Dienstag, Dezember 25, 2018

Ulithi 19

Insel Ik, Ulithi-Atoll, Yap State, FSM

Wir setzen uns im Gärtchen unserer Cousine Ruth-Ann unter einen riesigen Mahagoni-Baum. Gemäss Marjorie V. Cushing Falanruw (Trees of Yap, US Forest Service), handelt es sich um einen Swietenia mahagoni, einen spanischen Mahagoni aus der Familie der Meliacea. Eigentlich sind es zwei ineinander verwachsene Bäume.
Alwin liegt unter dem Mahagoni-Baum und erzählt Geschichten.




Der Umfang und die Höhe des Baum-Konstruktes sind beträchtlich, an den ausladenden Ästen hängen einladende Hängematten. Ich kann ihnen nicht widerstehen und lasse mich in eine hineinfallen. Der Baum muss uralt sein, denke ich mir.

„Er ist hundert Jahre alt!“, meint Martha. „Da haben bereits die Japaner und nachher die Amerikaner darunter gesessen.
„Nein, er ist dreihundert Jahre alt!“, entgegnet ihr Alwin. „Und genau hier unter diesem Baum sind eure Vorfahren gesessen und haben meine spanischen Vorfahren zum Teufel gejagt!“
Da mir die Geschichte ziemlich spanisch vorkam, bat ich Alwin, sie mir zu erzählen.
Als ich ihn vorher noch fotografieren wollte, meinte er schmunzelnd, das würde nicht gehen, er sei „zu dunkel“.

Es geschah wohl vor etwa dreihundert Jahren. Die männliche Bevölkerung sass im Männerhaus, als ihnen plötzlich ein riesiges Schiff die Aussicht auf das Meer versperrte.
Grosses Kanu im Halteverbot.
Noch nie hatte man ein solch' grosses Kanus gesehen! Und so staunte man weiter vor sich hin, erzählte sich alte Geschichten und kaute Betelnüsse. Und so sahen sie nicht, dass die Besatzung des Schiffes heimlich auf die Insel übersetzte.

Die Frau des Chiefs war eben dabei, ein neues lavalava zu weben, als plötzlich ein dunkelhäutiger Ausländer vor ihr stand und ihr das noch unfertige Teil entriss. Sie bewaffnete sich mit einem Speer und rannte wutentbrannt zum Männerhaus.

„Wenn ihr einfach weiter hier herumsitzen wollt und euch die Insel unter euren ehrenwerten Hintern wegklauen lassen wollt, dann bitte! Aber nicht mit mir! Ich werde das Schiff jetzt angreifen.“ Während ihrer Ansprache fuchtelte sie wild mit dem Speer.

Die insularen Herren der Schöpfung ging diese Ansprache deutlich zu weit und man beschloss, die Angreifer einen Kopf kürzer zu machen und das Schiff zu erobern. Zuerst massakrierten sie all jene die es auf die Insel geschafft hatten, darunter soll auch der lavalava-Dieb gewesen sein, und machte sich anschliessend daran, das Schiff buchstäblich auseinander zu nehmen. Alles was man tragen konnte, wurde an Land geschleppt. Nachdem alles ausgeräumt war, ging man hinter die Nägel und andere metallene Gegenstände. Nach einigen Tagen tat das Schiff genau das, was ein Schiff ohne Nägel zu tun hatte: Es fiel auseinander.


Einige Wochen später. Als der Chief von Ik die kleine Riffinsel besuchte, um die reifen Kokosnüsse zu ernten, fand er Fussspuren. Diese führten zu einer besonders hohen Palme. „Man soll mal die Palme schütteln!“, rief er seiner Mannschaft zu. Was diese auch tat. Plötzlich aber fiel eine ganz besonders grosse Nuss herunter. Sie hatte zwei Beine, zwei Arme, einen Körper und einen Kopf.
 


„Carlos de Madrilla y Mendoza Alwino Caballero della Pampa“, meinte die Nuss, die gar keine Nuss, sondern ein wahrhaft menschliches Wesen war und deutete auf sich. Der Chief schaute ihn sich genauer an. Der "Gefallene" hatte dunkle Gesichtszüge, krause Haare, etwas schwulstige Lippen. Ansonsten aber schien er normal zu sein. Und so nahm ihn der Chief mit und adoptierte ihn.

Als ich Alwin etwas genauer ansah, bemerkte ich seine dunklen Gesichtszüge, das krause Haar und die leicht schwulstigen Lippen …
Vorsicht Fake! Auf diesem Bild ist weder Alwin noch einer seiner Vorfahren, sondern ein Krieger aus Chuuk zu sehen.
 
 

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