Freitag, Dezember 07, 2018

Ulithi 9


Während wir uns vor dem Flughafenhüttchen von Falalop in mikronesischer Leichtigkeit üben, nähert sich plötzlich ein Pickup. Solche Wagen funktionieren hier wie bei und Busse. Sie drehen eine Runde nach der andern rund um die Insel, fahren dabei beim Hafen, beim Flugplatz und bei anderen "Haltestellen" vorbei und laden dort jeweils Personen und auch Waren ein oder aus. Nicht dass die Distanzen riesig wären. In einer Stunde hat man das ganze Eiland auch zu Fuss umrundet.

Wir steigen in das Gefährt ein; meine Frau setzt sich auf den Beifahrerplatz, ich hinten auf die Ladefläche. Rumpelnd fahren wir der Piste entlang, halten dabei Ausschau nach landenden oder startenden Flugzeugen und biegen nach dreihundert Metern in einen kleinen Dschungelpfad ein. Zuerst ein Halt am Hafen, nachher geht’s weiter, am Friedhof vorbei zu unserm Hotel. Unser Gepäck wird abgeladen.

Die Türe zum Hotel steht weit offen, es wirkt einladend, Personal ist keines zu sehen. Ruth-Ann hat uns zusätzliche Wasserflaschen mitgebracht. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich eines Tages derartige Mengen geschmacksloses Nass im mich hineinschütten würde. Kaum hat man einen Schluck genommen, ist der Mund und die Kehle bereits wieder ausgetrocknet. Die Speichelproduktion stellt ihren Dienst ein, die Zunge klebt am Gaumen fest, der Hals ist verklebt, das Sprechen wird mühsam. Flasche auf, nächster Schluck!

Wir setzen uns erschöpft an einen Tisch auf der Veranda: Der Blick ist atemraubend! Nichts als Meer. Blaues Meer. Blautöne wie man sie kaum je gesehen hat, vom sanften Fenjal bis zum italienischen Azzurro, vom Züriblau bis zum Enzian ….

Wir scheinen die einzigen Gäste zu sein. Nicht verwunderlich bei dem Ruf, der das «Hotel» hat. Geister sollen dort wohnen, meint jemand. Leider wisse man nicht, ob es denn gute oder böse Geister seien. Dann werde ich mich wohl besser mal umschauen. Das Büro und die Küche im Erdgeschoss wirken verlassen.
Da war wohl seit Wochen niemand mehr. In der Tiefkühltruhe liegt ein Truthahn, ich fasse ihn nicht an. Auf einer knarrenden Treppe steige ich in den ersten Stock. Ausser einer einsamen Ratte und einer toten Küchenschabe begegne ich Niemandem. Die Zimmer scheinen auf den ersten Blick unbewohnt zu sein. Matratzen liegen verstreut darin herum, auf einigen Betten liegt undefinierbares Gerümpel. Nur ein einziges Zimmer scheint bewohnbar zu sein. Ich weiss nicht mehr, warum mich das Haus an den Film «Psycho» von Hitchcock erinnerte. Als ich die Dusche betrat war ich erleichtert, keinen Duschvorhang zusehen.

Hier also sollten wir drei Tage übernachten. Nachdem ich meinen Rundgang beendet und sich unsere Unterkunft zumindest tagsüber als geistfrei erwiesen hatte, setzte ich mich wieder auf die grosse Veranda. Gegen Abend erschienen zwar Geister, es waren jedoch unsere «guten Geister», die sich in den nächsten Tagen um uns kümmern würden.

Nolan ist Lehrer am Outerisland College und gleichzeitig Mitarbeiter der Fluggesellschaft. Sami ist die lokale Agentin der fliegenden Missionare. Sie übergaben uns den Schlüssel, zeigten uns die wichtigsten Schalter. Sie würden uns etwas später bekochen.

Pünktlich um 18.00 Uhr lag ein gar prächtiges Fischlein vor mir. Ein «Rochroch», so Sami. Ich habe nie herausgefunden, was ein «Rochroch» genau ist. Aber nie im Leben habe ich einen besseren Fisch gegessen. Ausser vielleicht den frittierten Hecht bei Chaschper und Liselott in Ligerz.






 
 

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