden. Bevor die Sonne am Himmel steht, müssen die Blütenknospen geerntet werden.Kapernsträucher sind niedrige, knorrige Pflanzen. Das jahrelange, gebückte Pflücken hat seine Spuren bei Ciccio hinterlassen. Er ist alt geworden, seine Kinder haben die Insel schon vor Jahren verlassen. Der Lohn der harten Arbeit ist zu klein. 
Hat Ciccio seine „Biene“ geladen, geht es zurück nach Hause. Dort wird er die Blütenknopsen in Meersalz einlegen um sie zu konservieren. Nie würde er sie in Essig aufbewahren. Nie.
An Ciccio und an Pantelleria musste ich denken, als mir Kari K., diese Ausgeburt eines mehrwertlosen Wirtes, sein Vitello tonnato servierte. Das fein geschnittene Kalbsfleisch lag verborgen unter einer sämigen Thon-Sauce. So weit, so gut. Als ich jedoch die Essigkapern erblickte, wusste ich, dass gar nichts gut war: Kapern in Essig sind die wohl himmeltraurigste Erfindung seit es Kapern gibt! Beisst man in das Früchtchen, spritzt der Essig. Es schmeckt nach Essig, es riecht nach Essig. Solche Kapern sind nichts als minderwertige Essigkümmerlinge! Schade um die Kapern. Und um den Essig.

Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com


Donnerstag, September 11, 2014

Ziemlich wurscht

Als ich meine erste Stelle im Gastgewerbe antrat wurde mir klipp und klar mitgeteilt, dass ich mich jeder politischen Meinung zu enthalten habe. „Wenn man linke Themen propagiert, kommen die Rechten nicht mehr, wenn man zu stark rechtslastig palavert, boykottieren uns die Linken. Treten Sie aus der Kirche aus und enthalten Sie sich religiöser Kommentare! Sollten Sie ein italienisches Auto fahren, verkaufen Sie es. Unsere Gäste fahren deutsche Autos.“

Letzten Samstag aber verliess ich den Pfad der Tugend. Es war kurz vor 21.00 Uhr und ich beschäftigte mich eben mit einem mittelmässigen Cordonbleu, als der Patron des „Güllen“ an meinen Tisch trat. Geschwollen schwadronierte er daher, dass sein Koch jetzt „seinen wohlverdienten Feierabend antreten zu gedenke“ und wedelte mit der Dessertkarte über meiner Saucière. Er bat mich, jetzt schon die Nachspeise zu bestellen und dankte mir für mein Verständnis in dieser leidigen Sache. Da es sich bei der Person des Koches gleichzeitig um den Patron handelt, beschloss mein Verstand auf Verständnis, Dessert und weitere Besuche zu verzichten.

Zusammen mit der Rechnung erhielt ich ein Pamphlet mit dem Titel „Nein zur Bratwurst-Diskriminierung“. Durch die Senkung des Steuersatzes von 8 auf 2,5 % sollen „Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze und der Standort Schweiz gesichert werden“. Solch einen Unsinn muss man sich zuerst einmal auf der Zunge zergehen lassen! Es ist allgemein bekannt, dass die Gastronomie unter enormen Problemen leidet. Und es ist auch Tatsache, dass vor jeder Abstimmung Nebelgranaten aus allen Richtungen abgeschossen werden. Aber Patrons wie der Güllen-Wirt sollten sich hüten, über Mehrwertsteuern und diskriminierte Bratwürste zu sprechen. Denn solche Betriebe schaffen überhaupt keinen Mehrwert. Sie sind minderwertig, sie sollten uns wurscht sein.
 
Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com








Donnerstag, September 04, 2014

Koch fusioniert

Mit Fusionen kennen wir uns in Basel bestens aus. Aus Ciba Geigy und Sandoz entstand die Novartis, Bankverein (SBV) und Bankgesellschaft (SBG) fusionierten zur UBS. Auch kulinarische Fusionen, Verschmelzungen verschiedener Esskulturen, sind in Basel nichts Neues. Neu hingegen ist, dass auch mein Lieblingswirt Kari Koch zurzeit am Schmelzen ist. Nein, nicht mit dem Sternen vis-à-vis und auch nicht mit einem Zürcher Gastrounternehmer will er eine lukullische Liaison eingehen.

Grössenwahnsinnig, wie es nur Kari sein kann, hat er beschlossen – zusammen mit seinem Hilfskoch aus Ammel, der Putzfrau aus Schönenbuch und dem Kellner aus dem Kleinbasel – die Baselbieter Landfrauenküche mit städtischem Daig zu fusionieren.Gleichzeitig möchte er den aberwitzigen Molekularköchen ein paar Atome klauen und diese mit einem ukrainischen Krautwickel zertrümmern. Als er mich zur Degustation einlud, ahnte ich Böses. Aber es kam noch schlimmer! Viel schlimmer!

Auf dem Menu standen Absurditäten wie „Echte Basler Mehlsuppe mit falschen Kirsch-Maggronen aus dem Ergolztal“, „Lachs nach Basler Art auf seinem Bett aus Ormalinger Blauchabis, garniert mit einem Soufflé aus Oberbaselbieter Rahmdääfeli“. Als Businesslunch empfahl er „Hackbraten – souffliert von Kleinbasler Grazien – dahin gestreckt auf zartem Lauchgemüse an Kirschkernöl von der Sissacher Hinteregg“ oder „Grossbasler Kalbshirni auf seinem Zwetschgenbett mit Grünkerz-Haferfett vom Tschoopenhof und Lederapfel-Muus“. Soweit das gastronomische Konzept von Kari Koch, den bisher alle nur Kari nannten. Er nennt sich jetzt Charlie, die Baiz ist neu eine „Fusion-Lounge“ und beide versprühen den Charme gähnender Leere.

Wirst du etwas über mich und das neue Konzept schreiben?“ wollte Charlie wissen.
Nein, Kari.“
Und wenn ich Geri Müller mit ……“
Neiiiiiin!“


Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com














Donnerstag, August 28, 2014

Königinnenpastetli

Das kleine Restaurant in der Region war bekannt für seine Pastetli. Sie waren nicht nur riesig, selbstgemacht und preisgünstig. Es waren schlicht und einfach die weltbesten Königinnenpastetli! Natürlich verwendete man als Füllung weder Huhn noch Trute und schon gar keine Brätkügeli sondern geschnetzeltes Kalbfleisch und Champignons. Mit reichlich Weisswein abgelöscht, die Sauce suprême mit Crème fraîche verfeinert. Die Pastetli wurden zweimal wöchentlich in der hauseigenen Backstube hergestellt. Sie waren so gross, dass es keine Beilagen dazu brauchte. Ausser Erbsen. Aus der Büchse.

Eines Tages aber übernahm ein neuer Koch das Regime über Pfannen und Töpfe. Als er all die Büchsen sah, weinte er bitterlich und wurde sehr, sehr traurig. Und sehr wütend. Er schmiss die Konservendosen kurzerhand in den Sondermüll und servierte fortan frische Erbsen. Weil diese, im Gegensatz zu ihren Schwestern aus der Dose, auch wirklich nach Erbsen schmeckten! „Wir bleiben nicht gut, wenn wir nicht immer besser werden zu trachten“, meinte er wohl mit Gottfried Keller. Aber weder interessierten sich die Stammgäste für Dichtkunst, noch waren sie der gleichen Meinung wie der Koch.

Ihnen war es nämlich völlig egal wie frische Erbsen schmecken! Sie wollten Erbsli die sie an die alten Zeiten erinnerten. Erbsli sollen nicht wie frische Erbsli schmecken, sondern wie Erbsli aus der Dose. Wie Kugellager eben. Mehlige Kugellager mit dem Geschmack der 68er-Jahre, mit leicht süsslich-muffiger Note nach feuchter Zeitung und einer Prise Aromat. Die frischen Erbsli konnten den Gästen gestohlen bleiben, dieser penetrante Geschmack nach Erbsen war ihnen zuwider.

Nach zwei Wochen hatte unser Koch auch noch die letzten Gäste weggekocht. Im Internet zirkuliert seither ein Selfie das ihn an einem Fliessband zeigt. Er sortiert jetzt Erbsli.

Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com



























Donnerstag, August 21, 2014

Gastfreundschaft nach Basler Art

Sie planen eine grössere Reise? Dann lesen Sie bitte aufmerksam diese Zeilen.

Als Weltenbummler werden Sie Toiletten sehen, riechen und benutzen, die diesen Namen nicht verdienen. Ob in Flughäfen, Hotels oder Restaurants, auf Alpen oder an Stränden:
Windschiefe Holzhütten, zugige Verschläge über stinkenden Gruben - Dreckslöcher allesamt - machen manche Reise zur Tortur. Toiletten mit und ohne Türen, mit Schlössern die sich schliessen, aber nie mehr öffnen liessen; verrostete Türriegel, die sich nur mit einem Kalberstrick halbwegs schliessen lassen. Ich rate Ihnen deshalb, immer einen Seitenschneider und etwas Packschnur dabei zu haben. Vergessen Sie nicht
Desinfektionsspray, Feuchttüchlein, Seife sowie Zeitungen. In Ägypten müssen sie sich sonst das Toilettenpapier gegen teures Bakschisch bei aufdringlichen, bärtigen Männern erkämpfen. Sie waren bei den Pfadfindern und haben gelernt, eigenen sanitäre Anlagen zu bauen? Vielleicht haben Sie noch Platz für den Klappspaten und einen Donnerbalken! Beachten Sie jedoch die geltenden Regeln für Übergepäck! Kaufen Sie besser ein eigenes Toitoi-Häuschen. Sicher gibts die auch als Bausatz in Leichtbauweise. So können sie sich überall auf der Welt ihr persönliches WC aufblasen.
Und auch dies noch: In arabischen Flughäfen sollten Sie nie, auf keinen Fall - auch nicht aus Versehen, während einer Phase der Demenz oder bei akutem Realitätsverlust - die falsche Toilette betreten. Letztes Jahr wurde ein besoffener Bayer, der sich in die Damentoilette verirrt hatte, an der nächsten Palme aufgeknüpft!

Ankunft kurz nach Mitternacht im Bahnhof Basel SBB. Das Bier drückt, der Anschlusszug fährt in einer halben Stunde, genügend Zeit die Toiletten aufzusuchen. Gottseidank sind Sie in Basel und nicht in Ougadougou oder Antananarivo. Doch die von der SBB lizenzierten Toilettenwegelagerer haben ihre Boudoirs um Mitternacht geschlossen. Gastfreundschaft nach Basler Art.


Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com











Sonntag, August 17, 2014

Gsell.schafft: Kolumnen: Fertig lustig!

Gsell.schafft: Kolumnen: Fertig lustig!: Manchmal steht man vor einem angeschriebenen Haus und hat keine Ahnung, ob es sich nun um ein Restaurant, eine Werkstatt oder einen alternat...

Donnerstag, August 14, 2014

Fertig lustig!

Manchmal steht man vor einem angeschriebenen Haus und hat keine Ahnung, ob es sich nun um ein Restaurant, eine Werkstatt oder einen alternativen Kulturbetrieb handelt. Was sollen uns Anschriften wie GARAGE, SICHTWERK, TREIBGUT, UNTERNEHMEN MITTE oder GRENZWERT sagen? Werden da Töffli repariert, Stellriemen gesägt oder grenzwertige Drinks angeboten? Handelt es sich beim BESENSTIEL um ein Reinigungsunternehmen, bei der KAEFERSTUBE um das Lager eines Kammerjägers?
In den Bereich Sauglattismus gehören wohl Namen wie RHYWYERA, KABAR, BARAGRAPH, TRANSBARENT, BROTEGA oder 8-BAR. Völlig hirnrissig sind Namen wie HAMABAMA und NASOBEN. Spitzenreiter dieser Unterabteilung des gehobenen Blödsinns ist unbestritten die BAR FUESSERKIRCHE. Das sprachlich verwegenste und zugleich schönste Bistrot der Schweiz jedoch steht in La Neuveville am Bielersee und heisst L'ECOLE EST FINIE – DIE SCHULE IST AUS.

Nicht vergessen, beim nächsten Stadtbummel geeignete Übersetzungshilfen mitnehmen! Denn was bedeutet eigentlich LYLY'S STOMACH SUPPLY oder EO IPSO? Sind hier vielleicht nur Expats und Akademiker willkommen? Dass ich beim Namen TRATTORIA AROMA an mein Lieblingsgewürz denke, ist wohl eher mein Problem. Weshalb aber heisst eine Osteria ACQUA (Wasser), obwohl eine italienische Osteria eine Weinschenke ist?
I
In die Unterabteilung Zahlenmystik gehören Betriebe mit Namen wie DEPOT 14, GRILL 25, BAR 100, LOUNGE 44, CONTO 4056, CANTINA E9. Zählt man diese Zahlen zusammen und zieht das Konto wieder ab, kommt man auf die Geheimzahl 192. Laut dem Werkverzeichnis von Bach handelt es sich hierbei um den Choral „Nun danket alle Gott!“. Da ich nicht weiss, wofür ich mich bei wem bedanken soll, werde ich mal beim nächstbesten Pfarrer anklopfen. Vielleicht in der Füsserkirche.

P.S: Infolge Betriebsaufgabe oder Wirtewechsel existieren einige dieser Betriebe leider nicht mehr.
Fertig lustig!




Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com




































































Donnerstag, August 07, 2014

Dumme Zwetschge!


Kann die Sprache den Ruf einer Frucht beeinflussen? Warum sind ausgerechnet Zwetschgen mit negativen Redewendungen belegt? Sind Zwetschgen wirklich dumm? Die Antwort: Ja. Auch Zwetschgen sind dumm.


Kaum haben die Baselbieter Bauern ihre ersten Zwetschgen geerntet, setzt auch das jährliche Wehklagen ein. Das Landwirtschaftliche Zentrum Ebenrain lud die Vertreter der internationalen Presse zur Zwetschgenkonferenz nach Sissach. Und genau dort entfleuchte dem kantonale Zwetschgenvater folgende Weisheit: „Niemand kauft in den Sommerferien Zwetschgen!“ Diese sensationelle Erkenntnis aber erschütterte die Medienwelt! Denn, so ein anwesender Journalist, Sommerferien gäbe es doch schon seit den Zeiten von Pestalozzi! Der aber sei bereits 1827 gestorben! Warum nur beharren die Zwetschgen darauf, genau in diesen Monaten gepflückt zu werden? So dumm kann nur eine Zwetschge sein!
Nachdem sich die Chefzwetschge ein Tränchen aus dem linken Augenwinkel gewischt hatte, jammerte sie weiter , sprach vom Wetter und salbaderte „von gefrässigen Grossverteilern welche die Baselbieter Zwetschgenkörbli immer hinter den neuseeländischen Kiwis verstecken würden!“ Genau. So dumm kann keine Zwetschge sein!
Nun ich mache mir keine Sorgen um die Bauern. Viele meiner Verwandten und Bekannten sind tüchtige Bauern. Tüchtige Bauern aber können auch tüchtig jammern. Und wenn sie tüchtig gejammert haben, freuen sie sich auf die Subventionen aus Bern. Der Herrgott, Toni Brunner und der Bauernpräsident werden es schon richten.
„Wir erwarten den mengenmässigen Höhepunkt der Zwetschgenernte ab der letzten Juli-Woche“, so die letzte Nachricht aus der gefühlten Welthauptstadt der Zwetschgen. Der Höhepunkt aber erreichte Sissach bereits am Montagnachmittag. Die Grossverteiler führten überhaupt keine Zwetschgen. Nur Melonen. Nicht nur Zwetschgen sind manchmal ganz schön blöd.




Alle Angaben zu meinen Büchern finden Sie hier: www.gsellschreibt.blogspot.com